Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit veränderte sich das bäuerliche Leben und Arbeiten im Zuge rasanter technischer Fortschritte auf grundlegende Weise. Zudem wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Landwirt immer mehr zu einem vom Weltmarkt abhängigen Betriebsleiter, der kaum noch Ähnlichkeiten mit dem oftmals noch heute in der Werbung dargestellten und romantisierend verklärten Bauern hat. Ein Bild, das nie dem bäuerlichen Alltag entsprochen hat.
Zwischen Symbolgestalt und Realität – Der Wandel des Bauernbildes
Spätestens seit der Romantik wurde der Bauer zum Bewahrer kulturellen Erbes stilisiert, der angeblich unerschütterlich am Althergebrachten festhielt und so als Gegenpart zu einer als bedrohlich empfundenen Entwicklungen der Moderne fungierte. Dieses Bild erfuhr im Nationalsozialismus eine extreme Überhöhung, wurde der angeblich jahrhundertelang gleichbleibend auf seiner Scholle tätige Bauer hier doch, wie kaum ein anderer Erwerbsstand, symbolträchtig aufgeladen. Neben der ihm zugesprochenen Bedeutung als „biologischer Kern“ des „deutschen Volkes“ oblag ihm die landwirtschaftliche Produktionsleistung, die sich nicht profitorientiert am Weltmarkt, sondern ausschließlich am Wohl und den Bedürfnissen der „Volksgemeinschaft“ orientieren sollte.
Dieses idealisierende Bild passt aber nicht wirklich zu den agrarpolitischen Maßnahmen des NS-Regimes, das auf Produktionssteigerung durch Technisierung und Industrialisierung setzte. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurden diese Maßnahmen deutlich verstärkt, als die militärischen Folgen ein ökonomisches Umdenken jenseits der „Blut-und-Boden-Ideologie“ einforderten und von staatlicher Seite zum intensivierten Anbau kriegsrelevanter Erzeugnisse aufgerufen wurde, wie etwa dem Ölfruchtanbau für Kraftstoff. Parallel dazu mussten landwirtschaftliche Erzeugnisse, wie z. B. Eier, obligatorisch an staatliche Einrichtungen abgeführt werden.
Die Betriebswirtschaft hält Einzug
Ebenfalls nicht recht zum rassisch-ideologisch verbrämten Bild des nationalsozialistischen Bauern passend, war die von staatlicher Seite angeordnete Einführung betriebsökonomischer Strukturen auf den Bauernhöfen. Die Landwirte mussten Auswertungsbogen führen, auf denen die Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche, alle angebauten Getreidesorten, die Erträge und der Verbleib, der Viehbestand, die Futterkosten, der Verbrauch an Handelsdünger, die Geldbilanz, die personelle und technische Arbeitswirtschaft, die Betriebsergebnisse u.v.m. genaustens verzeichnet werden mussten. Diese betriebsökonomische Dokumentation wurde in der Nachkriegszeit nahtlos weitergeführt und musste von den „Betriebsleitern“, wie die Bauern jetzt hießen, für jedes Wirtschaftsjahr verfasst werden. Ein Widerspruch zum Bild des „dummen Bauern“, das gerade von Städtern bis heute gerne hochgehalten wird und diesen komplexen Tätigkeiten und immer spezialisierter werdenden Aufgaben, das auch immer mehr Vorwissen voraussetzte, nicht gerecht wird.
Modernisierung in kleinen Schritten
Der Übergang vom Bauern hin zum Betriebsleiter ließ sich in den 1950er Jahren auch in der Zunahme immer größerer landwirtschaftlicher Betriebe herauslesen, bei gleichzeitiger Abnahme von kleineren Höfen mit Vollerwerbsstellen. Kleine Spezialbetriebe bzw. Höfe mit Nebenerwerbsstellen, wo der Landwirt einer weiteren außerlandwirtschaftlichen Arbeit zum Gelderwerb nachging, konnten sich besser halten. Ein weiteres Element, neben der Flächenvergrößerung pro Kopf, war die zunehmende Technisierung, bei der vor allem die Schlepper charakteristisch waren, welche die traditionellen Zugtiere Pferd und Ochse ablösten. Auch in den Wohnräumen der Bauernhöfe hielten ab der Mitte des 20. Jahrhunderts moderne Einrichtungen und Einbauten Einzug. Anbauküchen, Kombiherde und Spülbecken mit Wasseranschluss erleichterten die Haushaltsführung, so wie in Wohnungen des urbanen Raumes auch.
Die Modernisierung auf den Bauernhöfen erfolgte dabei nicht radikal, sondern sukzessiv. Neben Traktoren wurden auch weiterhin klassische, handgeführte landwirtschaftliche Geräte, wie etwa Sensen, erworben und auf dem Feld eingesetzt. Auch die Spezialisierung auf Monokulturen oder einzelne Viehgattungen, wie sie für die moderne Landwirtschaft heutzutage typisch ist, erfolgte nicht sofort flächenmäßig, wie die betriebswirtschaftlichen Auswertungsbogen nahelegen. Nichtsdestotrotz hat sich das Arbeiten und Leben auf den Höfen zwischen den 1930er und 1950er Jahren wesentlich gewandelt. Zudem standen die Dörfer aufgrund der zunehmenden Mobilität in einem immer engeren Kontakt zu Ballungsräumen, deren Einfluss auf den ländlichen Raum dementsprechend zunahm.
Während ältere Bauern den agrartechnischen und soziokulturellen Wandel auf und in ihren Höfen sowie im daran angrenzenden ländlichen Milieu oftmals mit Argwohn begegneten und teilweise mit offen geäußerter Kritik radikal ablehnten, orientieren sich bereits ab den 1960er Jahren immer mehr Landwirte einer jüngeren Generation an städtischen Lebensweisen und distanzierten sich vom „klassischen“ Bild des Bauern mit den ihm zugesprochenen Werten und Glaubensvorstellungen. Diese Tendenzen nahmen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten weiter zu. Viele jüngere Landwirte erkannten, dass der technische Wandel und Fortschritt auf den Bauernhöfen alternativlos war, wollte man den eigenen, aber immer stärker mit dem Weltmarkt verflochtenen Hofbetrieb aufrechterhalten. Für die nachfolgende Generation war und ist heute auf diesen Höfen der moderne, in das globale Geschehen eingebundene Landwirtschaftsbetrieb in erster Linie nicht mehr ein notwendiger, sondern ein alltäglicher Zustand und die „altbäuerliche Welt“ der Großväter und -mütter mit ihren oftmals noch vorindustriellen Gerätschaften, aber auch Werten und Vorstellungen teilweise genauso fremd wie manchem Stadtbewohner.
Der digitalisierte Landwirt in einer globalen Welt
In der modernen und von globalen Preiskämpfen geprägten Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts ist das Band zwischen der Arbeitswelt auf dem Acker und im Stall einerseits sowie dem Privatleben andererseits wesentlich loser geworden, als noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Dies betrifft nicht nur eine stärkere Ausdifferenzierung zwischen Wohn- und Wirtschaftsräumen, sondern auch den stärkeren Einfluss und Kontakt mit der Welt außerhalb des Hofes und der eigenen Gemeinde, die im Zeitalter globaler Medien und Digitalisierung letztendlich keine räumlichen Grenzen mehr kennt. Bereits seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, aber erst verstärkt in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten, ist eine Pluralisierung der Lebensformen im Agrarsektor auszumachen, welche die – zumindest vordergründige – Einheitlichkeit des bäuerlichen Lebens aufbrach und neue Erfahrungen und Lebensmodelle in das landwirtschaftliche Leben integrierte. Ungeachtet dessen wird zu Werbezwecken weiterhin gern auf die stereotypen Bilder der von Hand melkenden Bäuerin und des Sense schwingenden Bauern zurückgegriffen. Hiermit soll eine bodenständige Naturverbundenheit jenseits moderner Technisierung und eine natürliche Reinheit der landwirtschaftlich erzeugten Produkte suggeriert werden. Diese Stereotype haben jedoch mit den heute allerorts eingesetzten, vollautomatisierten Mähdreschern und den überdimensionierten Tierzuchtbetrieben, in denen für jede einzelne Kuh die Ausschüttung für Futter und der ideale Zeitpunkt des Melkens über einen Computerchip individuell und digital gesteuert werden, nur noch wenig bis gar nichts zu tun. Und sie hatten es auch in der Vergangenheit kaum, denn die oft beschworene romantische, ländliche Idylle hat es so nie gegeben.