Hoch mit Rüben beladene Anhänger und durch herabfallende Erde verschmutzte Landstraßen sind im Herbst bis heute ein vertrauter Anblick im Rheinland. Der Zuckerrübenanbau hat hier seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung, obwohl sie von der Aussaat im Frühling bis zur Ernte im Herbst lange zu den kraft- und zeitintensivsten Anbauweisen in der Landwirtschaft gehörte.
Die Anfänge der Zuckerrübe
Zwar wurden im Rheinland bereits Anfang des 19. Jahrhunderts Rüben zur Zucker- und Rübenkrautgewinnung angebaut, der hohe Handarbeitsaufwand mit vielen Arbeitskräften und geringer Zuckergehalt der Rüben machten den Anbau jedoch unattraktiv. Erst die Weiterentwicklung von Arbeitsgeräten sowie Saatgut und Unkrautvernichtungsmethoden sorgte für Arbeitserleichterung und steigerte die Ernteerträge. Während um 1860 nur 3.000 Hektar der rheinischen Äcker dem Zuckerrübenanbau dienten, waren es um 1900 bereits etwa 28.000, die sich auf Anbaugebiete um Köln, Düsseldorf, Aachen und am Niederrhein erstreckten. Der Anbau wirkte sich positiv auf die Fruchtbarkeit der Böden aus, da er die bisherige Fruchtfolge von Getreide und Futtermitteln auflockerte. Rübenfelder versprachen einen größeren Ernteertrag als etwa der witterungsanfälligere Getreideanbau. Rübenblätter dienten außerdem als Futtergrundlage für Milchvieh, dessen Bestand die Landwirte erhöhen konnten. Der Stallmist wiederum war für die Intensivkultur Zuckerrübe notwendig. Mit der zunehmenden Nutzung der Zuckerrübe zur Zuckergewinnung wurde der Markt unabhängig von teuren Importen von Rohrzucker, die Konjunktur von Süßwaren, und die Massenproduktion von Zucker für die Lebensmittelindustrie ist die Folge.
Harte Handarbeit
Bis um 1900 war reine Handarbeit vorherrschend. Man erntete die Rüben mit einer Rodegabel, um sie anschließend mit Haumessern von ihren Blättern zu befreien. Im Zuge des Ersten Weltkriegs sank der Anbau aufgrund von Arbeitskräfte- und Materialmangel fast auf die Hälfte ab, da zur Versorgung der Bevölkerung die Produktion der Grundnahrungsmittel Getreide, Kartoffeln, Fleisch und Milch im Vordergrund stand. Im Laufe der Kriegsjahre stieg der Bedarf nach Zuckerrüben jedoch wieder, da Rübenkraut zunehmend als Surrogat unter anderem für Butter als Brotaufstrich diente.
Das Pommritzer Verfahren
Durch Ochsen oder Kaltblüter gezogene Rodepflüge lösten die Rodegabel zwar allmählich ab, erst das 1922 eingeführte „Pommritzer Verfahren“ stellte jedoch eine wirkliche Arbeitserleichterung dar und sorgte für eine bis zu zehnfache Produktivitätssteigerung. Hierbei wurden die Rüben noch im Boden mit Köpfschlitten von den Blättern befreit und erst dann geerntet. Durch die Verbilligung der Argrartechnik zwischen 1924 und 1929 konnten sich – teilweise mit staatlicher Unterstützung – immer mehr kleinere Betreibe technische Geräte leisten. Rodepflug und Köpfschlitten blieben vor allem in Familienbetrieben lange die einzige technische Ernteunterstützung.
Der Zweite Weltkrieg
Ab 1933 intensivierten die Nationalsozialisten den Zuckerrübenanbau weiter, der wie die übrige Landwirtschaft nun vom Reichsnährstand kontrolliert wurde, der eine Lebensmittelautarkie Deutschlands anstrebte. Die Zahl der Rübenbauern wuchs im Rheinland auf 14.000, die Größe der Anbauflächen bis 1940 auf 38.000 Hektar. Mit Kriegsbeginn stellten die Landmaschinenfabriken und Düngemittelhersteller auf Kriegstechnik um, was zu einem Rückgang der Rübenanbauflächen auf 13.000 Hektar führte.
Trotz im Krieg zerstörter Betriebsstätten und Felder, wurde der Anbau von Rüben zur Bekämpfung der Lebensmittelknappheit schnell wieder aufgenommen. Auch wenn das Vorkriegsniveau bereits 1946 fast wieder erreicht war, fielen die Erträge und der Zuckergehalt aufgrund fehlenden Düngers und guten Saatguts eher gering aus. Die Rüben wurden weniger für Zucker als für Rübenkraut, Mus oder als Viehfutter verwendet.
Unkrautbekämpfung
Noch um 1950 machte das Vereinzeln der jungen Rübenpflanzen sowie die Unkrautbeseitigung einen Großteil des Arbeitsaufwands aus, den erst die Erfindung von Saatmaschinen, die das Saatgut in gleichmäßigen Abständen aussäten, um die Hälfte reduzierte. Statt in der Hocke oder auf Knien, konnten die nun in Reihen wachsenden Pflanzen mit langstieligen Hacken vereinzelt werden. Das Verziehen wurde im Laufe der 1950er Jahre durch technischen und züchterischen Fortschritt unnötig, da statt der Samenbündel einzelne Saatkörner ausgesät werden konnten. Bessere Hackmaschinen und die Entwicklung von Unkrautbekämpfungsmitteln reduzierten den Zeit- und Arbeitskräfteaufwand ab Mitte der 1960er Jahre weiter. Ab Ende der 1980er Jahre waren sogar gar keine Hackmaschinen mehr notwendig. Die ebenfalls ab den 1960er Jahren eingesetzten Bunkerköpfrodern, die das Köpfen, Roden, Vorreinigen und Aufsammeln der Rüben in einer Maschine vereinten, nahmen der Ernte den großen Zeitdruck. Ende der 1980er Jahre wurden sie auf 80% der rheinischen Zuckerrübenanbauflächen eingesetzt. Die um 1990 eingeführten Rübenreinigungslader, auch Rübenmaus genannt, reinigen und verladen die nach der Ernte in langen Mieten am Feldrand abgelegten Rüben auf bereitstehende Fahrzeuge, mit denen sie sofort zur Zuckerfabrik gebracht werden können.
Vollautomatisiereter Betrieb
Ein rheinischer Rübenanbaubetrieb bewirtschaftete Ende der 1990er Jahre durchschnittlich 7 bis 9 Hektar mit einem Ertrag von 50 Tonnen pro Hektar. Die Maschinen werden aufgrund der hohen Anschaffungskosten und kurzen Einsatzzeiten meist überbetrieblich genutzt. In der Zeit zwischen 1900 und 2000 hat sich der Arbeitsaufwand durch den Einsatz moderner Maschinen von 250 auf nur 2,5 Arbeitsstunden pro Hektar reduziert, während sich die Zuckerproduktion von 50.000 auf 520.000 Tonnen steigerte. Die Rationalisierung der Arbeitsschritte sorgte für eine zunehmende Preissenkung der Rüben, sodass Zucker heute kein Luxusgut mehr, sondern für jeden erschwinglich ist.
Weiterführende Literatur:
Peter Joerißen; Rita Wagner (Hrsg.): Süßes Rheinland. Zur Kulturgeschichte des Zuckers. Bonn 1998.