„… mit Gemüse, z.B. versch. Kohlsorten (Weißkohl, Rotkohl, Wirsing) ferner Bohnen und Erbsen, ferner Zwiebel, Porree, rote Beete sowie Frühkartoffeln, Salat, Gurken. Hühnerhaltung und vielfach 1 bis 2 Ziegen.“ Nicht nur Arnold S. berichtet aus seiner Kindheit und Jugend in Wassenberg-Myhl, dass der zum Haus gehörende Garten in ländlichen Gebieten Anfang des 20. Jahrhunderts in der Regel als Nutzgarten diente. Der Bericht spiegelt die Versorgung des Haushaltes mit eigenen Lebensmitteln zu dieser Zeit wieder und steht stellvertretend für viele andere.
Nutzgärten zur Selbstversorgung
Der Nutzgarten versorgte die Familie mit Grundnahrungsmitteln wie Gemüse, Obst oder Kartoffeln. In vielen Haushalten wurden zusätzlich Tiere gehalten, seien es wie bei Familie S. Hühner oder Ziegen, oder, wie bei Frau S. aus Linnich-Körrenzig, Kaninchen, Enten, Gänse und ein Schwein. So gehörte auch zum Haus der Bandweberfamilie von Maria Thiemann in Wuppertal-Ronsdorf ein Nutzgarten mit Kaninchen- und Hühnerställen, welcher die grundlegende Versorgung sicherte. Auch Arbeiterfamilien, die in Siedlungshäusern wohnten, versorgten sich oftmals durch zum Haus gehörige Nutzgärten, wie Christa F. über ihre Kindheit in der Krupp-Siedlung in Rheinhausen-Hochemmerich berichtet. Diese waren „von etwa 5 m Breite und 20 m Länge. Dort stand auch meist noch ein Kaninchenstall oder es wurden ein paar Hühner gehalten. Angepflanzt wurde – hauptsächlich zur Vorratshaltung – Bohnen, Kappes [Kohl], Möhren, Erbsen, Porree, Grünkohl, Rosenkohl und Salat der Jahreszeit.“
Märkte und lokale Anbieter als Ergänzung
Zusätzlich zur Selbstversorgung waren Wochen- oder Jahrmärkte wichtig für die Versorgung. Die Märkte fanden nicht in allen Gegenden statt, so dass teilweise auch weitere Wege in Kauf genommen wurden: hier boten Handwerker ihre Ware an, beispielsweise Bürsten oder Werkzeuge, aber auch Vieh konnte in manchen Orten auf den angeschlossenen Viehmärkten gekauft werden. Gemischtwarenläden, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Städten verbreiteten, waren auf dem Land selten. Andere Lebensmittel, wie beispielsweise Milch, wurden oft durch bäuerliche Lieferanten bezogen oder direkt beim Bauern eingekauft. Familie S. aus Schweppenhausen bezog etwa ihr Mehl vom Müller und das Öl von einer Ölmühle. In Unzenberg war es üblich, dass „Raps […] in der Ölmühle Ohlweiler gegen Öl eingetauscht wurde.“
Von einer Notwendigkeit zum Ausdruck des eigenen Lebensstils
Buk man Brot zunächst vorrätig in größeren Mengen am Backtag im Gemeindebackofen, oder, wenn vorhanden, im heimischen Ofen, nahm die Zahl der Lieferanten und Bäckereien bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert zu. Brotbacken im eigenen Ofen wird heute, ebenso wie die Bestellung eines Nutzgartens, mehr und mehr zu einer Frage des Lebensstils: Man entscheidet sich bewusst für diese Tätigkeit, die kaum mehr eine Notwendigkeit ist, da Lebensmittel nahezu jederzeit frisch bezogen werden können. Eine Schilderung wie von Sophie R. aus Breitenbenden, die berichtet, dass der Vater um drei Uhr in der Nacht aufstehen musste, um den Teig für die Brote der nächsten Wochen anzusetzen, da dies „für die Mutter zu schwer“ war, wird man wohl heute im Rheinland selten, wenn überhaupt noch finden.
Wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den ländlichen Regionen des Rheinlandes nur wenige Nahrungsmittel auf Bauernhöfen, dem Wochenmarkt oder vereinzelt auch in kleineren Läden zugekauft, hat sich gerade das Einkaufsverhalten bis hin zum 21. Jahrhundert stark verändert. Mussten früher die im heimischen Garten geernteten Bohnen mühselig durch Einlegen in Salzlake konserviert werden, um sie für einen längeren Zeitraum vorrätig halten zu können, ist es heute durch die Lebensmittelindustrie eine Selbstverständlichkeit, diese zu nahezu jeder Tages- und Jahreszeit im Supermarkt einkaufen zu können. So berichtet Frau R. aus Waldlaubersheim, dass die Familie sich Anfang des 20. Jahrhunderts größtenteils selbst versorgte, nach 1980 im Garten jedoch nur noch „etwas Obst, sonst nur Küchenkräuter“ angepflanzt wurden. Industriell produzierte und abgepackte Nahrungsmittel sowie moderne Gefriermöglichkeiten rationalisierten und vereinfachten das Einkaufen und Lagern von Lebensmittel. Selbstversorgung wurde somit im Verhältnis immer aufwendiger und schließlich überflüssig.