Vom weitestgehenden Eigenanbau der Nahrungsmittel und Besorgungen in Gemischtwarenläden mit persönlicher Bedienung wandelt sich die Lebensmittelversorgung im 20. Jahrhundert zu Einkäufen in großen Supermärkten und Discountern. Grund hierfür sind vor allem verbesserte Konservierungs- und Kühlmöglichkeiten sowie ein Wandel in der Händlerstruktur.
Vom Gemischtwarenladen zum Supermarkt
„Einen schönen Guten Tag, Frau Müller. Ich hätte gerne ein Kilo Kartoffeln, ein Pfund Mehl und ein halbes Pfund Süßrahmbutter.“ Solche oder ähnlich klingende Ansprachen kennen wir heute in abgewandelter Form nur noch vom Fachhandel bzw. von der Fleisch- oder Käsetheke in Supermärkten. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts war das Einkaufen in Gemischtwarenläden, in denen die Waren des täglichen Bedarfs, die man nicht selbst erwirtschaftete, erworben werden konnten, selbstverständlich. Das Bedienen, Verpacken und Kassieren wurde von einer Verkäuferin, selten von einem Verkäufer, erledigt. Heute sind diese so genannten „Tante-Emma-Läden“ fast vollständig aus dem Alltag verschwunden.
Ein neues Modell des Einzelhandels löste das Bedienungskonzept des Tante-Emma-Ladens letztendlich ab: Die Kunden bewegen sich selbstständig durch den Laden, bedienen sich und zahlen alles am Ausgang. In den USA Anfang der 1930er Jahre entwickelt, erreichte diese Form des Handels nach dem Zweiten Weltkrieg verstärkt auch das Rheinland und Deutschland. Neue Techniken in der Vorratshaltung und Entwicklungen der Lebensmittelchemie ermöglichten längere Lagerzeiten auch verderblicher Lebensmittel. Damit wurde ein Transport über weitere Strecken und in größeren Mengen möglich. Hieraus folgend setzte sich eine Belieferung der Geschäfte durch den Großhandel oder über Zentrallager der Unternehmen durch.
Wandel der Händler- und Einkaufsstruktur
Mit der stetigen Erweiterung des Sortiments vergrößerten sich die Geschäfte, die sich vermehrt am Stadtrand ansiedelten. Eine zunehmende Mobilität der Bevölkerung bedeutete auch, dass der Einkauf jetzt häufig mit dem Auto erledigt wurde, so dass der Lebensmittelhandel nicht mehr fußläufig in den Siedlungsgebieten gelegen sein musste. Statt täglich die benötigte Ware frisch einzukaufen machten nun immer mehr Menschen einen Wocheneinkauf, der dann im heimischen Kühlschrank gelagert wurde.
Großkonzerne lösten die kleinen, familiengeführten Läden ab, von denen nur wenige den Übergang zu einem Handelsunternehmen schafften. Die zentralen Vertriebswege, die hohen Lagerzahlen und das erweiterte Sortiment waren für die kleinen Betriebe kaum zu leisten, zumal der Preiskampf stetig zunahm.
Discounter als Alternative
Eine Ausnahme bildet die Familie Albrecht, die mit Aldi ein neues Geschäftsmodell etablierte: den Discounter. Nach der Gründung eines Lebensmittelgeschäfts in Essen-Schonnebeck 1913, übernahmen die Brüder Karl und Theo Albrecht nach dem Zweiten Weltkrieg den elterlichen Betrieb und entwickelten ein Discount-Konzept, das eine Reihe von üblichen Dienstleistungsfunktionen der neu entstandenen Selbstbedienungsläden wegließ: Keine verderbliche Frischware, kleines Sortiment, Einheitsverpackungen, keine Ladendekoration und fehlende Werbung sind einige der Rationalisierungen, die einen günstigen Endpreis der Ware gewährleisteten. Andere Discounter übernahmen das Konzept weitgehend, so dass dieses Segment heute kaum noch aus dem Lebensmittelhandel wegzudenken ist.
Gleichzeitig etablierten sich Handelsunternehmen, die Frischware und ihr großes Sortiment über zentrale Lager- und Vertriebssysteme in alle Filialen verteilen. Bei der Produktpräsentation und Gestaltung der Geschäfte entfernt man sich in den letzten Jahren wieder von der „Lagerhaus-Atmosphäre“ und setzt auf Lichtdesign und elegante Regalsysteme. Das Einkaufen, so die Handelsunternehmen, soll zum „Einkaufserlebnis“ werden. Einem zunehmenden Konkurrenzdruck, auch durch die Preise der Discounter, wird damit das besondere Erlebnis des Einkaufens entgegengesetzt. Für den entstandenen Kostenaufwand durch Marketing und individuelle Innenarchitektur muss der Verbraucher dabei höhere Produktpreise in Kauf nehmen.
Bio als neuer Trend
Etwa ab dem Jahr 2000 lässt sich zudem ein neuer Trend in den Supermärkten beobachten. Die Unternehmen setzen zunehmend auf Produkte mit Bio-Siegeln, die Anforderungen an die Herstellung der Waren vorgeben. Dieses Phänomen, das sich bereits seit den 1970er Jahren in kleinen Bioläden entwickelte, setzt auf ein Sortiment aus ökologischer Landwirtschaft, das auf ein zunehmendes Bewusstsein der Verbraucher für Gesundheit und Ökologie schließen lässt. In den letzten Jahren übernehmen auch konventionelle Supermärkte und sogar Discounter verstärkt Bio-Angebote. Daneben werden gezielt Frischwaren aus der Region beworben. Die Nachfrage nach diesen Lebensmitteln steigt auch durch die unterschiedlichen Lebensmittelskandale und die daraus folgende Verbraucherverunsicherung.