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Von der Mutter gelernt oder beim Fernsehkoch gesehen?

Wissen und Vermittlungspraktiken in der Nahrungszubereitung

Kochen und Backen sind, ebenso wie andere Tätigkeiten im Haushalt, kulturell gelernt und werden meist ohne größere Reflektion umgesetzt. Dabei sind Muster wirksam, die oft aus der Kindheit übernommen wurden.

Einsatz von Wissen beim Backen

Schneebesen mit mechanischem Antrieb, ca. 1920-1940.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Mechanischer Handquirlaufsatz für einen Messbecher aus Kunststoff. 1950er Jahre.
Foto: König, Sabine/LVR

„4 Ei­er, das Ei­gelb mit dem Zu­cker schau­mig ge­rührt, das Wei­ße zu Schnee ge­schla­gen und da­zu ge­ben, zu­letzt die Man­deln.“ Laß Ger­da S. aus Kerken, die Ver­fas­se­rin die­ses Re­zep­tes für ei­ne Man­del­tor­te das im Rah­men der Um­fra­ge Nah­rung und Spei­se im Wan­del do­ku­men­tiert wur­de, die An­lei­tung, so wuss­te sie, was zu tun ist. Wie selbst­ver­ständ­lich wird das Ei­gelb in ein Be­hält­nis und das Ei­weiß in ein an­de­res ge­ge­ben. Im An­schluss wird das Ei­weiß auf­ge­schla­gen, bis es fest ge­wor­den ist und un­ter die Ei­gelb-Zu­cker-Mas­se ge­ho­ben wer­den kann. Ne­ben dem Wis­sen, wie ein Ei zu tren­nen ist, spielt das um die Tech­nik des Steif­schla­gens da­bei ei­ne ent­schei­den­de Rol­le – hier muss sorg­fäl­tig ge­ar­bei­tet wer­den, um ei­nen fes­ten Ei­schnee zu er­hal­ten. Bis nach dem Zwei­ten Welt­krieg wur­de häu­fig noch mit ei­nem Schnee­be­sen oder Quirl so lan­ge von Hand ge­rührt, bis das Ei­weiß steif wur­de: ei­ne oft lang­wie­ri­ge und zu­dem auf Dau­er an­stren­gen­de Ar­beit. Erst in den 1950er Jah­ren setz­ten sich im Zu­ge der tech­ni­schen Ent­wick­lung mit Strom be­trie­be­ne Hand­mi­xer durch, mit de­nen der Ei­schnee schnell ge­rührt und auch der Ku­chenteig elek­trisch ge­kne­tet wer­den konn­te. Da­mit ver­ein­fach­te sich die Um­set­zung der Ar­beits­tech­nik; das nö­ti­ge Wis­sen blieb gleich, wur­de aber an­ders ver­mit­telt.

Einsatz von Erfahrung beim Kochen

Unterschiedlicher Kuchen in der Auslage einer Bäckerei-Kette. Aachen 2010.
Foto: Johr, Rebecca/LVR

Gedeckter Apfelkuchen auf einem weißen Teller. Hünxe 2010.
Foto: Scharte, Sebastian/LVR

Wie selbst­ver­ständ­lich sind die­se Tech­ni­ken? Wenn wir ko­chen oder ba­cken, ver­wen­den wir nicht nur Nah­rungs­mit­tel und Kü­chen­ge­rä­te, wir wen­den auch Kennt­nis­se an, die wir oft schon sehr lan­ge und fast au­to­ma­tisch an­wen­den. Den Teig aus­rol­len, die Nu­delso­ße wür­zen oder das Fleisch auf­schnei­den sind für vie­le Men­schen all­täg­li­che Hand­lun­gen, die sel­ten re­flek­tiert wer­den. Wie ein­zel­ne Schrit­te um­zu­set­zen sind und wie die­se in Kom­bi­na­ti­on ein Ge­richt er­ge­ben, ist kul­tu­rell ge­lernt. Seit der frü­hes­ten Kind­heit ler­nen wir, was ess­bar ist und schmeckt, un­se­re Ge­schmack­ser­in­ne­run­gen be­glei­ten uns ein Le­ben lang. Wir be­ob­ach­ten, wel­che Zu­ta­ten zu­sam­men ver­wen­det wer­den und ah­men nach, wie ein­zel­ne Ar­beits­schrit­te or­ga­ni­siert wer­den. Was und wie wir ler­nen, ist da­von ab­hän­gig, in wel­chem Um­feld wir le­ben. Je nach Ge­schmacks­vor­lie­ben und Bud­get, aber auch nach Al­ter, so­zia­ler Grup­pe und re­gio­na­ler Her­kunft kön­nen die Kennt­nis­se stark dif­fe­rie­ren. Ent­schei­dend ist nach dem Ler­nen die Er­fah­rung: Je häu­fi­ger ei­ne Tech­nik an­ge­wen­det wird, des­to selbst­ver­ständ­li­cher wird sie um­ge­setzt und An­lei­tun­gen sind nach ei­ni­gen Wie­der­ho­lun­gen nicht mehr not­wen­dig.

Wissensvermittlungen und Bedingungen für ihre Umsetzung

Kopie der Rezeptsammlung von Gerda S.; Rezepte vor allem für Gebäck und Süßspeisen. Hier das Rezept für eine Mandeltorte. Kerken um 1900.

Die Ver­füg­bar­keit von ein­zel­nen Nah­rungs­mit­teln so­wie die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten der Ge­rä­te und Räum­lich­kei­ten sind au­ßer­dem Vor­aus­set­zun­gen da­für, be­stimm­te Tech­ni­ken über­haupt ein­set­zen zu kön­nen. Und nicht nur in der Kü­che beim Ko­chen für ei­ne Mahl­zeit grei­fen ge­lern­te Tech­ni­ken, auch in der Vor­rats­hal­tung und Halt­bar­ma­chung sind spe­zi­fi­sche Kennt­nis­se not­wen­dig, um et­wa ei­ne Mar­me­la­de für den Win­ter ein­zu­ko­chen. Wur­de die­ses Wis­sen noch zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts vor al­lem münd­lich in­ner­halb der Fa­mi­li­en- und Dorf­struk­tu­ren wei­ter­ge­ge­ben und hand­schrift­lich in Re­zept­hef­ten fest­ge­hal­ten, so nahm die me­dia­le Ver­mitt­lung durch Koch­bü­cher, Zeit­schrif­ten oder Fern­seh­sen­dun­gen ins­be­son­de­re nach dem Zwei­ten Welt­krieg im­mer wei­ter zu. Bis in die 1960er Jah­re war es durch­aus üb­lich, dass die Töch­ter der Fa­mi­li­en das Ko­chen, Ba­cken und Haus­halt füh­ren in ei­ner Haus­wirt­schafts­schu­le lern­ten. Ver­bun­den mit den tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen wur­de es da­mit ein­fa­cher, Ar­beits­tech­ni­ken in der Kü­che auch oh­ne per­sön­li­che An­lei­tung ein­zu­set­zen.

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