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Keramik und Ziegel

Die Tonverarbeitung im Rheinland

Tonpfeifen, Keramikgefäße, Dachziegel oder Kabelabdeckungen zeigen nur einen kleinen Ausschnitt des Repertoires der rheinischen Stein- und Tonverarbeitung.

Ein Töpfer befestigt einen Henkel an einem Bauchkrug. Speicher 1979.
Photo: unbekannt/LVR

Auf­grund des ho­hen Ton­vor­kom­mens im Rhein­land fin­den sich an ei­ner Viel­zahl von Or­ten Ab­bau­ge­bie­te so­wie Zen­tren der Ver­ar­bei­tung. Wur­de der Ton bis in die 1930er Jah­re noch von Hand in höl­zer­ne Kipp­wa­gen ge­schau­felt und die­se mit­tels ei­ner Seil­win­de aus der Gru­be ge­zo­gen, er­setz­ten seit Mit­te der 1950er Jah­re Gro­ß­ge­rä­te die­se Ar­beits­vor­gän­ge. Wäh­rend die Stein­in­dus­trie in der Re­gel die Grund­stof­fe für ver­schie­den form­ba­re Ar­ti­kel, be­son­ders der Bau­in­dus­trie lie­fer­te, ar­bei­te­ten mit dem Werk­stoff Ton di­ver­se Be­rufs­grup­pen und stell­ten Pro­duk­te für ganz un­ter­schied­li­che all­täg­li­che Ver­wen­dungs­zwe­cke her.

Keramische Produkte

Einlegetopf mit Sollbruchstelle: die Zacken am Fuß sind teilweise abgebrochen. Um 1900.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Ke­ra­mik kann un­ter­schie­den wer­den in die dich­ten (Por­zel­lan und Stein­zeug) und po­rö­sen Ton­wa­ren (Stein­gut und Ir­den­wa­re), die nach der Form­ge­bung al­le durch Trock­nen und an­schlie­ßen­des Bren­nen ge­fer­tigt wer­den.
Bei den po­rö­sen Ton­wa­ren muss nach dem Bren­nen zu­sätz­lich ei­ne Gla­sur auf­ge­tra­gen wer­den, um die Pro­duk­te was­se­r­un­durch­läs­sig zu ma­chen. Hier wird bei der Pro­duk­ti­on je­doch we­ni­ger Heiz­ma­te­ri­al auf Grund von nied­ri­ge­rer Brenn­tem­pe­ra­tur be­nö­tigt. Die Her­stel­lung er­folg­te noch bis zur Mit­te des 20. Jahr­hun­derts durch ver­schie­de­ne Hand­werks­be­ru­fe, die sich auf ein­zel­ne Her­stel­lungs­ver­fah­ren spe­zia­li­sier­ten.
Stein­zeug­ge­fä­ße ka­men im 19. und 20. Jahr­hun­dert vor al­lem in der Milch­wirt­schaft, in der Vor­rats­hal­tung so­wie als Haus­halts­ge­schirr zum Ein­satz.

Sie be­nö­ti­gen kei­ne zu­sätz­li­che Gla­sur, da sie auch oh­ne die­se dicht sind und des­halb be­son­ders kos­ten­güns­tig er­hält­lich. Die Er­zeu­gungs­schwer­punk­te von Stein­zeug la­gen in den Ge­bie­ten Köln, Sieg­burg, Rae­ren, Fre­chen, Lan­ger­we­he in der Ei­fel und in Tei­len des Wes­ter­wal­des.

Re­gio­na­le Va­ri­an­ten von Trink­ge­fä­ßen, bei­spiels­wei­se Bart­manns­krü­ge des Köl­ner Raums oder Sieg­bur­ger Schnel­len, zeich­ne­ten sich durch Un­ter­schie­de in Ober­flä­chen­be­schaf­fen­heit, Far­be oder De­ko­ra­ti­ons­ele­men­ten aus. Ein­le­ge- und Vor­ratstöp­fe aus Stein­zeug wur­den in Lan­ger­we­he bei Dü­ren seit dem 16. Jahr­hun­dert bis et­wa in die 1920er Jah­re her­ge­stellt. Ty­pisch für die mund­art­lich als „Baa­ren“ be­zeich­ne­ten Lan­ger­we­her Ein­le­ge- und Vor­ratstöp­fe ist der Kro­nen- bzw. Za­cken­fuß. Die­ser dien­te als ei­ne Art „Knautsch­zo­ne“, der beim Trans­port der schwe­ren, ge­füll­ten Ge­fä­ße bei ei­nem Sturz auf die Stand­flä­che die Za­cken ab­bre­chen ließ, je­doch den emp­find­li­chen Bo­den schütz­te und ein Aus­lau­fen der ge­la­ger­ten Le­bens­mit­tel ver­hin­der­te.

Im Lau­fe des 20. Jahr­hun­derts wur­den die Stein­zeug­ge­fä­ße zu­neh­mend we­ni­ger als Ge­brauchs­wa­re her­ge­stellt und von in­dus­tri­ell her­ge­stell­tem Por­zel­lan und Glas ab­ge­löst. Die Fer­ti­gung kon­zen­trier­te sich des­halb stär­ker auf krea­ti­ve Pro­zes­se, die ei­nen in­di­vi­du­el­len Stil der Pro­du­zen­ten er­ken­nen las­sen. Die Er­zeug­nis­se des Töp­fer­hand­werks er­freu­ten sich seit den 1960er Jah­ren re­ger Be­liebt­heit: nicht un­er­heb­lich dürf­te da­bei der Boom an Töp­fer­hand­werks­märk­ten und Töp­fe­rate­liers sein, die oft­mals von pro­fes­sio­nell aus­ge­bil­de­ten Töp­fe­rin­nen und Töp­fern als Kunst­hand­werks­be­trie­be ge­führt wer­den.

Ei­ne Be­son­der­heit der rhei­ni­schen Re­gi­on des Wes­ter­wal­des, dem so ge­nann­ten „Kan­nen­bä­cker­lan­d“, ist die Her­stel­lung von Ton­pfei­fen. Wur­den die Pfei­fen frü­her als Ta­bak­pfei­fen her­ge­stellt, än­der­te sich das spä­tes­tens nach dem Zwei­ten Welt­krieg durch Ab­satz­rück­gän­ge im Ex­port­ge­schäft so­wie fort­schrei­ten­der in­dus­tri­el­ler Her­stel­lung. Nur in ge­rin­ger Stück­zahl wer­den heu­te noch die so ge­nann­ten Weck­mann­pfei­fen her­ge­stellt, die bei den spe­zi­el­len Ge­bä­cken (den We­cken) in Form von Män­nern zu Sankt Mar­tin oder re­gio­nal un­ter­schied­lich auch an Ni­ko­laus ver­schenkt wer­den. Die Schwer­punk­te ha­ben sich mitt­ler­wei­le in Rich­tung der Pro­duk­ti­on von Spiel­zeug, Spar­do­sen, Schieß­bu­den­zu­be­hör, Gar­ten- und Ge­fä­ßke­ra­mik, Rau­cher­be­darf, Holz­pfei­fen oder Le­ge-Ei­er ver­scho­ben.

Ziegelherstellung

Werbeplakat für Westerwälder Steinzeug, 1920-1939.
Photo: Sabine König/LVR

Ne­ben der Her­stel­lung von (Ge­brauchs)ke­ra­mik hat die Zie­gel­pro­duk­ti­on, die ne­ben Mau­er­zie­geln auch Dach­zie­gel her­stell­te, im Rhein­land Tra­di­ti­on. Die­se wer­den eben­falls aus dem Roh­stoff Ton oder aus Lehm her­ge­stellt, der in Form ge­bracht, ge­trock­net und dann ge­brannt wird. Bis En­de der 1920er Jah­re er­folg­te die Her­stel­lung na­he­zu aus­schlie­ß­lich in Hand­ar­beit. Die meis­ten Zie­ge­lei­be­trie­be wa­ren – im Un­ter­schied zu den Bri­kett­fa­bri­ken, de­ren Um­wand­lung in Ak­ti­en­ge­sell­schaf­ten mit Ver­grö­ße­rung des Un­ter­neh­mens gän­gi­ge Pra­xis wur­de – bis zur Be­triebs­schlie­ßung in Fa­mi­li­en­be­sitz. Die Mas­sen­pro­duk­ti­on er­folg­te al­ler­dings schon seit dem 19. Jahr­hun­dert zu­neh­mend me­cha­ni­siert. Stan­dar­di­sier­te For­men et­wa für Haus­zie­gel konn­ten ma­schi­nell be­füllt wer­den und setz­ten sich schnell durch, der Ein­satz elek­tro­be­trie­be­ner Schlit­ten­pres­sen er­mög­lich­te zu­dem aus­dif­fe­ren­zier­te­re For­men un­ter­schied­li­cher Dach­zie­gel. Durch die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten und den Ein­satz ei­ner Viel­zahl un­ter­schied­li­cher Ma­schi­nen konn­te et­wa das Über­win­den von Hö­hen­un­ter­schie­den im Pro­duk­ti­ons­ab­lauf er­leich­tert wer­den und ins­be­son­de­re die ra­sche­re und wit­te­rungs­un­ab­hän­gi­ge Trock­nung des Tons führ­te zu bes­se­ren Aus­schuss­quo­ten.

Weiterführende Literatur

Freck­mann, Klaus: Rhei­ni­sches Töp­fer­hand­werk. Ei­fel-Mo­sel-Huns­rück-Na­he-Rhein­hes­sen, Köln 1977 (Schrif­ten­rei­he des Frei­licht­mu­se­ums Sobern­heim, Bd. 2).

Kerk­hoff-Ha­der, Bär­bel: Ke­ra­mik­pro­duk­ti­on 1600-2000, Bonn 2008 (Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de, Bei­heft XI/13).

Krötz, Wer­ner: Die In­dus­trie­stadt Ober­hau­sen, Köln 1985 (Ge­schicht­li­cher At­las der Rhein­lan­de, Bei­heft IV/5).

Küg­ler, Mar­tin: Pfei­fen­bä­cke­rei im Wes­ter­wald. Die Ge­schich­te der Pfei­fen­bä­cke­rei des un­te­ren Wes­ter­wal­des von den An­fän­gen um 1700 bis heu­te, Köln 1995 (Wer­ken und Woh­nen. Volks­kund­li­che Un­ter­su­chun­gen im Rhein­land, Bd. 22).

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