Die Möbelindustrie im Bergischen Land entwickelte sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem eigenen Wirtschaftszweig. Im Schatten von stark wachsenden Industriesparten wie der Metallverarbeitung oder dem Textilgewerbe konnte sie jedoch nie an Bedeutung gewinnen.
Angebot und Nachfrage: Ein Industriezweig entsteht

Warenkatalog von Gustav Oppenheimer Schreinerei- und Glasereibedarfsartikel, Untergrombach in Baden ca. 1908. Der Katalog wurde von einem Lindlarer Schreinermeister verwendet.
Foto: Suzy Coppens/LVR
Ein Großteil der in der Region hergestellten Einrichtungsgegenstände entstand bis etwa 1900 in kleinen Tischlereibetrieben mit nur wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In diesen Werkstätten wurden auch andere Holzarbeiten verrichtet. Erste Hinweise auf eine Spezialisierung finden sich bereits für das Jahr 1833. Das Adressbuch für das Rheinland und Westfalen nennt neben zwei Möbelschreinern aus Erlinghagen bei Marienheide auch einen Möbelfertiger aus Winterscheid bei Ruppichteroth. Eine Beschreibung der Stadt Elberfeld aus dem Jahr 1835 weist zudem mit der „Möbelfabrik des Herrn Busch“ auf die möglicherweise älteste namentlich bekannte Produktionsstätte des Bergischen Landes hin.
Das starke regionale Wirtschaftswachstum bedingte ab 1850 ein immer schnelleres Anwachsen der Industriezentren im Bergischen Land. Die Zahl der benötigten Betten, Schränke, Stühle und Tische wuchs kontinuierlich. Der Bedarf konnte von den mit einfacher Handfertigung arbeitenden Betrieben nicht mehr gedeckt werden; der Markt verlangte die effektivere und kostengünstigere Serienfertigung von Möbeln in arbeitsteiliger Herstellung.
Ohne Holz, ohne Perspektive: Produktionsstätten um 1900
Ein akuter Holzmangel verhinderte jedoch die Entwicklung der Betriebe. In weiten Teilen des Bergischen Landes war der Waldbestand durch die erbrechtlich bedingte Zersplitterung des Grundbesitzes und die Abholzung großer Flächen für die Holzkohleherstellung fast vollständig zerstört. Erst ab 1900 kam es zu einer allmählichen Aufforstung. Für Investoren erwies sich der Ausbau der bereits florierenden Gewerbe als deutlich lukrativer, so dass in der Region kaum Möbelindustrie entstand und die in Westfalen seit Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Möbelindustrie ihren Absatzmarkt verstärkt auf das Bergische Land ausdehnen konnte.
Dennoch kam es um 1900 insbesondere im heutigen Kreis Mettmann zur Gründung einiger weniger Möbelfabriken. Über diese Betriebe liegen heute keinerlei Informationen mehr vor. Weder Betriebsgröße noch Sortiment können bestimmt werden. Sicher ist nur, dass sie spätestens mit der Weltwirtschaftskrise ab 1929 ihren Betrieb wieder einstellten.

Warenkatalog von Karl Fuhr, Heiligenhaus, Bezirk Düsseldorf, über Türschloss- und Baubeschläge. Jubiläumsausgabe 75 Jahre, 1859-1934 Foto: Suzy Coppens/LVR

Warenkatalog der Schlüssel- und Schloss-Fabrik Gust. Kuhs, Velbert 1906 Foto: Suzy Coppens/LVR

Warenkatalog der Firma J.F. Niederdrenk & Cie über Möbelschlösser, Velbert 1920er Jahre Foto: Suzy Coppens/LVR
Kein Wirtschaftswunder: Die Möbelindustrie nach 1945

Warenkatalog der Chr. Mundorf Kleineisenwarenfabrik über Möbelbeschläge, Velbert um 1930
Foto: Suzy Coppens/LVR

Warenkatalog der Emil Herminghaus Aktiengesellschaft über Hermi-Schlösser, Velbert 1937
Foto: Suzy Coppens/LVR
Nicht einmal der steigende Konsum zur Zeit des Wirtschaftswunders führte zu einer Wiederbelebung des regionalen Möbelsektors. Kleine Handwerksbetriebe mit Auftragsfertigung blieben die Regel, über die Grenzen des Bergischen Landes hinaus operierende Möbelfabriken die Ausnahme. Nur wenige der Möbelstücke, die in den zahlreichen in den 1950er und 1960er Jahren errichteten Einrichtungshäusern verkauft wurden, stammten so aus dem Bergischen Land. Aktuell existiert mit der Posseik Möbel GmbH aus Wermelskirchen ein einziges lokales Unternehmen mit nennenswerter industrieller Produktion.
Als langfristig erfolgreicher erwiesen sich die Zuliefererbetriebe der Möbelindustrie – insbesondere dann, wen sie von den in der Region ohnehin starken Industriezweigen profitieren konnten. Neben den Herstellern von metallenen Möbelbeschlägen etablierte sich vor allem die Möbelstoffbranche. Als bekanntestes Unternehmen entstand 1893 im heutigen Wuppertal die Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co.