Äädappel, Pipper, Grumbiere. Belana, Laura, Linda, Nicola oder Gunda. So unterschiedlich ihr Name ist, so verschieden ist auch ihre Verwendung und ihr Aussehen. Auch wenn die Kartoffel als geradezu „typisch deutsch“ gilt und Kartoffelgerichte als spezifisch regionale Küche wahrgenommen werden, ist das Knollengewächs eine Migrantin aus Südamerika, welche erst im Laufe des 17. Jahrhunderts ihren Weg ins europäische Mahlzeitensystem fand. Heutzutage ist die Kartoffel aus dem Alltag kaum noch wegzudenken.
Von den Anden ins Rheinland
Schon vor etwa 13.000 Jahren diente die Wildform der Kartoffel in den Anden als Nahrungsmittel. Ihren Weg nach Europa fand sie nach der spanischen Eroberung Südamerikas: Zunächst wurde sie als Zierpflanze und in Teilen als Heilpflanze genutzt. Gegessen hat man sie zunächst nicht, da sie als giftig galt. Tatsächlich ist in allen grünen Pflanzenteilen des Nachtschattengewächses das giftige Alkaloid Solanin enthalten. Essbar ist nur die reife Knolle, die allerdings zunächst gekocht werden muss. Im Rheinland dauerte es bis etwa 1800, bis Kartoffeln großflächig bekannt und angebaut wurden. Langsam entwickelten sie sich weg von einer Armenspeise und fanden sich ab Mitte des 19. Jahrhundert auch auf bürgerlichen Tischen wieder. Das auch in anderen Regionen Deutschlands bekannte Gericht „Himmel un Ääd“ sowie die „Rievekooche“ findet man auch heute noch als traditionelle Gerichte auf vielen Speisenkarten. Kartoffeln sind vielfältig verwendbar: gekocht, als Pell- oder Bratkartoffeln, als Püree oder in Suppen und Eintöpfen. Zudem lassen sie sich zu Alkohol destillieren: mit der Erfindung eines speziellen Destillationsapparates (dem „Pistoriusschen Brennapparat“, 1817 in Preußen patentiert) verbreitete sich der preiswerte Branntwein aus Kartoffelmaische rasend schnell und trug maßgeblich zum Elendsalkoholismus („Branntweinpest“) unter den Industriearbeitern bei.
Die individuelle Kartoffel in der Landwirtschaft
Kartoffeln werden nicht als Samen ausgesäät, sondern man nutzt einzelne Früchte aus dem Vorjahr, die unter der Erde neu auskeimen und sich vermehren. Aufgrund ihrer Individualität in Größe und Form, tat man sich in kleinen und mittelgroßen Betrieben bis noch in die 1970er Jahre schwer, den Anbau der Kartoffel zu mechanisieren und pflanzte die wertvolle Pflanze händisch ein. Insbesondere die Anschaffung von großen Spezialgeräten war für kleine und nebenerwerbliche Landwirtschaften nicht möglich. Hier griff man auf einfachere Geräte wie Setzhölzer, Häufel- und Hackpflüge sowie Rodemaschinen zurück. In größeren Landwirtschaften setzten sich hingegen schon früher – seit Ende des 19. Jahrhunderts – nach und nach Maschinen durch, die die Aussaat der Kartoffeln erledigten.
Ein Einschnitt in die Abfolge der Tätigkeiten war, wie in anderen Bereichen auch, mit dem ansteigenden Absatz von luftbereiften Traktoren nach Ende des Zweiten Weltkrieges festzustellen. Die anfangs für den Gespannbetrieb mit Tieren entwickelten Kartoffelleger wurden für den Schlepperzug umgerüstet und fanden so zahlreiche Abnehmer. Aus der Erde holte man die Kartoffeln entweder händisch mit Harke oder mit verschiedenen Rodemaschinen, wie Rodepflügen und Schleuderroder, die es zum Teil bereits im 19. Jahrhundert gab und die im Gespannbetrieb verwendet werden konnten. Technisch aufwändigere Sammelroder benötigten meist Traktoren und verbreiteten sich erst langsam ab Mitte der 1940er Jahre. Kartoffelvollernter kamen nochmals später hinzu, da diese nur von größeren Betrieben angeschafft werden konnten.
Die Stärke der Kartoffel
Mit der Intensivierung des Anbaus Ende des 19. Jahrhunderts mussten neue Absatzmöglichkeiten erschlossen werden. Im Speiseplan der breiten Bevölkerungsschichten nahm sie neben dem Getreide längst die wichtigste Stellung ein. Lange Zeit versuchte man die Kartoffel, mittels Verarbeitung zu Kartoffelstärke, haltbarer und anderweitig nutzbar zu machen. Dies beschäftigte die Forschung nahezu 200 Jahre, bis 1914 einer süddeutschen Konservenfabrik – mit Hilfe von Mechanisierung und Dampfkraft – der entscheidende technisch-ökonomische Durchbruch gelang. So ergaben sich neue Wege in der industriellen Verarbeitung, die bis heute in Trockenprodukten (Chips, Pommes, Püree), Kochbeutelprodukten (Reibeklöße, Knödel) oder auch Frischbackprodukten (Bratkartoffeln, „Bauernfrühstück“) erkennbar sind. Aber nicht nur in Lebensmitteln ist Kartoffelstärke zu finden. Auch als Klebstoff in der Papier- und Wellpappenherstellung, in Verpackungsmaterialien wie Polyethylen oder als Bindemittel für Faserplatten findet sich die Stärke der Knolle wieder.