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Brauereiwesen und Bierkultur

Das Brauereiwesen und die Braukultur waren im 20. Jahrhundert starken Schwankungen unterworfen, obwohl Biertrinken durchgehend eine große Rolle spielte.

Bierbrauen als Handwerk

Bierkrug mit Zinndeckel, 1920er Jahre.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Das al­ko­ho­li­sche Ge­tränk Bier ist be­reits seit der An­ti­ke be­kannt und wird durch Gä­rung her­ge­stellt. Im Mit­tel­al­ter wur­de die Brau­kunst in Klös­tern ver­fei­nert, seit dem deut­schen Rein­heits­ge­bot von 1516 dür­fen als Zu­ta­ten nur Hop­fen und Malz so­wie Was­ser ver­wen­det wer­den. Die Ver­hält­nis­se von Hop­fen und Malz be­stim­men beim Brau­pro­zess die Sor­te und da­mit den Ge­schmack des Bie­res. Doch erst mit der zu­neh­men­den Stan­dar­di­sie­rung der Her­stel­lung und der Kühl­tech­nik konn­te et­wa der Al­ko­hol­ge­halt auf ei­nem kon­stan­ten Ni­veau ge­hal­ten wer­den. Fol­gen­de Ar­beits­schrit­te sind Teil der Bier­pro­duk­ti­on: Zu­nächst wird das Malz ge­schro­tet und an­schlie­ßen­d in ei­nem so­ge­nann­ten Mai­sche­bot­tich mit war­men Brau­was­ser ver­mischt und er­hitzt, so­dass sich die Stär­ke in Zu­cker um­wan­delt. An­schlie­ßend wird der Tre­ber – die aus­ge­laug­ten Rück­stän­de des Mal­zes – in ei­nem Läu­ter­bot­tich aus der ent­stan­de­nen Mai­sche her­aus­ge­fil­tert. Üb­rig bleibt die so­ge­nann­te Wür­ze, die an­schlie­ßend ge­kocht und mit Hop­fen ver­mischt wird. An­schlie­ßend wird die Wür­ze er­neut ge­fil­tert, ab­ge­kühlt und He­fe so­wie Sau­er­stoff für die Gä­rung hin­zu­ge­ge­ben. Das ent­stan­de­ne Bier kann an­schlie­ßend ab­ge­füllt wer­den.

Krise und Aufschwung

Ansichtskarte des Gastraumes der Brauerei Zur Sonne in Düsseldorf mit Theke, einfachen Tischen und Stühlen. Versendet 1953.

Ge­kop­pelt an Hoch­bur­gen rhei­ni­schen Hop­fen­an­baus la­gen dort auch Zen­tren des rhei­ni­schen Braue­rei­we­sens, bis der Ers­te Welt­krieg in vie­ler­lei Hin­sicht als Ein­schnitt wirk­te. Der Hop­fen­an­bau in der Ei­fel kam zum Er­lie­gen und konn­te erst durch böh­mi­sche Hei­mat­ver­trie­be­ne in den 1950er Jah­ren wie­der auf­le­ben. Zu­sätz­lich sorg­ten durch Krieg und Roh­stoff­man­gel her­vor­ge­ru­fe­ne Kon­tin­gen­tie­run­gen von Nah­rungs­mit­teln, die Ein­be­ru­fung der Be­leg­schaf­ten zum Kriegs­dienst so­wie die Zer­stö­rung der Be­trie­be wäh­rend des Welt­kriegs für ei­ne deut­li­che Sta­gna­ti­on der Bier­pro­duk­ti­on. Ein Auf­schwung konn­te erst wie­der in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts ver­zeich­net wer­den.

Innovationen in der Herstellung

Bierkasten für 20 Flaschen, 1940er Jahre.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen ver­än­der­ten die Ar­beits­ab­läu­fe in der Bran­che grund­le­gend. Schon zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts kühl­ten die Braue­rei­en ih­re Wa­re nicht mehr im Eis­kel­ler, son­dern mit­tels mo­der­ner Kühlap­pa­ra­ten. Da­mit ent­fiel auch die wö­chent­li­che Eis­lie­fe­rung des „Eis­mann­s“ von den Braue­rei­en an die Pri­vat­haus­hal­te, für die Kühl­ge­rä­te bald er­schwing­lich wur­den. Bis in die 1950er Jah­re wur­den al­le Ar­beits­vor­gän­ge des Brau­vor­gangs in Hand­ar­beit ver­rich­tet. Die Bot­ti­che wur­den von Hand ge­füllt, der Brau­pro­zess hän­disch be­glei­tet und die Aus­lie­fe­rung er­folg­te mit Hand­kar­ren an die Lä­den der In­nen­städ­te. Die In­di­vi­dua­li­sie­rung der Holz­fäs­ser er­folg­te von Hand, so­dass die­se be­stimm­ten Braue­rei­en zu­ge­ord­net wer­den konn­ten. Das än­der­te sich durch den Ein­satz neu­er Werk­stof­fe wie email­lier­tem und be­schich­te­tem Ei­sen bis zu dem heu­te ge­bräuch­li­chen Alu­mi­ni­um.

Mit dem Wan­del der Ma­te­ria­li­en ging ein Wan­del in ein­zel­nen Be­rufs­grup­pen der Zu­lie­fe­rer­in­dus­trie ein­her: mitt­ler­wei­le ist der Be­ruf des Kü­fers, der noch in den 1920er Jah­ren durch die Her­stel­lung und Re­pa­ra­tur der Fäs­ser für das Brau­ge­wer­be von zen­tra­ler Be­deu­tung war, na­he­zu aus­ge­stor­ben. Die flä­chen­de­cken­de Ver­wen­dung des Werk­stoffs Glas ist eben­falls ei­ne Er­schei­nung des 20. Jahr­hun­derts: Bier­glä­ser aus Press­glas wur­den nun­mehr statt Stein­zeug­krü­gen ver­wen­det und weck­ten seit­her ein ver­stärk­tes In­ter­es­se des Kon­su­men­ten an Far­be und Trü­bung des Glas­in­halts. Wäh­rend es bis zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts üb­lich war, die Ab­fül­lung des Bie­res vom Bier­ver­le­ger durch­füh­ren zu las­sen, wur­den in Fol­ge die Fla­schen von den Braue­rei­en di­rekt ab­ge­füllt und in Holz-, spä­ter Me­tall- und Plas­tik­kis­ten trans­port- und la­ger­fer­tig ver­packt.

Bier als Marke

Ratgeber des AID zu Bier, Sorten und Konsum. 1990er Jahre.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Ne­ben der Glas­in­dus­trie wa­ren die Ma­schi­nen­bau- und die Pa­pier­in­dus­trie wich­ti­ge Zu­brin­ger­in­dus­tri­en für das Brau­ge­wer­be. Letz­te­re vor al­lem über die Pro­duk­ti­on be­druck­ter Fla­schene­ti­ket­ten, Kar­to­na­gen und Bier­fil­ze, die ne­ben den prak­ti­schen As­pek­ten vor al­lem ver­mark­tungs­stra­te­gi­sche Auf­ga­ben er­füll­ten. Ähn­lich re­le­vant wie der Pro­duk­ti­ons­pro­zess sel­ber, wur­de die wirt­schaft­li­che Ver­mark­tung der Braue­rei­er­zeug­nis­se, zu der ne­ben der Fla­schen­ab­fül­lung und dem Ver­trieb im Ein­zel­han­del die Be­lie­fe­rung der Gast­stät­ten ge­hör­te.

Die staat­li­che Re­gle­men­tie­rung der Aus­schank­be­rech­ti­gung von Brannt­wein, Wein und Bier an Schank­wirt­schaf­ten er­folg­te be­reits zum En­de des 19. Jahr­hun­derts. Für die Lie­fe­rung von Bier gin­gen die meis­ten Gast­stät­ten Ver­trä­ge mit ört­li­chen Braue­rei­en ein. Die Knei­pen wa­ren an die Ab­nah­me ei­ner Bier­mar­ke ge­bun­den, be­war­ben die­se zu­gleich und ver­wen­de­ten auch wei­te­res Ma­te­ri­al wie spe­zi­el­le Glä­ser oder Un­ter­set­zer mit dem Lo­go der ent­spre­chen­den Braue­rei. Ins­ge­samt wa­ren die Schank­wirt­schaf­ten im Rhein­land weit­aus ver­brei­te­ter als die Spei­se­wirt­schaf­ten. Al­lein in der Klein­stadt Dü­ren exis­tier­ten schon im 19. Jahr­hun­dert sie­ben Schank­wirt­schaf­ten. Die Trink­hal­len der grö­ße­ren Städ­te des Rhein­lan­des hat­ten sich mit der In­dus­tria­li­sie­rung aus Kon­sum­ge­nos­sen­schaf­ten ent­wi­ckelt, in de­nen sich vor al­lem Ar­bei­ter zu­sam­men­ta­ten, um im so ge­nann­ten „Schnaps­ka­si­no“ kos­ten­güns­ti­gen Al­ko­hol durch ge­mein­sa­men Ein­kauf kon­su­mie­ren zu kön­nen. Aus den Aus­ga­be­stel­len ent­wi­ckel­ten sich um 1900 die noch heu­te ver­brei­te­ten Trink­hal­len. Sie wa­ren eben­so wie die Braue­r­ei­gast­stät­ten mitt­ler­wei­le zu Treff­punk­ten ge­wor­den, die Per­so­nen al­ler ge­sell­schaft­li­chen Schich­ten auf­such­ten.

Nach dem An­stieg des Al­ko­hol­kon­sums in den 1950er Jah­ren ver­la­ger­ten sich be­reits ein Jahr­zehnt spä­ter die Vor­lie­ben der Be­völ­ke­rung auf Wein und Sekt. Auf­grund von Ver­än­de­run­gen in der Frei­zeit­ge­stal­tung und der Ver­rin­ge­rung ge­sell­schaft­lich ak­zep­tier­ten Al­ko­hol­kon­sums er­wei­ter­ten die gro­ßen Braue­rei­en ih­re Pro­dukt­pa­let­te um al­ko­hol­freie Bier­va­ri­an­ten. Den­noch ge­lang es nicht im­mer, dem Ster­ben der Brau­be­trie­be ent­ge­gen­zu­wir­ken. Zum En­de des 20. Jahr­hun­derts ga­ben vie­le klei­ne Braue­rei­en den Be­trieb auf oder wur­den von gro­ßen Kon­zer­nen auf­ge­kauft. Heu­te wer­den im Rhein­land mit Kölsch und Alt wei­ter­hin re­gio­na­le Pro­duk­te kon­su­miert, doch ge­nau­so ge­hö­ren die Bier­sor­ten in­ter­na­tio­nal tä­ti­ger Braue­rei­en zum nach­ge­frag­ten An­ge­bot. Eben­so er­freu­en sich aber auch zu­neh­mend wie­der klei­ne Braue­rei­en grö­ße­rer Be­liebt­heit, die so­ge­nann­tes "Craft Beer" her­stel­len – hand­werk­lich her­ge­stell­tes Bier, wel­ches aus un­ab­hän­gi­gen und re­gio­na­len Braue­rei­en stammt.

Weiterführende Literatur

El­ler­brock, Karl-Pe­ter (Hg.): Zur Ge­schich­te der west­fä­li­schen Brau­wirt­schaft im 19. und 20. Jahr­hun­dert (Ge­sell­schaft für Wirt­schafts­ge­schich­te e.V., Klei­ne Schrif­ten Heft 34). Müns­ter 2012.
 

Hirsch­fel­der, Gun­ther; Trum­mer, Ma­nu­el: Bier. Ei­ne Ge­schich­te von der Stein­zeit bis heu­te. Stutt­gart 2016.
 

Lan­gen­sie­pen, Fritz (Hg.): Bier­brau­en im Rhein­land. Köln 1985.

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