Direkt zum Inhalt

Das von der Erde Getragene

Der Anbau von Getreide

Der Anbau von Getreide galt lange Zeit als unabdingbar für die eigenständige Versorgung der Landwirte ebenso wie für den Verkauf zur Grundversorgung der nicht bäuerlichen Bevölkerung. Das Wort kommt vom Mittelhochdeutschen „getregede“, eigentlich „das [von der Erde] Getragene“. Anbau, Ernte sowie die Verarbeitung erfuhren im Laufe des 20. Jahrhunderts einer tiefgehenden Veränderung, die sich vor allem in einer Mechanisierung bemerkbar machte und grundlegende Auswirkungen auf die alltägliche Lebenswelt der Landwirte und der übrigen auf den Höfen arbeitenden Menschen nach sich zog. Doch wie wird Getreide überhaupt angebaut und geerntet?

Historische Grundlagen

Feld mit Getreidegarben, Ellern 1966.

An­bau und Ver­ar­bei­tung von Ge­trei­de ge­hö­ren zu den äl­tes­ten Kul­tur­tech­ni­ken in der Ent­wick­lung des Men­schen. Be­reits vor über 10.000 Jah­ren wur­de in den Hoch­kul­tu­ren des Na­hen Os­tens Ge­trei­de­an­bau be­trie­ben. Die zahl­rei­chen Ge­trei­de­ar­ten sind Züch­tun­gen aus Sü­ßgrä­sern, im Lau­fe des 19. und 20. Jahr­hun­derts sind ehe­mals ver­brei­te­te Ge­trei­de­sor­ten wie Em­mer, Din­kel und Ein­korn weit­ge­hend durch Wei­zen, Rog­gen und Mais er­setzt wor­den.
Das stär­ke- und koh­len­hy­dratrei­che Ge­trei­de ge­hört zu den Grund­nah­rungs­mit­teln und war bis zum Wech­sel der Nah­rungs­sys­te­me um 1800 vor al­lem Aus­gangs­ma­te­ri­al ei­ner viel­fäl­ti­gen Brei- und Brot­kost. Ge­trei­de­pflan­zen ha­ben spe­zi­fisch An­sprü­che an Bo­den und Kli­ma, um sie als Nah­rung ein­zu­set­zen muss zu­dem die ge­ern­te­te Ge­trei­de­f­rucht teil­wei­se auf­wen­dig wei­ter­be­ar­bei­tet wer­den. ****

Bodenvorbereitung und Aussaat

Ein Mann führt einen Pflug, der von zwei Rindern über einen Acker gezogen wird. Hinter ihm sind ein Junge und eine Frau bei der Aussaat zu sehen, Utzerath 1920-1960.

Eiserner Kipppflug zum Wenden und Auflockern des Ackerbodens vor der Aussaat, um 1920.
Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR

Be­vor die Saat aus­ge­bracht wer­den konn­te, muss­te der Acker mit Pflug, Grub­ber, Eg­ge und an­de­ren land­wirt­schaft­li­chen Ge­rä­ten vor­be­rei­tet wer­den. Je nach Re­gi­on und Grö­ße des land­wirt­schaft­li­chen Be­triebs wur­de die Saat noch per Hand aus­ge­bracht, ob­gleich sich Drill­ma­schi­nen be­reits ab Mit­te des 19. Jahr­hun­derts ver­brei­te­ten. Die­se be­schleu­nig­ten die Aus­saat und spar­ten rund ein Drit­tel der be­nö­tig­ten Sa­at­men­ge ein, denn durch das ge­naue Ver­tei­len wur­de we­ni­ger Aus­schuss pro­du­ziert. Heu­ti­ge Sä­kom­bi­na­tio­nen er­le­di­gen zu­dem Ar­bei­ten wie das Eg­gen, al­so das Zer­klei­nern von Erd­schol­len, zu­sam­men mit der Saa­t­ab­la­ge und dem ab­schlie­ßen­den Wal­zen in ei­nem Ar­beits­schritt.
Wie auch in den an­de­ren Be­rei­chen der Land­wirt­schaft war die Ar­beits­er­leich­te­rung durch die Nut­zung von Trak­to­ren enorm. In Deutsch­land fand de­ren Ver­brei­tung ver­stärkt ab Mit­te der 1920er Jah­re statt – an­ge­führt durch den Trak­tor Bull­dog der Fir­ma Lanz. Konn­te man mit­tels Drill­ma­schi­ne und Pfer­de­zug an ei­nem Tag die Saat auf 7-12 Hekt­ar aus­brin­gen, schaff­ten schlep­per­ge­zo­ge­ne Kom­bi­na­tio­nen in der sel­ben Zeit ein Viel­fa­ches die­ser Flä­che.

Ernten und Dreschen

Getreideernte mit der Korbsense, Barweiler 1961.

Das Dreschen mit der Dreschmaschine, die mit einer Lokomobilie betrieben wurde, ersetzte die kräftezehrende Arbeit mit den Dreschflegeln, um 1940.
Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR

War das Ge­trei­de ein­mal in der Er­de, so be­durf­te es zwar re­gel­mä­ßi­ger Kon­trol­le, aber doch we­nig Ar­beit: vor al­lem die vor­he­ri­ge Bo­den­be­ar­bei­tung in Kom­bi­na­ti­on mit dem Wet­ter wa­ren jetzt da­für ver­ant­wort­lich, wie das Ge­trei­de wuchs. Auch bei der Ern­te und der Wei­ter­ver­ar­bei­tung er­ga­ben sich zahl­rei­che Ver­än­de­run­gen. Wur­de das Ge­trei­de bis teil­wei­se weit in das 20. Jahr­hun­dert hin­ein mit Si­chel, Sich­te oder Sen­se ge­mäht, zu­sam­men­ge­bun­den, zu Ho­cken auf­ge­stellt und nach der Trock­nung mit dem Dresch­fle­gel oder der Dre­sch­ma­schi­ne ge­dro­schen, sorg­ten nach und nach Mäh­ma­schi­nen, Mäh­bin­der und Mäh­dre­scher für Ar­beits­er­leich­te­run­gen.
Das Dre­schen, al­so das Tren­nen des Korns vom Halm, er­folg­te – auch hier je nach Re­gi­on und Grö­ße des land­wirt­schaft­li­chen Be­triebs – zu An­fang des 20. Jahr­hun­derts teils noch mit dem Dresch­fle­gel. Die­ses enorm ar­beits- und zeit­in­ten­si­ve Ver­fah­ren wur­de meist nach­bar­schaft­lich er­le­digt. Im Ver­lauf der fol­gen­den Jahr­zehn­te ver­brei­te­ten sich Dre­sch­ma­schi­nen, die den Ar­beits­auf­wand si­gni­fi­kant senk­ten. Je nach Grö­ße muss­ten die Dre­sch­ma­schi­nen da­bei auf un­ter­schied­li­che Wei­se ex­tern be­trie­ben wer­den – mit Gö­peln, Dampf­ma­schi­nen, Ver­bren­nungs- oder Elek­tro­mo­to­ren. Auch dies war noch ei­ne nach­bar­schaft­li­che Ak­ti­vi­tät. Man half sich nicht nur bei die­sen auf­wän­di­gen Ar­bei­ten, häu­fig wur­den auch die Dre­sch­ma­schi­nen ge­nos­sen­schaft­lich er­wor­ben und be­trie­ben. In den 1950er bis 1960er Jah­ren wur­den die­se schlie­ß­lich durch die mo­der­ne­ren Mäh­dre­scher ver­drängt, wel­che den Ar­beits­schritt des Aus­dre­schens des Ge­trei­des di­rekt auf dem Feld er­le­dig­ten.

Vom Korn zum Brot

Windfege in einer Scheune, Lich-Steinstraß 1977.

Brot auf dem Brotgestell eines Gemeindebackhauses, Löhndorf 1970.
Foto: LVR-Zentrum für Medien und Bildung/LVR

Für die Wei­ter­ver­ar­bei­tung muss­te das Korn zu­nächst ge­rei­nigt wer­den. Zu An­fang des 20. Jahr­hun­derts be­nutz­te man da­für auf klei­ne­ren Hö­fen noch ge­floch­te­ne Wan­nen, auf grö­ße­ren Hö­fen be­reits me­cha­ni­sche Wind­fe­gen. Das ge­rei­nig­te Korn konn­te nun in me­cha­ni­schen Müh­len zu Mehl ge­mah­len wer­den, die in den 1950er und 1960er Jah­ren durch in­dus­tri­el­le Müh­len ab­ge­löst wur­den. An­schlie­ßend konn­te es bei­spiel­wei­se zu Brot ver­ar­bei­tet wer­den. Das Ba­cken ge­schah als Lohn­ar­beit oder für den Ei­gen­be­darf, im ei­ge­nen Back­ofen oder auch in Ge­mein­de­back­öfen. Die Form des ge­mein­schaft­li­chen Ba­ckens wur­de im Rhein­land bis in die 1930er Jah­re be­trie­ben – ver­ein­zelt so­gar noch bis in die 1970er Jah­re. An­sons­ten wur­de das Ba­cken zu­neh­mend von ei­gen­stän­di­gen Bä­cke­rei­en über­nom­men. Das Korn wird heu­te an Müh­len ge­lie­fert, die das ge­won­ne­ne Mehl wie­der­um ver­kau­fen. Ge­trei­de wird al­ler­dings nicht nur zum Ba­cken ver­wen­det; auch als Flo­cken, Kaf­fee­er­satz, Öle, Stär­ke, Malz, Spi­ri­tuo­sen und so­gar als Bio­kraft­stoff fin­den die ver­schie­de­nen Ge­trei­de­sor­ten Ver­wen­dung.

Zurück nach oben