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Arbeit unter Bäumen

Der Wald zwischen Forstwirtschaft, Umwelteinflüssen und Tourismus

Die Arbeit im Wald bewegt sich im Spannungsfeld zwischen technischen Innovationen, Umwelteinflüssen und Tourismusansprüchen.

Wirtschafts- und Arbeitsraum Wald

Waldarbeiter beim Sägen eines Baumstamms. Kehrig 1958.
Photo: Josef Ruland/LVR

Mit Holz lie­fern Wäl­der ei­nen wich­ti­gen Roh­stoff nicht nur für den Bau und Aus­bau von Ge­bäu­den, son­dern auch ein Brenn­ma­te­ri­al zum Hei­zen der Wohn­räu­me. Aus der Forst­wirt­schaft stammt der Be­griff der Nach­hal­tig­keit: ei­nem Wald kann nur so viel Holz ent­nom­men wer­den, wie auch neue Bäu­me an­ge­pflanzt wer­den. Durch jah­re- oder so­gar jahr­zehn­te­lan­ge Wachs­tums­pha­sen von Bäu­men ist hier ei­ne mit­tel- und lang­fris­ti­ge Pla­nung be­son­ders wich­tig.

Der Be­ruf des Holz­fäl­lers war um 1900 ge­prägt von schwe­rer kör­per­li­cher Ar­beit, die bei je­der Wit­te­rung, ver­bun­den mit ei­nem ho­hen Un­fall­ri­si­ko, aus­zu­üben war. Als Ar­beits­ge­rät dien­ten den Män­nern oft­mals nur ei­ne Hand­sä­ge, Sei­le, Spalt­werk­zeu­ge und zum Trans­port der Stäm­me die Zug­kraft von Pfer­den. Kennt­nis­se über die Be­schaf­fen­heit des Bo­dens, das Wachs­tum der Pflan­zen und Bäu­me wa­ren für die Wald­ar­bei­ter eben­so wich­tig wie die Ori­en­tie­rung in den ein­zel­nen Re­vie­ren. Mit den Be­sit­zern des haupt­säch­lich aus Pri­vat­wald be­ste­hen­den rhei­ni­schen Wal­des muss­ten Fäll­ar­bei­ten eben­so wie bei­spiels­wei­se Jagd­rech­te ab­ge­spro­chen wer­den, in der Re­gel wa­ren hier­für Zah­lun­gen oder Ab­ga­ben in Form von Na­tu­ra­li­en not­wen­dig.

Wie auch in an­de­ren Ar­beits­be­rei­chen wur­de im Forst­be­trieb mit dem Wan­del im 20. Jahr­hun­dert ver­stärkt in Lohn­ar­beit ge­ar­bei­tet, da die ne­ben­be­ruf­lich hier ar­bei­ten­de Land­be­völ­ke­rung in in­dus­tri­el­len Be­trie­ben Ar­beit fand und zu gu­ten Tei­len in die Bal­lungs­räu­me ab­wan­der­te. Der Be­ruf ent­wi­ckel­te sich zu ei­nem Aus­bil­dungs­be­ruf, dem Wald­fach­ar­bei­ter oder Forst­wirt, die Fach­kräf­te muss­ten mit den ver­mehrt ein­ge­setz­ten Ma­schi­nen ver­traut sein. En­de des 20. Jahr­hun­derts dif­fe­ren­zier­ten sich die forst­li­chen Be­ru­fe wei­ter aus: In di­ver­sen Aus­bil­dungs- und Stu­di­en­gän­gen lässt sich das Öko­sys­tem Wald und der mensch­li­che Um­gang mit die­sem er­ler­nen.

Als be­son­ders ein­schnei­dend stell­te sich der Ein­satz der Mo­tor­sä­ge her­aus: Mit der Mög­lich­keit schnel­le­rer und leich­te­rer Fäll­ar­bei­ten sank zwar die kör­per­li­che An­stren­gung, gleich­zei­tig stieg aber auch das Ver­let­zungs­ri­si­ko an, so­dass der Wald­ar­bei­ter zu ei­nem der ge­fähr­lichs­ten bun­des­deut­schen Be­ru­fe wur­de. Mit ver­bes­ser­ter Schutz­aus­rüs­tung - be­ste­hend aus Helm, Ge­hör­schutz, Ar­beits­bril­le, Spe­zi­al­klei­dung, Ar­beits­schu­hen und Hand­schu­hen - konn­te das Ver­let­zungs­ri­si­ko et­was ein­ge­dämmt wer­den. Ne­ben der Mo­tor­sä­ge eta­blier­ten sich mo­to­ri­sier­te Schlepp­fahr­zeu­ge, die die Ar­beit un­ter­stütz­ten. Zu­gleich ver­än­der­te sich das Auf­ga­ben­feld grund­le­gend: Im Mit­tel­punkt ste­hen heu­te nicht nur Fäll­ar­bei­ten, son­dern auch Forst­kul­ti­vie­rungs­maß­nah­men von der Pflan­zung, über die Pfle­ge und Schäd­lings­be­kämp­fung bis zum trans­port­fer­ti­gen Vor­be­rei­ten der ge­fäll­ten Bäu­me.

Umwelteinflüsse auf den Wald und touristische Nutzung

Gaststätte bewirbt sich als Waldgaststätte, Bonn-Casselsruhe. 1939.

Auch der Um­welt­schutz und da­mit ver­bun­de­ne Bil­dungs­auf­ga­ben wur­den in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts zu ei­ner Auf­ga­be der Forst­wir­te. Je nach La­ge des Wald­re­viers und des per­sön­li­chen Ein­sat­zes wer­den Na­tur- und Land­schafts­pfle­ge heu­te den ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ent­spre­chend oder so­gar dar­über hin­aus­ge­hend be­trie­ben.

Ver­än­de­run­gen von Flo­ra und Fau­na der rhei­ni­schen Wäl­der er­ga­ben sich nicht nur mit dem Aus­set­zen nicht hei­mi­scher Tier­ar­ten seit den 1920er Jah­ren. So­wohl im Ruhr­ge­biet als auch in an­de­ren Tei­len des Rhein­lands wur­den be­reits zu Be­ginn des Jahr­hun­derts die ers­ten grö­ße­ren Wald­schä­den re­gis­triert, die sich zu ei­ner groß­flä­chi­gen Ent­wal­dung gan­zer Re­gio­nen aus­wei­te­ten. Staat­lich ver­ord­ne­te eben­so wie pri­va­te Bau­pro­jek­te, die Ver­ein­nah­mung der Land­schaft für In­dus­trie- und in­dus­trie­be­glei­ten­de Bau­ten so­wie die zu­neh­men­de Ver­städ­te­rung be­las­te­ten ne­ben den schäd­li­chen Ab­ga­sen der In­dus­trie Luft, Was­ser und Bo­den deut­lich. Der Wald­be­stand nahm im­mer wei­ter ab. In den 1980er Jah­ren setz­te ei­ne zwei­te Wel­le des Wald­ster­bens ein, die in Deutsch­land me­di­al aus­führ­lich de­bat­tiert wur­de und ei­ne Um­welt­po­li­tik erst­mals auf die ta­ges­po­li­ti­sche Agen­da setz­te.

Spä­tes­tens zu die­sem Zeit­punkt wur­de die Be­deu­tung des Wal­des und die Dring­lich­keit der not­wen­di­gen Maß­nah­men zu sei­nem Schutz auch auf po­li­ti­scher Ebe­ne er­kannt: Mit Wald­zu­stands­er­fas­sun­gen, die seit Be­ginn der 1980er Jah­re kon­ti­nu­ier­lich durch­ge­führt wer­den, ver­su­chen die Forst­äm­ter die Schä­den sys­te­ma­tisch auf­zu­neh­men und nach Aus­wer­tung der Er­geb­nis­se ge­eig­ne­te Maß­nah­men zu er­grei­fen. Da­zu zäh­len vor al­lem die ge­ziel­te Wie­der­auf­fors­tung und die An­sied­lung hei­mi­scher Tier- und Pflan­zen­ar­ten, aber auch spe­zi­el­le­re Vor­ha­ben wie bei­spiels­wei­se Re­na­tu­rie­rungs­ver­su­che ehe­ma­li­ger Ab­raum­hal­den. Hin­zu ka­men ver­schie­de­ne Maß­nah­men, die die Er­hal­tung des Wal­des auch in den Fo­kus der Be­völ­ke­rung schie­ben soll­ten. Zu­dem war für an­de­re An­stren­gun­gen, die zur Er­hö­hung der At­trak­ti­vi­tät des Wal­des un­ter­nom­men wur­den, der be­reits im 19. Jahr­hun­dert ein­set­zen­de Tou­ris­mus, der sich im 20. Jahr­hun­dert wei­ter ent­wi­ckel­te und auch wirt­schaft­li­che Be­deu­tung er­lang­te, nicht un­be­deu­tend.

Ein Aus­bau der Wald­we­ge war zu­nächst not­wen­dig ge­wor­den, um Trans­port­ar­bei­ten leich­ter er­le­di­gen zu kön­nen. Die We­ge wur­den nun zu ei­nem Netz von Wan­der­we­gen mit Schutz­hüt­ten aus­ge­baut, die es durch ent­spre­chen­de Weg­wei­ser und Gast­stät­ten er­leich­ter­ten, im Wald zu spa­zie­ren und dort Er­ho­lung zu fin­den. Der Wald wird da­bei, ein Spe­zi­fi­kum der deut­schen Ro­man­tik, mit Na­tur gleich­ge­setzt. Des­halb ist er als Ort der Frei­zeit­ge­stal­tung be­son­ders be­liebt und wird dem­entspre­chend ge­pflegt und her­ge­rich­tet. Spe­zi­el­le Ver­ei­ne wie der Deut­sche Wan­der­ver­band und lo­ka­le Zu­sam­men­schlüs­se küm­mern sich um die Er­hal­tung der In­fra­struk­tu­ren. Die Wan­de­rer sind je­doch selbst längst zu ei­nem Wirt­schafts­zweig ge­wor­den, an dem nicht nur Gast­stät­ten und Be­her­ber­gungs­be­trie­be, son­dern bei­spiels­wei­se auch Her­stel­ler von Wan­der­aus­rüs­tun­gen ver­die­nen.

Durch ent­spre­chen­de Maß­nah­men wur­de der Wald so­mit wie­der at­trak­ti­ver für Be­su­chen­de und konn­te gleich­zei­tig als Wirt­schafts­raum er­hal­ten blei­ben. So ver­ei­nen sich in den be­wal­de­ten Ge­bie­ten des Rhein­lands Wirt­schafts­räu­me der Holz­ge­win­nung mit tou­ris­tisch ge­nutz­ten Räu­men - die Wald­ge­bie­te vor al­lem in der Ei­fel pro­fi­tier­ten so­mit be­son­de­res von dem Rück­gang sicht­ba­rer Um­welt­schä­den.

Weiterführende Literatur

Harz­heim, Ga­brie­le: Wahr­neh­mun­gen und Um­gang mit der Kul­tur­land­schaft Ei­fel. In: Rhei­ni­sches Jahr­buch für Volks­kun­de 38 (2009/2010), S. 189-207.

Hil­ler, Hu­ber­tus: Jä­ger und Jagd. Zur Ent­wick­lung des Jagd­we­sens in Deutsch­land zwi­schen 1848 und 1914 (Kie­ler Stu­di­en zur Volks­kun­de und Kul­tur­ge­schich­te, Bd. 2). Müns­ter 2003.

Lau­ter­bach, Burk­hart (Hg.): Auf den Spu­ren der Tou­ris­ten. Per­spek­ti­ven auf ein be­deut­sa­mes Hand­lungs­feld. Würz­burg 2010.

Leh­mann, Al­brecht: Von Men­schen und Bäu­men. Die Deut­schen und ihr Wald. Rein­bek bei Ham­burg 1999.

Schrie­wer, Klaus: Na­tur und Be­wusst­sein. Ein Bei­trag zur Kul­tur­ge­schich­te des Wal­des in Deutsch­land, Müns­ter/New York 2015.

Volks­kund­li­che Be­ra­tungs- und Do­ku­men­ta­ti­ons­stel­le für Thü­rin­gen (Hg.): Vom Wald le­ben. Ar­beits­welt Wald und Forst in Ver­gan­gen­heit und Ge­gen­wart. Vor­trä­ge des gleich­na­mi­gen Kol­lo­qui­ums der Volks­kund­li­chen Be­ra­tungs- und Do­ku­men­ta­ti­ons­stel­le für Thü­rin­gen vom 15. Ok­to­ber 2011 im Forst­haus Er­furt-Will­ro­de, Er­furt 2012.

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