Die Veränderungen des Fleischerhandwerks sind umfassend. Sie betreffen alle Bereiche vom Schlachtvorgang bis zur Vermarktung.
Fleischversorgung durch Hausschlachtung
In den ländlichen Gebieten des Rheinlandes war die Hausschlachtung bis weit ins 20. Jahrhundert hinein vorherrschend. Die Schlachtung vor allem der Schweine wurde von einem Hausschlachter, der zum Schlachten der Tiere von Hof zu Hof kam, durchgeführt. Schweine waren – neben Hühnern oder Kaninchen – die auf kleinen und mittleren Höfen gängigsten Nutztiere. Nur in seltenen Fällen wurden auch Rinder oder Pferde zur Fleischverwertung geschlachtet, diese waren eher als Zugtiere im Einsatz. Für Schlachtungen vorgesehen waren aufgrund fehlender Kühlmöglichkeiten die kalten Monate von Oktober bis März. Lediglich Notschlachtungen wurden außerhalb dieser Schlachtzeiten durchgeführt. Für die kleineren Tiere konnte das Schlachten in der Regel selbst erledigt werden, bei den größeren Tieren war Hilfe notwendig.
Das körperlich anstrengende Schlachten, das lediglich mit wenigen Hilfsmitteln wie einem Messer, Strick und Auffangbehältnissen für das Blut durchgeführt wurde, erfuhr bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch technische Hilfsmittel Erleichterung. Entscheidend war zunächst die Umstellung vom direkten Töten auf das vorherige Betäuben des Tieres. Dies hatte nicht nur zur Folge, dass das Risiko einer durch Fehlstich eingeleiteten verlängerten Qual des Tieres verringert, sondern auch, dass die körperliche Anstrengung des Niederreißens des Tieres durch den Metzger wegen der Betäubung hinfällig wurde. Nach dem eigentlichen Tötungsvorgang musste das Tier zunächst komplett ausbluten, um die Haltbarkeit des Fleisches zu gewährleisten. Das Blut wurde in flachen Behältnissen gesammelt und später weiterverarbeitet. Damit es nicht gerinnt musste es bis zum Abkühlen ununterbrochen gerührt werden. Besonders bei Schweinen war es üblich, vor den weiteren Arbeitsschritten die Borsten mit einem Feuer zu entfernen, um auch die Schwarte verwenden zu können. Danach begann das Zerteilen des Tieres. Alle Teile wurden genutzt und mussten zügig verarbeitet werden, um ein Verderben zu verhindern. Dabei war große Fachkenntnis notwendig, um die richtigen Trennschnitte zu machen und die Därme nicht zu verletzen. Während heute vom Bauch her zerteilt wird, war bei der Hausschlachtung eine Zerlegung vom Rücken her üblich, bei der man keine der heute beliebten Kotelettstücke erhält. Die Innereien wurden ebenfalls verwendet, die Darmhäute als Wursthaut genutzt. Gehirn, Herz, Nieren und Leber wurden direkt nach der Schlachtung zubereitet und als Delikatesse verzehrt.
Nachdem das Tier halbiert und sorgfältig gereinigt wurde, musste das Fleisch auskühlen, bevor am nächsten Tag die Verarbeitung erfolgte. Als Teil der Vorratshaltung war das selbstgeschlachtete Fleisch bis in die 1930er Jahre oft das einzig Verfügbare und wurde für das ganze oder ein halbes Jahr bevorratet, so dass der Fleischkonsum insgesamt gering war. Das Schlachtfleisch und die ausgebeinten Knochen wurden dabei entweder gepökelt, gekocht oder zu Wurst verarbeitet. Bei Hausschlachtung wurden meist alle drei Verfahren angewendet, um so eine größere Vielfalt an Fleischvorräten zu erzielen. Suppenknochen, Rippenstücke und Bauchspeck ließen sich durch eine Salzlake haltbar machen. Durch eine dicke Salzschicht waren die unterschiedlichen Fleischstücke im Fass mehrere Monate haltbar. Schinkenstücke wurden später aus dem Pökelfass geholt und zum Räuchern über ein Feuer oder direkt zum Trocknen in den Rauchfang gehängt. In einem Kessel wurden Speckschwarten und Innereien gekocht. Für das Wursten schließlich wurden die verschieden durchwachsenen Fleischstücke und kleine Teile zunächst zerkleinert, mit Blut, Wasser und Gewürzen zu einem Brei vermengt und nach dem Einkochen in Därme gefüllt, die zu Portionen abgebunden wurden. Je nach Wurstsorte wurde ein Brei für Leber- und Blutwürste oder eine Hackfleischmasse für Bratwürste eingefüllt. Nach dem Abkochen oder Anbraten der so entstandenen Würste wurden diese luftgetrocknet oder zur Lagerung in Steintöpfen mit dem Bratfett und Bauchschmalz bedeckt. Für eine bessere Haltbarkeit wurde gerade die leicht verderbliche Leberwurst auch eingekocht.
Die verschiedenen Schritte der Fleischverarbeitung nahmen die Arbeitskraft aller verfügbaren Personen in Anspruch. Der Schlachttag war deshalb ein Festtag, an dem auch die Nachbarn und diejenigen, die zum Gelingen der Mast z. B. durch Lieferung von Gemüseabfällen beigetragen hatten, mit Wurst und Fleisch des getöteten Tieres bedacht wurden. Die nächsten Nachbarn erhielten am Folgetag den so genannten Potthasen, der jeweils eine Sorte Wurst, ein Stück Braten und ein Stück Rippe umfasste. Frischfleisch kam nur in den ersten Tagen nach der Schlachtung auf den Tisch und war deshalb besonders begehrt.
Strukturelle Änderungen in der Schlachterei
Das Verbringen der Tiere zur Schlachtung an einen anderen Ort und später das Abliefern des zu schlachtenden Tieres und Abholen der verarbeiteten Stücke beim Fleischer setzte sich überwiegend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch. Seit den 1930er Jahren prägten weitere rechtliche Entwicklungen die Schlachterei: Neben dem Metzger musste ein Fleischbeschauer eine Woche vor der Schlachtung das auserwählte Tier begutachten. Durch bereits in der Zwischenkriegszeit eingerichtete Forschungsinstitute schritt eine Verwissenschaftlichung voran, mit der eine Professionalisierung des Berufs einherging. Seit den 1960er Jahren werden zudem Fleischqualitätsprüfungen durchgeführt und ein Schießapparat wird zur Tötung der Tiere verwendet. Heute schlachten die wenigsten Fleischer und Metzger selbst, die Aufgabenteilung verlagerte diesen Arbeitsschritt in eigene Schlachthöfe.
Verarbeitung und Vermarktung der Produkte mit zunehmender Industrialisierung des Handwerks
Das Wursten in Naturdärmen sowie das Trocknen oder Pökeln bzw. Räuchern des Fleisches zur Haltbarmachung war bis in die 1930er Jahre gängige Praxis. Die handwerklich arbeitenden Fleischer und Hausschlachter führten vor allem die Arbeitsschritte des Tötens, Zerlegens und Wurstens aus. Sie hatten neben Messern bereits früh einen Fleischwolf im Einsatz, welcher das Zerkleinern der Stücke für das Wursten vereinfachte und so viel Zeit ersparte. Die Arbeiten wurden demzufolge lange in reiner Handarbeit ausgeführt. Zunehmend breiter wurde das Zulieferergewerbe rund um den Schlachtvorgang und die weitere Vermarktung im 20. Jahrhundert: Neben den bereits zu Anfang des Jahrhunderts benötigten Gewürzen, wurden zunehmend Maschinenproduzenten, Kunstdarmhersteller, die Textil-, Viehfutter-, Pharma-, Glas-, Weißblech- und die Verpackungsindustrie Nutznießer der fortschreitenden Abkehr von der Hausschlachtung ebenso wie von der handwerklichen Verarbeitung und Vermarktung in Metzgereien und der Hinwendung der Konsumentinnen und Konsumenten zu industriellen Zucht-, Schlacht- und Verarbeitungsbetrieben.
Ähnlich anderer Handwerksbetriebe ist auch das Fleischerhandwerk einem stetigen Konkurrenzdruck unterworfen: Discounter und Supermärkte bedienen die Kunden mit Fleisch aus Massenbetrieben und Großschlachtereien aus dem In- und Ausland, hergestellt zu billigen Konditionen oder direkt zu Fertigprodukten verarbeitet. Trotz fortschreitender Technisierung ist das Fleischerhandwerk auch im industriellen Großbetrieb stärker als andere Handwerksberufe weiterhin in vielen Arbeitsschritten auf die Ausführung von Hand angewiesen. Doch immer modernere Schlachtmaschinen übernehmen schleichend etwa das Töten und Zerlegen eines Schweins beziehungsweise Großschlachtereien setzen angelernte Saisaonarbeitskräfte aus Osteuropa ein. Gerade die Weiterverarbeitung des Fleisches wird in der Fleisch- und Wurstwarenindustrie größtenteils maschinell erledigt und ermöglicht so kostengünstige Endprodukte.
Es bestehen gleichzeitig aber weiterhin handwerkliche Metzgereien, die sich vor allem mit der Weiterverarbeitung und Veredelung von Schlachtfleisch befassen und dieses in einem eigenen Ladenlokal verkaufen. Eigene Rezepte und hausgemachte Produkte sowie zunehmend auch Gastronomie als Mittagstisch oder aber Fleisch in Bio-Qualität binden die Kunden, zumal das Bewusstsein für Tierwohl in der Bevölkerung seit dem Ende des 20. Jahrhunderts zunimmt.
Weiterführende Literatur
Baja, Klaus-Dieter: Ein Handwerk im Wandel. Soziale Wirklichkeit selbstständiger Fleischermeister in Fachgeschäften als Fokus für Prognosen zukünftiger Entwicklungen, (Univ. Diss.) Hamburg 2001.
Heizmann, Berthold: Die rheinische Mahlzeit. Zum Wandel der Nahrungskultur im Spiegel lokaler Berichte (Beiträge zur rheinischen Volkskunde, Band 7). Köln 1994.
Salvetti, Francoise/ Bührer, Emil M.: Der Metzger. Eine Kulturgeschichte des Metzgerhandwerks, München 1988.