Zusätzlich zu den schwerlich beeinflussbaren Schlechtwetterlagen und den daraus resultierenden Missernten, sorgten im 20. Jahrhundert vor allem zwei Weltkriege für Mangel und Hunger. Politik und Landwirtschaft versuchten durch verschiedenste Maßnahmen, diesen und anderen Notzeiten zu begegnen – mal mehr und mal weniger erfolgreich.
Hunger bei Mensch und Tier – der Erste Weltkrieg

Kriegskochbuch aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, 1915.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Kochbuch mit Sparrezepten aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, 1917.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR
Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, war man nicht auf die andauernden Kampfhandlungen vorbereitet, sondern glaubte an ein schnelles Kriegsende. Die Vorräte waren schnell erschöpft, durch die britische Handelsblockade und den Russlandkrieg war das Deutsche Reich abgeschnitten von Auslandsimporten. In der Landwirtschaft fehlten – wie auch in vielen anderen Bereichen – die Arbeitskräfte, die zum Dienst an der Waffe eingezogen worden waren. Allerorts herrschte Mangel, Not und Hunger.
Um dem Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft Herr zu werden, setzte man Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene und Schüler ein, doch eine vollständige Kompensierung konnte nicht erreicht werden, zumal viele Fabriken auf Rüstungsproduktion umgestellt hatten und es deshalb an Düngemitteln und Landmaschinen mangelte. Missernten und kalte Winter trugen ihr Übriges bei und so verhungerten bis Kriegsende trotz aller staatlichen und landwirtschaftlichen Gegenmaßnahmen rund 750.000 Menschen im Deutschen Reich.
Die Weimarer Republik

Lanz Bulldog-Traktor der Bauserie HR5, die zwischen 1929 und 1935 produziert wurde.
Photo: Gabriele Harzheim/LVR
Als der Krieg 1918 beendet war, lag auch die deutsche Landwirtschaft am Boden. Es fehlte weiterhin an Arbeitskräften, Zugtieren und Düngemitteln. Einzig die Landmaschinenfabriken, die bereits während des Krieges von der Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter profitiert hatten, zogen ihren Nutzen aus der allgemeinen Notlage, denn die Politik förderte als Reaktion auf die nur langsam voranschreitende Beseitigung des Mangels den Einsatz von technischen Geräten und Maschinen, die langsam erschwinglicher wurden und sich zunehmend verbreiteten.
Die Versorgungsnotlage im und nach dem Ersten Weltkrieg führte auch noch in den 1920er Jahren zu einer Förderung des Einsatzes von Landtechnik. Neue Gremien, begleitende Publikationen und Ausstellungen sollten die Hersteller und die Landwirte zusammenbringen und zu einem Erwerb neuer Maschinen motivieren. Zwischen 1925 und 1929 verdoppelte sich die Anzahl der Traktoren und Zugmaschinen auf deutschen Feldern. Obwohl ab Mitte der 1920er Jahre die Produktionsmengen gesteigert werden konnten, erreichten die landwirtschaftlichen Erträge trotzdem erst zehn Jahre nach Kriegsende wieder das Vorkriegsniveau. Vor allem viele kleine Betriebe überschuldeten sich durch die Aufnahme von Krediten zur Anschaffung der technischen Hilfsmittel, ohne die der wirtschaftliche Untergang drohte. Bereits seit 1926 war weltweit ein durch landwirtschaftliche Überproduktion verursachter Preisabfall zu beobachten, der in einer Absatzkrise der Produkte gipfelte. In Deutschland herrschten durch zunehmende Arbeitslosigkeit und daraus resultierender Armut ohnehin verstärkt Absatzprobleme. Die Bevölkerung versuchte, möglichst sparsam zu leben, was viele Produzenten an den Rand des Ruins trieb. Zahlreiche Betriebe brachen zusammen und mussten zwangsversteigert werden. 1928 investierte deshalb die Reichsregierung in das „Reichsnotprogramm zur Behebung dringender Notstände in der Landwirtschaft“. Der gewünschte Effekt blieb jedoch aus und die deutsche Agrarkrise verband sich immer stärker mit der Weltagrar- und der allgemeinen Weltwirtschaftskrise am Ende der Weimarer Republik. Der deutsche Staat reagierte mit stetig zunehmender Einflussnahme auf die Landwirtschaft und beendete damit fast alle unternehmerischen Freiheiten. Finanziell unterstützt wurden vor allem Großbetriebe, wodurch immer mehr kleine Höfe aufgeben mussten.
Streben nach vollständiger Selbstversorgung – die NS-Zeit

Buch aus dem Jahr 1939.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Lehrbuch aus dem Jahr 1935.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR
Als 1933 mit der Gründung des Reichsnährstands sämtliche landwirtschaftlichen Betriebe gleichgeschaltet wurden, kam es zur endgültigen Zwangsaufsicht. Der Staat lenkte nun sowohl Produktion als auch Vertrieb und Preise von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Ziel war – als Konsequenz der Hungersnot während und nach dem Ersten Weltkrieg – die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion bis zur Schaffung einer Nahrungsmittelautarkie des Deutschen Reichs, und das schon vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Zu diesem Zweck betrieb der deutsche Staat eine Förderung der Landmaschinentechnik, sowohl finanziell als auch durch gezielte Propaganda. Die Erträge stiegen allerdings langsamer als erwartet und so war bei Kriegsbeginn erst ein Selbstversorgungsgrad von etwas mehr als 80 % erreicht. Dennoch konnte die Versorgung der Bevölkerung durch die verschiedenen Maßnahmen von Politik und Landwirtschaft bis kurz vor Kriegsende auf niedrigem Niveau garantiert werden, auch wenn – wie schon im Ersten Weltkrieg – Düngemittel und Arbeitskräfte fehlten. Letztere versuchte man in noch größerem Umfang durch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene zu ersetzen. Nach Kriegsende litt die Landwirtschaft unter flächendeckenden Zerstörungen von Betriebsgebäuden und –geländen, den fehlenden Produktionsmengen und großen Lücken in den Reihen der verfügbaren Arbeitskräfte. Mangel und Hunger wurden erst durch die explosionsartigen Produktionssteigerungen in der Wirtschaftswunderzeit zu Beginn der 1950er Jahre besiegt.
Absatzkrisen und Überproduktionen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts

Aufklärungsschrift, u. a. zur Gentechnik in der Landwirtschaft, 1999.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

In diesem Einkaufsratgeber geht es u. a. um Lebensmittelkennzeichnungen, 1998.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR
Die landwirtschaftliche Produktivität ist seit dem Kriegsende stetig gestiegen und heute so groß wie nie, doch eine nicht nachhaltige Massenproduktion, Absatzprobleme, daraus resultierende Haushaltsbelastungen sowie starker Konkurrenzdruck haben gleichzeitig zu immer mehr Betriebsaufgaben geführt. Die Modernisierungswelle und die Abwanderung in andere Berufsfelder bewirkten den Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte. Sowohl die Anzahl der Landwirtinnen und Landwirte mit eigenem Hof, als auch die Zahl der familienfremden Arbeitskräfte verringerte sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich. Viele kleinere Betriebe dagegen konnten in dieser neuen Marktsituation kaum bestehen, „wachsen oder weichen“ hieß deshalb die Devise. Gesteuert wurde diese Entwicklung auch durch die Marktordnungsmechanismen der Europäischen Gemeinschaft, die entwicklungsfähige größere Einheiten begünstigten. In Folge des Wachstumsprozesses und der Leistungssteigerung in der deutschen Agrarwirtschaft wurden viele Kleinstbetriebe, die nicht über das nötige Kapital verfügen, aufgegeben. Zwischen 1960 und 1990 schrumpfte die Belegschaft der familiär geführten Bauernhöfe so um gut 70 Prozent.
Die immer noch zunehmende staatliche Kontrolle – in Zeiten der Globalisierung auf EU-Ebene –, Technisierung und Bürokratisierung, sinkende Preise für landwirtschaftliche Produkte, Tierseuchen und daraus resultierende Etikettierungspflichten, die Einführung immer neuer Verbraucherschutzsiegel, Forderungen nach mehr Umwelt- und Klimaschutz und zahlreiche weitere, ungelöste Probleme, führen zu wiederkehrenden Protesten und immer weiteren Betriebsaufgaben.