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Handwerk im Wandel

Vielfältige Berufe und Produkte

Technische Innovationen führen zu strukturellen Veränderungen im Handwerk: Um 1900 hatten Heimarbeit und handwerkliche Berufe noch eine große Bedeutung, nach dem Zweiten Weltkrieg nahm diese in vielen Arbeitsbereichen ab.

Spezialisierung von Berufen

Messerproduktion im arbeitsteiligen Handwerk: der Schalenschleifer produziert nur die Griffe. Langenfeld-Wiescheid, 1989.
Photo: Ayten Fadel/LVR

Im Zu­ge fort­schrei­ten­der Tech­ni­sie­rung ver­la­ger­te sich ei­ne Viel­zahl hand­werk­li­cher Tä­tig­kei­ten auf die In­dus­trie, wo­durch ei­ni­ge jahr­hun­der­te­al­te hand­werk­li­che Be­rufs­grup­pen, wie bei­spiels­wei­se die der Ger­ber, na­he­zu be­deu­tungs­los wur­den. An­de­re Hand­wer­ke dif­fe­ren­zie­ren sich da­ge­gen bis heu­te wei­ter aus, ins­be­son­de­re Be­ru­fe im Bau­ge­wer­be. So ent­stand bei­spiels­wei­se um 1900 aus dem Schmie­de­hand­werk das Schlos­ser­hand­werk, wo­mit die­ser neue Be­rufs­zweig auf zeit­ge­nös­si­sche tech­ni­sche Her­aus­for­de­run­gen re­agier­te. In der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts ent­wi­ckel­ten sich dann gleich meh­re­re heut­zu­ta­ge eta­blier­te Be­ru­fe wie der des Ma­schi­nen­bau­ers, Kraft­fahr­zeug­bau­ers, Au­to­schlos­sers, Klemp­ners, In­stal­la­teurs, aber auch ei­ne Viel­zahl von Me­cha­ni­ker­be­ru­fen. Ei­ne sol­che Aus­dif­fe­ren­zie­rung und zu­gleich Spe­zia­li­sie­rung des Be­rufs­bil­des und der ge­for­der­ten Tä­tig­kei­ten ist auch bei Hand­werks­be­ru­fen aus dem Dienst­leis­tungs­sek­tor, wie bei­spiels­wei­se dem des Fri­seurs, fest­zu­stel­len.

Unterschiede zwischen Handwerk und Industriearbeit

Feilenhauer beim Einschlagen von Kerben in den Rohling. Eschweiler, 1986.
Photo: Peter Weber/LVR

Der Un­ter­schied zwi­schen in­dus­tri­el­ler und hand­werk­li­cher Fer­ti­gung liegt nicht nur in der ei­gent­li­chen Her­stel­lung, son­dern dar­in, dass das Auf­ga­ben­ge­biet ei­nes Hand­wer­kers we­sent­lich brei­ter ge­fasst ist als die je­wei­li­gen in­dus­tri­el­len Pro­duk­ti­ons­schrit­te ei­ner Wa­re. Die­ses per­so­nel­le Tä­tig­keits­feld um­fasst ne­ben der Her­stel­lung von Ar­ti­keln näm­lich zu­dem auch die War­tung, Re­pa­ra­tur oder die Mo­di­fi­zie­rung und In­di­vi­dua­li­sie­rung ei­nes Ein­zel­pro­dukts auf Kun­den­wunsch. Ein Hand­wer­ker er­le­digt in der Re­gel al­le un­ter­schied­li­chen Ar­beits­schrit­te der Her­stel­lung und War­tung, wäh­rend in der In­dus­trie die Tä­tig­kei­ten auf ver­schie­de­ne Ar­bei­ter und Ma­schi­nen ver­teilt wer­den. Da­durch ar­bei­ten in der In­dus­trie häu­fig an­ge­lern­te Ar­bei­ter, wäh­rend ein Hand­werk in Aus­bil­dung ge­lernt wird. Ei­ne zwei- bis drei­jäh­ri­ge Aus­bil­dung wird da­bei in der Re­gel in ei­nem pro­du­zie­ren­den Be­trieb ab­sol­viert. Nur ein klei­ne­rer Teil der Hand­werks­be­ru­fe, vor al­lem in Heim­ar­beit ver­rich­te­tes Ar­bei­ten wie die der Korb­flech­ter, konn­te auch oh­ne ge­ne­ra­li­sier­te Aus­bil­dung durch die An­lei­tung in ei­nem pro­du­zie­ren­den Be­trieb er­lernt wer­den. Zu­neh­mend setz­te sich im 20. Jahr­hun­dert die Aus­bil­dung durch, wel­che vor­ran­gig an ei­ner Fach­hoch- oder Be­rufs­schu­le ab­sol­viert wird und nur ei­ne flan­kie­ren­de Be­treu­ung in ei­nem Lehr­be­trieb hat. Die Pra­xi­s­an­tei­le sind da­bei je nach Leh­re un­ter­schied­lich stark ge­wich­tet.

Der Rückgang einzelner Handwerksberufe

Stellmacher beim Anbringen von Speichen. Keidelheim 2005.
Photo: Josef Mangold/LVR

Die Ver­brei­tung ei­ni­ger hand­werk­li­cher Be­ru­fe ging im Zu­ge ver­än­der­ter Ar­beits- und Le­bens­um­stän­de im Lau­fe des 20. Jahr­hun­derts stark zu­rück. Die Pro­duk­te wa­ren nicht mehr nach­ge­fragt oder tech­ni­sche Mög­lich­kei­ten, neue Ma­te­ria­li­en so­wie in­dus­tri­el­le Her­stel­lungs­pro­zes­se lös­ten die hand­werk­li­che Ar­beit ab. Bei­spie­le hier­für sind die Be­ru­fe des Drechs­lers, der um die Jahr­hun­dert­wen­de un­ter an­de­rem Spinn­rä­der für den Heim­ge­brauch pro­du­zier­te, des Fäs­ser oder Bot­ti­che her­stel­len­den Kü­fers oder auch der des Korb­flech­ters. Der noch in den ers­ten Jahr­zehn­ten des 20. Jahr­hun­derts für na­he­zu al­le Hand­werks­be­rei­che, Händ­ler oder Land­wir­te un­ent­behr­li­che Stell­ma­cher, der Rä­der und land­wirt­schaft­li­che Ge­rä­te aus Holz her­stell­te, ver­schwand als Be­ruf fast voll­stän­dig. Spe­zia­li­sier­te Hand­wer­ker, die bei­spiels­wei­se Mäu­se­fal­len, Blitz­ab­lei­ter, Knöp­fe, Schneid­wa­ren oder Ko­kos­mat­ten her­stell­ten, mach­ten das Rhein­land mit ih­ren Pro­duk­ten auch über­re­gio­nal be­kannt. Doch auch ih­re Be­deu­tung sank im 20. Jahr­hun­dert. Heu­te le­ben nur noch we­ni­ge Hand­wer­ker von sol­chen Pro­duk­ten und ver­kau­fen die­se eher auf re­gio­na­len oder his­to­ri­sie­ren­den Märk­ten, denn im All­tag wur­den ih­re Er­zeug­nis­se meist durch in­dus­tri­ell her­ge­stell­te Wa­re ab­ge­löst.

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