Der kleine „Elfer Deutz“ wirkt heute neben den großen, multifunktionalen landwirtschaftlichen Zugmaschinen wie ein Spielzeugauto. Für seine Käufer in den 1930er Jahren bedeutete er jedoch eine Revolution auf dem Feld, denn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte die Arbeit mit der eigenen Muskelkraft oder mit Vieh noch zum bäuerlichen Alltag. Der zunehmende Einsatz von Technik veränderte schließlich die Agrarproduktion von Grund auf.
Landwirtschaft mit der Arbeitskraft von Mensch und Tier
Die Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb war in der Vergangenheit hauptsächlich durch die Muskelkraft von Mensch und Tier geprägt. Von der Ausbringung des Saatguts bis zur Ernte mussten die zahlreichen Aufgaben unter teilweise strapaziösen körperlichen Anforderungen erledigt werden. Seit Ende des 19. Jahrhunderts änderten die Einführung vieler technischer Hilfsmittel und die Optimierung der Anbaumethoden die Arbeitsweise zunehmend, sowohl in physischer wie auch in zeitlicher Hinsicht.
Dementsprechend war die vorindustriell geprägte Landwirtschaft auf eine große Zahl an Arbeitskräften angewiesen. Dies galt besonders für die arbeitsreiche Erntezeit. Neben den Hofbesitzern waren alle Familienangehörigen gefordert, die auf dem Hof lebten. Gerade auch die Kinder mussten mithelfen. Die Bäuerinnen waren am vielfältigsten eingebunden. Sie halfen nicht nur auf dem Feld und im Stall mit, sondern waren außerdem für den Haushalt und meist auch für die Pflege des Gemüsegartens für den Eigenbedarf zuständig. Desweiteren wurden für die arbeitsreichen Phasen zusätzliche Hilfs- und Fachkräfte eingestellt.
Landtechnik gewinnt an Bedeutung
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung im Deutschen Reich rasant, Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft waren dringend nötig, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Neben zunehmendem Einsatz von Düngemittel kam der Entwicklung und Etablierung von Landmaschinen eine bedeutende Rolle zu. Wurden 1908 bei der Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft 5.254 neue Geräte und Maschinen präsentiert, waren es 1914 schon über 10.000.
Die vor allem mechanisch betriebenen Innovationen der Landmaschinenhersteller wie Heuwender, Strohpressen, Kartoffelroder und Mähmaschinen wurden immer häufiger eingesetzt, um den Arbeitskräftemangel durch die Abwanderung von Landarbeitern in die Industrieräume der Städteund den steigenden Konkurrenzdruck auf dem internationalen Markt zu kompensieren. Zwischen 1900 und 1939 lieferten dann immer öfter auch kleine Motoren die Antriebskraft für verschiedene Arbeitsschritte. Besondere Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang die Entwicklung von Elektro- und Verbrennungsmotoren, die flexibel einsetzbar viele verschiedene Geräte antreiben konnten. Sie waren auch für kleinere Betriebe, für die sich die Anschaffung großer Dampfmaschinen nicht lohnte, lukrativ.
Der Maschineneinsatz stieg laut der landwirtschaftlichen Statistik für die Rheinprovinz rapide an. Waren 1907 beispielsweise in der Rheinprovinz 1.301 Hackmaschinen im Einsatz, so waren es 1925 bereits 20.341, von 598 Schrotmühlen steigerte sich die Zahl im gleichen Zeitraum auf 14.029. Besonders hoch ist die Zahl der Milchzentrifugen, 1925 besaßen bereits 116.252 Betriebe eine solche. Auch Elektromotoren setzten sich weiter durch: 1925 trieben bereits über 41.000 Motoren landwirtschaftliche Geräte in der Rheinprovinz an. Passend dazu wurde in den landwirtschaftlichen Winterschulen der Lehrplan angepasst: Seit 1928 gehörte das Fach „Maschinenkunde“ zum Curriculum.
Traktoren verändern die Produktion
Einen regelrechten Epochenwechsel löste schließlich eine amerikanische Entwicklung aus. Seit Ende des 19. Jahrhunderts tüftelten amerikanische Ingenieure an ersten Traktoren. In Deutschland sollte es noch bis nach dem Ersten Weltkrieg dauern, bis erste Hersteller eigene Modelle vorstellten. 1925 verzeichnete die landwirtschaftliche Statistik für die Rheinprovinz nur 346 „Kraftschlepper“. Die Maschinen waren für die meisten Landwirte nicht rentabel, erst bei einer größeren landwirtschaftlichen Nutzfläche ab ca. 50 Hektar kam eine Anschaffung in Frage.
Das änderte sich mit der Entwicklung sogenannter „Kleinschlepper“ in den 1930er Jahren – auch für kleinere Betriebe rückte mit diesen preiswerteren Modellen die Modernisierung ihres Hofes in greifbare Nähe. Auch die nationalsozialistische Agrarpolitik förderte die kleinbäuerliche Struktur und damit den Bedarf an kleinen Schleppern in Deutschland. Eine deutschlandweit erfolgende Modernisierung der Landwirtschaft durch Zugmaschinen erfolgte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die flächendeckende Technisierungswelle erreichte das von vielen Kleinstbetrieben geprägte Rheinland dann ab den 1950er und 1960er Jahren. 1955 gab es so viele Neuzulassungen von Traktoren wie nie zuvor. 1960 verzeichnete das Landesamt für Statistik in NRW über 100.000 Traktoren. Mit dem Traktor war der Verbrennungsmotor mobil und universell einsetzbar geworden. Es entstanden passende Anbaugeräte – die Landmaschinenproduzenten stellten in dieser Technisierungsphase viele Neuentwicklungen speziell für den Einsatz am Traktor vor. Beschleunigt wurde dies durch unzählige Vortragsveranstaltungen, Messen und Vorführungen der Landwirtschaftskammern und der Hersteller.
Spezialisierung und Automatisierung
Begünstigt wurde die Technisierungswelle auch durch die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes ab 1958. Landwirte spezialisierten sich und griffen auf den passenden Maschinenbesatz der Landmaschinenhersteller zurück. Mit der Produktion eines selbstfahrenden Mähdreschers, der die verschiedenen mühseligen Arbeitsschritte der Getreideernte und -verarbeitung in einer selbstfahrenden Maschine vereinte, folgte Ende der 1950er Jahre ein neuer Höhepunkt der Technisierung der Landwirtschaft. Größere Traktoren mit über 100 PS und moderne Mähdrescher gehörten immer häufiger zum Fuhrpark eines Landwirtes. Im Stall zählten seit den 1970er Jahren moderne Melkanlagen, Futtermisch- und Futterdosieranlagen zur Standardausstattung. Rapide steigende Erträge und Milchleistungen waren das Ergebnis.
Die vollumfängliche Automatisierung von landwirtschaftlichen Produktionsprozessen ist mittlerweile die Regel geworden. Und trotz Kontroversen um die Ausrichtung und Zukunft der Landwirtschaft bestimmt bis heute eine rationelle, monokulturelle und hochtechnisierte Landwirtschaft das Bild in Deutschland und Europa.
Weiterführende Literatur
Herrmann, Klaus: Grundzüge der landtechnischen Entwicklung in Deutschland (1900 bis heute). In: Schürmann, Thomas; Wiese, Rolf (Hg.): Essen ist fertig! Land- und Ernährungswirtschaft im Agrarium des Freilichtmuseums am Kiekeberg. Ehestorf 2012.
Kluge, Ulrich: Agrarwirtschaft und ländliche Gesellschaft im 20. Jahrhundert. München 2005.
Wendler, Ulf: Motortragpflüge, Schlepper und Motormäher – Die deutsche Schlepperentwicklung bis 1945. In: Fok, Oliver; Wendler, Ulf; Wiese, Rolf (Hg.): Vom Klepper zum Schlepper. Zur Entwicklung der Antriebskräfte in der Landwirtschaft. Ehestorf 1994.