Finanzieller Wohlstand spiegelte sich verstärkt ab den Wirtschaftswunderjahren im Mobiliar und technischen Produkten wider. Der soziale Aufstieg sollte Besuchern gerade auch mit der Inneneinrichtung vermittelt werden.
Funktionale Räume zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Bis in das 20. Jahrhundert hinein war die Raumaufteilung von Häusern im ländlichen Raum noch stark von ihrer Funktionalität abhängig. Die Gliederung der Räume orientierte sich an der landwirtschaftlichen und handwerklichen Arbeitswelt der Bewohner. Wohnräume waren oftmals mit Betten und Handwerksgeräten Schlafplatz und Arbeitsstätte zugleich. Repräsentativen Einrichtungsformen wurde von weiten Teilen der Landbevölkerung, schon allein aus finanziellen Gründen, keine Bedeutung beigemessen. Dies galt auch für den Herdraum, der das Herzstück ländlicher Häuser war. Eine Ausnahme bildete die „gute Stube“, die Ende des 19. Jahrhunderts mit hochwertigem Mobiliar, wie etwa dem Büfettschrank, in einigen, eher wohlhabenden Bauernhäusern Einzug hielt und nur zu besonderen Anlässen und an hohen Feiertagen genutzt wurde. In den Städten dagegen erfolgte vielerorts bereits während der Industrialisierung eine erste Trennung der Arbeitsstätte vom Wohnbereich. In bürgerlichen Kreisen bildeten sich zudem erstmals Privaträume heraus, wie etwa das Wohnzimmer, die eine Ästhetisierung bürgerlicher Wohnkultur einläuten, deren repräsentative Ausstrahlungskraft für uns bis heute prägend geblieben ist.
Repräsentation von Wohlstand in den Möbeln der Nachkriegszeit
Repräsentatives Wohnen, sowohl beim äußeren Erscheinungsbild des Hauses als auch bei der Inneneinrichtung, entstand flächendeckend in Folge der prosperierenden Wirtschaftsverhältnisse und des damit einsetzenden Baubooms ab Ende der 1950er Jahre. Hatte bereits der soziale Wohnungsbau der Nachkriegszeit traditionelle, regionalspezifisch homogene Baustile zurückgedrängt, führten jetzt neuartige Hausformen, wie das aus dem Quelle-Versandkatalog bestellbare Fertighaus, diesen Trend fort. Einige dieser neuen Architekturstile, wie der Bungalow, strahlten bereits durch ihre äußere Gestaltung bürgerliche Modernität aus.
Räume der Repräsentation
Im Gegensatz zur Außenfassade bewegt sich der häusliche Einrichtungsstil auf einem schmalen Grat zwischen Intimität und Repräsentation. Als Refugium ihrer Besitzer werden Wohnräume auf der einen Seite mit Möbeln und Wohnraumaccessoires der jeweilig individuellen Vorlieben ausgestattet. Auf der anderen Seite wird der Einrichtungsstandard bei Besuchen von Freunden, Bekannten und Nachbarn auch zum Repräsentanten sozialer Gruppenzugehörigkeit. In den neu errichteten und größeren Wohnräumen ab den 1950er Jahren war es vielen Haus- und Wohnungsbesitzern erstmals auch finanziell möglich, ein ganzes Zimmer mit einer hochwertigen und aufeinander abgestimmten Wohnzimmergarnitur aus Edelholz einzurichten, das mehr repräsentative als funktionale Aufgaben erfüllte. Diese Räume wurden Gästen mit Stolz vorgeführt und nur zu besonderen Anlässen genutzt. Solche Repräsentationsfunktionen treten bei den einzelnen Räumen in unterschiedlichem Ausmaß auf. Vor allem das Wohnzimmer, als zentraler Ort des geselligen Kontakts mit Besuchern, kann mit seinem Mobiliar und Raumschmuck den sozialen Status der Bewohner vermitteln helfen. Neben den Wohnzimmern waren aber auch die ab den 1960er Jahren verstärkt auftretenden Einbauküchen oftmals reine Schauobjekte, in denen so gut wie nie gekocht wurde. Hierfür gab es z.T. kleinere Kellerküchen, welche Besucher nicht zu sehen bekamen. Schlafzimmer wurden im Verhältnis deutlich weniger mit repräsentativem Mobiliar ausgestattet, da sie zu dieser Zeit noch oft als intimer Wohnbereich betrachtet wurden. Teure Möbel drückten hier aus diesem Grund kein Repräsentationsbedürfnis aus, vielmehr sollte das „gute Schlafzimmer“ möglichst ein Leben lang halten.
Möbel als Repräsentation
Wer seinen im Wirtschaftswunder erworbenen Wohlstand nicht gleich in einem ganzen, nur der Repräsentation dienenden Raum zur Schau stellen konnte oder wollte, demonstrierte seinen Status über Einzelmöbel. Zum einen reagierten die Möbelproduzenten im Zuge der gestiegenen Einkommen mit einer immer größeren Angebotspalette an kostspieligen neuen Möbelformen, die sich an den neuen, größeren Raumdimensionen orientierten, wie dem Vitrinenschrank oder der eine ganze Zimmerseite einnehmenden Schrankwand. Zum anderen konnten die Besitzer zeitgenössischer Möbel, wie den für die 1950er Jahre typischen Nieren- oder Dreiecktischen, ihren Besuchern nicht nur einen modernen Stilgeschmack offenbaren, sie konnten sich zudem mit qualitätsvollen Ausführungen dieser Möbel, wenn sie etwa mit einer schweren und/oder dekorativen Glasplatte versehen waren, auch mit monetärem Wohlstand brüsten. Besonders gut situierte Haushalte äußersten ihren Wohlstand in repräsentativen Designermöbeln, die von renommierten Innenarchitekten entworfen und in Möbelhäusern vertrieben wurden.
Technisierung als Repräsentation
Parallel zu den Möbeln trat der Repräsentationsgedanke mit zunehmender Technisierung ab Mitte der 1950er Jahre auch im Bereich elektronischer Haushaltsgeräte, wie dem Fernseher, der Waschmaschine und dem Staubsauger auf, die den Besuchern stolz präsentiert wurden. Vor allem der Fernseher war am Beginn seines Weges vom Prestigeobjekt zum Massenmedium Ende der 1950er Jahre ein Vorführobjekt. Das TV-Gerät, als sogenanntes Phonomöbel oftmals noch zusammen mit einem Radiogerät und einem Plattenspieler in einer Art Holztruhe untergebracht, war nicht nur wie das Auto vor der Tür oder die moderne Einbauküche ein Statussymbol. Vielmehr bestimmte es die Möblierung des Wohnzimmers durch die Ausrichtung der Sitzgelegenheiten nach seinem Standort im Raum und machte der traditionellen geschlossenen Sofaecke ein Ende. So wie der Einzug weiterer technischer Unterhaltungsgeräte, wie des Tonbandgeräts, der Stereo-Anlage, des Videorekorders und immer größerer Flachbildfernseher in den nachfolgenden Jahrzehnten den Repräsentationscharakter des Wohnzimmers weiterhin dominierte und auch immer noch bestimmt, so gilt dies für Computer und Spielkonsolen im modernen Kinderzimmer.
Repräsentation heute
Auch in heutigen Einrichtungsmagazinen spielen Repräsentationsfunktionen durch Möbel eine Rolle, sie unterliegen Modetrends und sind Gegenstand von Diskussionen in Wohnblogs. Allerdings zogen soziokulturelle Veränderungen in den letzten Jahrzehnten auch eine tendenzielle Bedeutungsabnahme von repräsentativen Einrichtungsgegenständen nach sich. Zum einen führte die zunehmende Mobilität dazu, dass die Verwandten und Bekannten häufig nicht mehr in unmittelbarer Nähe wohnen und regelmäßig zu Besuch kommen. Zum anderen werden Familienfeste, Jubiläen und Feiertage nicht mehr nur zu Hause begangen, sondern verstärkt in Gaststätten oder angemieteten Räumlichkeiten mit Catering-Service abgehalten. Dementsprechend wird heute etwa die Sofalandschaft nicht mehr nur nach repräsentativen Aspekten ausgesucht, sondern es überwiegen die Kriterien des bequemen Sitzen und Liegen. Wichtiger als Möbel sind heute sicherlich die Statusobjekte rund um Fernseher und Laptop für die Repräsentation des eigenen sozialen Status.
Weiterführende Literatur
Burkart, Jana: Schrankwände und Wohnlandschaften - "Schöner Wohnen" in den 1960er und 1970er Jahren. In: May, Herbert ; Eigmüller, Michaela (Hg.): Umbruchzeit. Die 1960er und 1970er Jahre auf dem Land. Bad Windsheim 2011, S. 227-238.