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Bäckerhandwerk und häusliches Backen

Brot auf dem Weg ins neue Jahrtausend

Die Entwicklung des Brotbackens und des Bäckerhandwerks war und ist eng verknüpft mit den Veränderungen in der Selbstversorgung, im Einzelhandel und der Lebensmittelindustrie.

Frisch gebackenes Brot aus dem Gemeindebackofen. Löhndorf 1970.
Photo: Landesbildstelle Rheinland/LVR

Brot als Grund­nah­rungs­mit­tel lie­fert ver­läss­lich den Ka­lo­ri­en­be­darf, ist teil­wei­se ei­ni­ge Wo­chen halt­bar und vor al­lem recht kos­ten­güns­tig her­zu­stel­len. Bis ins 20. Jahr­hun­dert wur­de vor al­lem gro­bes Schwarz­brot ge­ges­sen, was mehr­heit­lich aus Rog­genschrot ge­ba­cken wird. Erst nach dem Zwei­ten Welt­krieg sorg­ten fei­ner ge­mah­le­nes Rog­gen- und vor al­lem die Zu­ga­be von Wei­zen­mehl für hel­le­res Brot. In Deutsch­land sind heu­te rund 3.000 Brot­sor­ten zu fin­den, die vor al­lem re­gio­nal und lo­kal un­ter­schied­li­che Re­zep­te als Misch­bro­te ha­ben. Lan­ge Zeit wur­de das Brot selbst ge­ba­cken.

Lohnbäcker und Gemeindebackofen

Filmarbeiten dokumentieren die Arbeitsschritte im Gemeindebackhaus, hier das Anfachen des Ofens. Löhndorf 1970.
Photo: Landesbildstelle Rheinland/LVR

Zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts bot der hand­werk­lich ar­bei­ten­de Bä­cker als Lohn­bä­cker die Mög­lich­keit, Tei­ge zu Brot ba­cken zu las­sen oder fer­tig ge­ba­cke­nes Brot im Tausch­ver­fah­ren ge­gen Korn bzw. Mehl zu er­hal­ten. Ver­merkt wur­den die Tausch­vor­gän­ge in ei­nem ei­gens für die­sen Zweck an­ge­leg­ten An­schrei­be­büch­lein. Bei­de Va­ri­an­ten so­wie das Zu­kau­fen von Brot wa­ren be­son­ders im städ­ti­schen Um­feld ver­brei­tet, da die­je­ni­gen, die kei­nen Ofen, kein Land oder kei­ne En­er­gie für die auf­wän­di­gen Ar­beits­schrit­te zur Ver­fü­gung hat­ten, auf die­se An­ge­bo­te zu­rück­grei­fen muss­ten.

Auf dem Land be­sa­ßen die Men­schen in der Re­gel ei­nen ei­ge­nen Back­ofen oder nutz­ten den Ge­mein­de­back­ofen. Al­le zwei bis drei Wo­chen wur­de selbst ge­ba­cken und so der Be­darf an Brot für die gan­ze Fa­mi­lie ab­ge­deckt. Rund 40 Ki­lo Mehl wur­den zu meist 16 Bro­ten ver­ar­bei­tet. Der Ge­mein­de­back­ofen wur­de un­ab­hän­gig von der so­zia­len Schicht in ei­ni­gen Ort­schaf­ten des Rhein­lan­des bis in die 1930er Jah­re ge­mein­schaft­lich ge­nutzt, vom Nut­zungs­recht aus­ge­nom­men wa­ren le­dig­lich Zu­ge­zo­ge­ne und Neu­bür­ger, die sich ein Back­recht et­wa durch Nach­barn er­war­ben. Nicht nur Brot­lai­be und Ku­chen wur­den hier ge­ba­cken, son­dern auch Dörr­obst aus dem ei­ge­nen Gar­ten her­ge­stellt, um die Vor­rats­hal­tung  für den Win­ter si­cher­zu­stel­len. Die Rei­hen­fol­ge der Be­nut­zung des Back­hau­ses wur­de im Los­ver­fah­ren im­mer wie­der neu ge­re­gelt und hat­te vor al­lem Vor­tei­le in der Be­quem­lich­keit, denn wer beim Lo­sen ge­wann konn­te sich den Zeit­punkt des Ba­ckens aus­su­chen. Wenn der Back­ofen voll aus­ge­las­tet war muss­te ei­ne „Back­ge­mein­schaf­t“ die Ar­bei­ten zwi­schen Abend und Mor­gen­grau­en durch­füh­ren.

Zu­ta­ten und auch Brenn­ma­te­ri­al wur­den von den Fa­mi­li­en je­weils selbst mit­ge­bracht. Im Ge­mein­de­back­haus wur­den al­le Ar­beits­schrit­te vom An­set­zen und Kne­ten des Tei­ges über das For­men der Bro­te bis zur Nach­be­hand­lung der ge­ba­cke­nen Lai­be er­le­digt. Es war des­halb auch ein wich­ti­ger Treff­punkt, der zum Aus­tausch von Neu­ig­kei­ten be­sucht wur­de. Auf­grund der kör­per­li­chen An­stren­gung, war ins­be­son­de­re der Ar­beits­schritt des Teig­k­ne­tens männ­li­chen Fa­mi­li­en­mit­glie­dern vor­be­hal­ten, die an­de­ren Ar­bei­ten wur­den in der Re­gel von Frau­en er­le­digt. Die Ar­beits­schrit­te wur­den ähn­lich auch in den ei­ge­nen Back­häu­sern grö­ße­rer Hö­fe er­le­digt, auch hier war nach­bar­schaft­li­che Hil­fe und Zu­sam­men­ar­beit üb­lich.

Noch nach dem Zwei­ten Welt­krieg war et­wa der Ge­mein­de­back­ofen in Löhn­dorf, ei­nem Orts­teil von Sin­zig im Land­kreis Ahr­wei­ler, rund um die Uhr be­feu­ert. Seit dem 18. Jahr­hun­dert hat­ten hier al­le Be­woh­ne­rin­nen und Be­woh­ner des Dor­fes ge­ba­cken, die sich kei­nen ei­ge­nen Back­ofen leis­ten konn­ten. Dort wur­de das Brot für den Ei­gen­be­darf noch bis in die 1970er Jah­re von ei­ni­gen Be­woh­nern­in­nen und Be­woh­nern ge­ba­cken, ob­wohl es in die­sem Dorf be­reits ei­nen Be­rufs­bä­cker gab. Die Ar­beits­schrit­te wur­den in ei­ner Film­do­ku­men­ta­ti­on fest­ge­hal­ten. Das Back­haus steht heu­te im Frei­licht­mu­se­um Kom­mern. Wäh­rend in Kriegs­zei­ten die Pra­xis des Ei­gen­ba­ckens wie­der zu­neh­mend Ver­brei­tung fand, ver­schwand die­se Kul­tur­pra­xis seit den 1960er Jah­ren fast völ­lig.

Das Aufkommen von Bäckereien

Pausenbrot mit industriell gefertigten Brotscheiben. Bonn 2003.
Photo: Peter Weber/LVR

Die Eta­blie­rung von ei­gen­stän­di­gen Bä­cke­rei­en war stark an die zu­neh­men­den Ver­än­de­run­gen im Ar­beits­le­ben ge­kop­pelt. Durch die zu­rück­ge­hen­de Sub­sis­tenz­wirt­schaft mit Ver­sor­gung aus dem ei­ge­nen Gar­ten nahm auch die Be­deu­tung des ei­ge­nen Ba­ckens ab. Der gro­ße Auf­wand lohn­te sich im­mer we­ni­ger. Die Lohn­bä­cke­rei von hand­werk­lich ar­bei­ten­den Bä­ckern blieb teil­wei­se für be­son­ders fest­li­che Ku­chen und Ge­bä­cke auch dann er­hal­ten, als der elek­tri­sche Back­ofen in den 1960ern be­reits Ein­zug in die Haus­hal­te ge­hal­ten hat­te. Das im wahrs­ten Sin­ne täg­li­che Brot wur­de nun beim Bä­cker vor Ort ge­kauft. Es war nicht nur fri­scher, son­dern im Ver­gleich zum ei­ge­nen Auf­wand auch kos­ten­güns­ti­ger.

Vor al­lem in der städ­ti­schen Kul­tur wa­ren hand­werk­li­che Bä­cker schon im Mit­tel­al­ter be­deut­sam. Für Adel und wohl­ha­ben­des Bür­ger­tum wur­de nicht nur Brot, son­dern auch Fein­ge­bäck re­gio­na­ler Prä­gung ge­ba­cken - wie et­wa die Aa­che­ner Prin­ten. Das Hand­werk tä­tig­te al­le be­reits be­schrie­be­nen Ar­beits­schrit­te und führ­te sie in ei­ge­nen und zu­neh­mend pro­fes­sio­nel­len Back­stu­ben durch. Der Ver­kauf er­folg­te ne­ben dem La­den­ge­schäft auch über den Bä­cker­wa­gen, der so­wohl über die Dör­fer der Um­ge­bung fuhr als auch auf dem Wo­chen­markt prä­sent war.

Die Bä­cke­rei als ei­ne zen­tra­le An­lauf­stel­le des Dor­fes un­ter­lag im 20. Jahr­hun­dert nach­hal­ti­gen Ver­än­de­run­gen. Flä­chen­de­ckend ent­stan­den Fi­lia­len der Groß­bä­cke­rei­en in Su­per­märk­ten, in­dus­tri­ell er­zeug­te Back­wa­ren ge­hör­ten am En­de des Jahr­hun­derts zum fes­ten Sor­ti­ment der Dis­coun­ter. Kü­chen­ma­schi­nen ver­ein­fach­ten die Her­stel­lung im Pri­vat­haus­halt und ver­hal­fen zu ei­ge­nen Krea­tio­nen. Der Kon­kur­renz- und Preis­druck der ei­gen­stän­di­gen Bä­cke­rei­en wuchs deut­lich.

Die hand­werk­li­che Bä­cke­rei schien zum En­de des Jahr­hun­derts ein Aus­lauf­mo­dell zu sein, da In­dus­trie­bä­cker mit voll­au­to­ma­ti­sier­ten Back­au­to­ma­ten vie­ler­orts den hand­werk­lich ar­bei­ten­den Bä­cker­meis­ter mit Klein­be­trieb und ei­ge­ner Back­stu­be er­setz­ten. Und doch bot der Bä­cker von ne­ben­an Vie­les, was der In­dus­trie­bä­cker nicht leis­ten konn­te: Qua­li­tät, Fle­xi­bi­li­tät für Son­der­wün­sche und Klein­be­stel­lun­gen, hand­werk­li­ches Kön­nen und ei­ne fach­lich kom­pe­ten­te Be­ra­tung. Den­noch kom­men heu­te die meis­ten Back­wa­ren aus der in­dus­tri­el­len Her­stel­lung. In gro­ßen Ma­schi­nen wer­den die Ar­beits­schrit­te voll­au­to­ma­tisch er­le­digt, nur die Qua­li­täts­kon­trol­le er­folgt noch hän­disch.

Backwaren im Lebens- und Jahreslauf

Gebildbrot an einem gesegneten Palmzweig. Kevelaer 1976.
Photo: unbekannt/LVR

Die sym­bo­li­sche Be­deu­tung von Brot und Ge­bäck zeigt sich be­son­ders zu be­stimm­ten An­läs­sen im Le­bens- oder Jah­res­lauf, bei In­itia­ti­ons­ri­tua­len oder zu Fest­ta­gen. Auch zu ei­ni­gen re­gio­na­len Bräu­chen ge­hö­ren spe­zi­el­le Ge­bäck­stü­cke als fes­ter Be­stand­teil. Nicht nur be­stimm­te For­men, son­dern auch be­son­de­re und hoch­wer­ti­ge Zu­ta­ten wie bei­spiels­wei­se Nüs­se oder Zu­cker wa­ren für die­ses Fein­ge­bäck ty­pisch. Ne­ben dem Weih­nachts­ge­bäck spiel­ten et­wa Ge­bil­de­bro­te ei­ne wich­ti­ge Rol­le: die­se sai­so­nal oft un­ter­schied­lich ge­form­ten Back­wa­ren, die tra­di­tio­nell im Rah­men re­li­giö­ser Hand­lun­gen sym­bo­li­sche Be­deu­tung er­hiel­ten (z. B. Ni­ko­laus­ge­bäck, Pfei­fen­mann, Men­del­bro­te, Hu­ber­tus­plätz­chen oder Neu­jahrs­bre­zel), ver­lo­ren durch die per­ma­nen­te und von re­li­giö­sen Fest­ta­gen los­ge­lös­te Ver­füg­bar­keit im Su­per­markt­an­ge­bot wei­test­ge­hend ih­re Be­deu­tung. Hin­zu ka­men neue Bräu­che, die mit­un­ter die Er­zeu­gung spe­zi­el­ler Back­wa­ren aus­lös­ten, so et­wa zu Hal­lo­ween seit den 1990er Jah­ren. Dar­über hin­aus wur­den im­mer öf­ter tra­di­tio­nel­le Back­wa­ren in ih­ren In­halts­stof­fen und Aus­se­hen von der Back­wa­ren­in­dus­trie mo­di­fi­ziert. Doch die Mar­tins­bre­zel, das Os­ter­lamm aus Ku­chenteig und vor al­lem die gro­ße Viel­zahl an Weih­nachts­ge­bäck ha­ben ih­re Be­deu­tung bis heu­te ge­hal­ten und sind wei­ter­hin zen­tra­ler Be­stand­teil des Fest­es­sens. In ei­ni­gen Or­ten wur­den auch die Ge­mein­de­back­häu­ser sa­niert und wie­der­be­lebt, teil­wei­se wer­den die Back­ta­ge mit lo­ka­len Fei­er­lich­kei­ten be­gan­gen.

Weiterführende Literatur

Ein Brotkasten hält das Gebäck länger frisch. Ca. 1925-1949.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Karfreitagsweck, das in der Kirche gespendet wird. Morshausen, 1986.
Photo: Peter Weber/LVR

Dö­ring, Alois: Rhei­ni­sche Bräu­che durch das Jahr, Köln 2006.

Heiz­mann, Bert­hold: Die rhei­ni­sche Mahl­zeit. Zum Wan­del der Nah­rungs­kul­tur im Spie­gel lo­ka­ler Be­rich­te, Köln 1994 (Bei­trä­ge zur rhei­ni­schen Volks­kun­de, Bd. 7).

Müns­ter­mann, Hans: Die Ent­wick­lung der Bä­cke­rei­tech­nik in den letz­ten 100 Jah­res als his­to­ri­sches Phä­no­men – zum Pro­blem der Tech­nik­ge­schich­te, Diss. Aa­chen 1987.

Stadt­mu­se­um Düs­sel­dorf (Hg.): Bä­cker­hand­werk in Düs­sel­dorf. Ar­beits- und Le­bens­räu­me. Die vier­te Aus­stel­lung in der Rei­he `Düs­sel­dor­fer Hand­werk – heu­te`. 27. Ju­li bis 4. Sep­tem­ber 1983, Düs­sel­dorf o.J.

Zen­tral­ver­band des Deut­schen Bä­cker­hand­werks e.V.: Deut­sche Brot­kul­tur. Web­site. http-blank://www.brot­kul­tur.de/

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