Mit gesellschaftlichen Veränderungen haben sich auch die Maibräuche gewandelt. Teils wurden sie modernisiert, teils wurde versucht, sie in einer überlieferten Version beizubehalten. Einen tragenden Teil übernehmen mittlerweile Junggesellenvereine, die insbesondere im Mai aktiv sind.
Das Stellen von Bäumen damals und heute

Maibäume werden meist in der Mitte des Dorfes aufgestellt. Geilenkirchen 2002
Photo: Peter Weber/LVR, CC BY 4.0

Maibaum an einer Hauswand in Mechernich-Kallmuth
Photo: Karl Guthausen/LVR, CC BY 4.0
Maibräuche gibt es in unterschiedlichen Ausformungen und lassen sich in Ansätzen bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Für Außenstehende mögen sie manchmal befremdlich wirken, doch für viele Menschen stellen sie ein wichtiges Element im Jahreslauf dar. Es sind Feste und Bräuche des öffentlichen Lebens mit großer regionaler Bedeutung. Im Rheinland sind manche Bräuche besonders augenfällig, wie beispielsweise das Stellen eines Maibaums in der Nacht auf den ersten Mai. Als Vorbilder gelten aus wissenschaftlicher Sicht nicht heidnisch-germanische Frühlingskulte, sondern Bräuche aus der spätmittelalterlichen Zeit. So wurden am ersten Mai „Bäume als Zeichen der Tanzfreiheit“ (Döring 2018, S. 24) geschmückt und aufgesetzt sowie grüne Zweige als Liebeszeichen verwendet. Heutzutage wird von Jungen und Männern – teils in Gruppen, teils alleine – ein Birkenstamm vor das Haus ihrer oder ihres Geliebten gestellt und geschmückt. Üblich sind beispielsweise beschriftete Herzen und bunte Bänder als Schmuck. Aber auch andere Formen sind zu finden, wie gesteckte Maibilder, die an Häuserwände aufgehängt werden. Seit spätestens 2004 ist es zudem häufiger zu beobachten, dass mindestens in den Schaltjahren Frauen ihrem oder ihrer Geliebten ebenfalls einen Maibaum stellen.
Die Versteigerung von Frauen

Sitzung eines Junggesellenvereins, Wormersdorf 2003
Photo: Peter Weber/LVR, CC BY 4.0
Ein weiterer Brauch ist die Versteigerung von Frauen. Der Brauch wird dabei von Dorf zu Dorf unterschiedlich begangen. Allgemein gesagt treffen sich bei dieser Versteigerung die im Verein tätigen Junggesellen und ersteigern die Frauen des Dorfes für die Maifeierlichkeiten – ein Widerspruch der Ersteigerten ist mitunter übrigens nicht vorgesehen. Die ersteigerten Frauen sind nicht anwesend und werden erst im Nachhinein informiert. Die Versteigerung wird von einer Person, dem Zeremonienmeister, geleitet, welcher nach und nach immer mehr Informationen über die Frauen preisgibt. Ersteigert wird dabei mit Geld oder auch in Litern Bier, welche für den, ebenfalls an diesem Abend gewählten Maikönig bestimmt sind. Der Maikönig, beziehungsweise das Maikönigspaar, haben die Aufgabe, das Maifest auszurichten. Das Geld oder die gebotenen Liter Bier fließen somit in die Vereinskasse zurück, um das Königspaar finanziell bei der Ausrichtung zu unterstützen.

Der Junggesellenverein Antweiler (Ahr) vor einer Gastwirtschaf, 1911.
Photo: Peter Weber sen./LVR, CC BY 4.0
Die stark männlich geprägten Bräuche erfuhren sporadisch und lokal begrenzt Modernisierungen. Es gründeten sich Junggesellinnenvereine und bestehende Vereine wurden auch für Frauen geöffnet, wie beispielsweise in Waldorf (Kreis Ahrweiler). Dort wurde ab 1948 im Zuge der Währungsreform Frauen die Aufnahme in den Katholischen Junggesellenverein gewährt. 1995 wurde in Fritzdorf (Rhein-Sieg-Kreis) der Beschluss gefasst, dass die Junggesellinnen die Maifeierlichkeiten organisieren, männliche Mailehen versteigern und eine Maikönigin stellen. Ein weiteres Beispiel findet sich in Marmagen (Kreis Euskirchen), wo die Junggesellen und –gesellinnen 2014 einen Turnus etablierten, nach dem die Frauen in den Schaltjahren an der Reihe sind und die Rechte und Pflichten übernehmen. (vgl. Döring 2018, S.31ff.) Die überwiegende Anzahl der Vereine besteht aber weiterhin ausschließlich aus Männern.
Aufnahmerituale
Stark im Zentrum stehen ebenfalls die Aufnahmerituale, die den Übergang in den Verein und in die Dorfgemeinschaft darstellen. Ein Aufnahmeritual ist das Balbieren, bei welchem die Neulinge symbolisch mit einem stumpfen Messer balbiert, also rasiert werden. Auch dieser Brauch hat sich über die Jahre gewandelt. Wurden die Neulinge früher eingeschäumt und balbiert, werden sie heute teils mit allerlei Lebensmitteln eingeschmiert. Dieser Brauch ist ein Spektakel allein für die Mitglieder und wird nicht öffentlich durchgeführt. Nach dem Balbieren sind die Neulinge vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft.
Institutionalisierung durch Junggesell*innenvereine

Maikönigspaar in Erp bei einem Umzug. (1920er Jahre)
Der Brauch des Maibaumstellens wurde insbesondere in dörflichen Gemeinschaften durch Junggesell*innenvereine institutionalisiert. Die Vereine erfuhren Anfang des 19. Jahrhunderts eine Gründungswelle und bedienen sich der unterschiedlichen Maibräuche. Sie sind es, die in vielen Dorfgemeinschaften für das Stellen eines geschmückten Maibaums in der Dorfmitte verantwortlich sind und weitere Funktionen übernehmen. Ein Ziel der Vereinsarbeit ist die Aufrechterhaltung der Bindung zum Dorf durch regelmäßige Veranstaltungen. Nicht selten kommen auch die weit entfernt wohnenden jungen Erwachsenen für diese zurück in ihr Dorf. Die von den Vereinen organisierten Feste und Feierlichkeiten sind auch für die restlichen Bewohner*innen bedeutend, da sie das lokale Angebot an Freizeitaktivitäten erweitern. Die Vereine veranstalten nicht nur Maifeste, sondern auch Kirmessen, Weinfeste und andere Veranstaltungen. So werden von und für den Verein, aber auch für das Dorf, Anlässe zum Feiern geschaffen. Weiter entsteht so auch ein generationenübergreifendes Netzwerk zwischen den jungen aktiven und den älteren passiven Mitgliedern.
Literatur
Döring, Alois: Varianten von Maibräuchen im Rheinland. Gegenwart, Geschichte, Vereinsleben. In: Simon Matzerath (Hg.): Maibräuche im Rheinland. Aachen 2018, S. 6-41.
Dorner, Jasmin: Verein(te) Gemeinschaft. Vereine im ländlichen Raum am Beispiel des Junggesellenvereins. In: Valeska Flor (Hg.): Zwischen Landlust und Landfrust. Vorstellungen vom Leben auf dem Land (Ein Ausstellungsprojekt von Studierenden der Kulturanthropologie, Universität Bonn). Bonn 2017, S. 30-37.
Kothe, Marion: Innerdörfliche Integration. Zur Bedeutung von Ehe und Vereinsleben auf dem Lande. In: Beiträge zur Volkskunde in Niedersachsen. Bd. 9., S.152.
Palm, Anna: Von Mädchen, Maibäumen und „echten“ Männerfreundschaften. Junggesellenvereine im Bonner Raum zwischen kollektiver und regionaler (lokaler) Identität. In: Wir im Rheinland 25 (1/2007).
Wey, Hans-Willi: Mailehen – Erlebnis des „Überlebten“. Ein Brauch als Medium. Dissertation, Göttingen 2000.