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Der wandernde Buffetschrank

Umnutzung und Wertigkeit von Möbeln und Gebrauchsgegenständen

In dem einen Buffetschrank verstauben Farbdosen, im anderen lagern Bücher – Was geschieht mit den Dingen, wenn sie ihren ursprünglichen Nutzen verlieren, wenn sie zwar nicht defekt, aber aus der Mode gekommen sind?

Blick vom Kirchturm auf den Ort Lich-Steinstraß, September 1977.
Foto: Unbekannt/LVR

Bei ei­nem For­schungs­auf­ent­halt in Lich-Stein­straß ent­stan­den im Jahr 1977 Fo­tos, die an­hand von Ge­bäu­den, Mö­beln und Ar­beits­ge­rä­ten das Le­ben im Dorf um 1900 do­ku­men­tie­ren soll­ten. Über den er­hal­te­nen Be­stand hin­aus ver­ra­ten uns die Auf­nah­men viel über die sich wan­deln­de Wer­tig­keit die­ser Ob­jek­te für ih­re Be­sit­ze­rin­nen und Be­sit­zer im Lau­fe der Jahr­zehn­te. So kön­nen heu­te ganz an­de­re Fra­gen an das Ma­te­ri­al ge­stellt wer­den, als es vor fast vier­zig Jah­ren be­ab­sich­tigt war.

Von Prunk- zu Gebrauchsmöbeln

Als Bücherschrank genutzter Buffetschrank im Wohnzimmer der Familie S. Steinstraß 1977.
Foto: unbekannt/LVR

Bericht über die Aufbewahrung von teurem Geschirr in den 1920er Jahren, Köln 1982.

Ein Buf­fet­schrank et­wa stand zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts meist in der nur zu be­son­de­ren Ge­le­gen­hei­ten ge­nutz­ten „gu­ten Stu­be“. Das kost­spie­li­ge Mö­bel­stück – meist von ei­nem lo­ka­len Schrei­ner ge­fer­tigt – dien­te vor al­lem der Re­prä­sen­ta­ti­on und der Auf­be­wah­rung von teu­rer Tisch­wä­sche, wert­vol­lem Ess­be­steck und ed­lem Por­zel­lan. Die bes­ten Stü­cke wur­den gut sicht­bar im ver­glas­ten Ober­teil des Schranks aus­ge­stellt. Neue Mö­bel, die zum Bei­spiel als Mit­gift in die Fa­mi­lie ka­men und der je­wei­li­gen Mo­de ent­spra­chen, rich­te­ten dann nicht nur die Stu­be neu ein. Sie zo­gen gleich­zei­tig ei­ne Ab­wer­tung des al­ten Mo­bi­li­ars nach sich, in­dem es in all­täg­lich ge­nutz­te Räu­me wan­der­te, häu­fig zu­nächst in die Wohn­stu­be. Die Man­del­bren­n­er­fa­mi­lie S. aus Lich-Stein­straß nutz­te ih­ren Buf­fet­schrank im Jahr 1977 dort als Bü­cher­schrank. Er stand ne­ben dem Fern­se­her, der auf die do­mi­nie­ren­de All­tags­funk­ti­on des Rau­mes hin­deu­tet.

Von der Küche in den Abstellraum

Der Buffetschrank steht in der Scheune und beherbergt alte Farbdosen. Steinstraß 1977.
Foto: unbekannt/LVR

Aufsatzschrank, vermutlich in einem Nebengebäude, zur Lagerung von Werkzeug genutzt. Steinstraß 1977.
Foto: unbekannt/LVR

Bei ei­nem wei­te­ren In­no­va­ti­ons­schub zo­gen Mö­bel­stü­cke wie Büf­fet­schrän­ke und Sitz­ge­le­gen­hei­ten oft in die Kü­che; vor al­lem ein Ar­beits­raum, in dem Ge­brauchs- und Ab­nut­zungs­spu­ren un­ver­meid­bar wa­ren. Die Kü­che war der Raum, der sich im Zu­ge der Tech­ni­sie­rung am grund­le­gends­ten wan­del­te. Mit Ein­zug von Elek­tro­herd und Kühl­schrank ver­lo­ren die her­kömm­li­chen Kü­chen­mö­bel spä­tes­tens in den 1960er Jah­ren ih­ren Nut­zen und da­mit ih­ren zu­ge­schrie­be­nen Wert. Auch Büf­fet­schrän­ke – ab den 1950er Jah­ren durch fa­brik­ge­fer­tig­te Ein­bau­kü­chen er­setzt, die nun die Auf­ga­be der Re­prä­sen­ta­ti­on über­nah­men – hat­ten nur noch Platz in pe­ri­phe­ren Be­rei­chen des Hau­ses wie Ab­stell­kam­mern oder Dach­bö­den. Der Buf­fet­schrank der Fa­mi­lie P., die in Lich-Stein­straß ei­nen land­wirt­schaft­li­chen Be­trieb führ­te, fris­te­te in den 1970er Jah­ren sein Da­sein in der Scheu­ne, ge­füllt mit al­ten Farb­do­sen, Kleis­ter­quas­ten und wei­te­ren aus­ran­gier­ten Ge­brauchs­ge­gen­stän­den.

Erneute Wertschätzung

Das
Foto: Herbert Reinsch/LVR

Ab Mit­te des 20. Jahr­hun­derts und dem wirt­schaft­li­chen Auf­schwung, der um­fang­rei­che Neu­an­schaf­fun­gen er­mög­lich­te, wur­den vie­le his­to­ri­sche Mö­bel ver­nich­tet. Erst in den 1960er und 1970er Jah­ren sorg­te ei­ne Nost­al­gie­wel­le für die Rück­be­sin­nung auf den Wert des al­ten und hand­ge­fer­tig­ten Mo­bi­li­ars. Die­se Mö­bel ge­wan­nen wie­der an Re­prä­sen­ta­ti­vi­tät und fan­den da­mit ih­ren Weg zu­rück in die Wohn­räu­me.

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