Andreas H., geboren 1980, ist ein gelernter Textilmaschinenführer aus Hattingen an der Ruhr. Seit 2010 ist er bei der Etikettenweberei Bornemann in Wuppertal als Bandweber tätig.
Ausbildung und erste Tätigkeiten

Regale mit Vorräten an Garnrollen in verschiedenen Farben im Webraum der Firma Bornemann-Etiketten GmbH, 2013.
Foto: Stephanie Herden/LVR/LVR
Da Andreas H. nach seinem Hauptschulabschluss Schwierigkeiten hatte, in seinem Wunschberuf als Tischler eine Ausbildungsstelle zu finden, begann er nach persönlicher Vermittlung eine Lehre bei der Weberei Conze & Colsman in Velbert. Die Firma stellte breite Gewebe her, unter anderem Futterstoffe für die Modeindustrie und Schwergewebe in Form von LKW-Planen. In zwei Jahren erlernte Andreas H. dort den Beruf des Textilmaschinenführers, der speziell auf die Bedienung, Überwachung und Wartung von meist vollautomatisch und elektronisch gesteuerten Maschinen zur Produktion verschiedenster Textilien ausgerichtet ist. Aufgrund der schlechten Auftragslage konnte sein Ausbildungsbetrieb ihn jedoch nicht längerfristig übernehmen. „Nach der Ausbildung bin ich dann ziemlich direkt nach Paxar gegangen“ berichtet H. Die amerikanische Firma Paxar hatte in Wuppertal die Familienweberei Bornemann aufgekauft. Dort bediente er Nadelwebautomaten. Aufgrund eines schlechten Arbeitsklimas und hohen Arbeitsdrucks, kündigte H. dort 2006: „Dann war ich dreieinhalb Jahre woanders LKW fahren.“ Da er bereits über einen LKW-Führerschein verfügte, brauchte er für diese neue Stelle keine weiteren Qualifikationen, was ihm den Wechsel von seinem Lehrberuf in einen anderen Beruf erleichterte. Dass es sich dabei um eine Festanstellung handelte, gab den konkreten Ausschlag. Mit der Geburt seines zweiten Kindes entschied sich Andreas H. 2009 – unter anderem aus finanziellen Gründen – jedoch für eine Rückkehr in seinen Lehrberuf. Im März 2010 klappte es mit einer Anstellung bei der wieder- bzw. neu gegründeten Weberei Bornemann-Etiketten GmbH in Wuppertal.
Arbeitszeit und -strukturierung
In der Werkhalle der Etikettenweberei Bornemann arbeiten die Weber an zwei Reihen von Webstühlen. Wuppertal 2013
Foto: Herden, Stephanie/LVR
Andreas H. und seine ausschließlich männlichen Kollegen arbeiten in der Regel in drei Achtstundenschichten. Die Spätschicht, in der er eingeteilt ist, dauert von 14 bis 22 Uhr. Da er eine Festanstellung hat, wird er nach einem festen Stundenlohn bezahlt, der unabhängig von der aktuellen Auftragslage ist. Jeder Mitarbeiter ist während seiner Schicht für eine bestimmte Anzahl von Webstühlen verantwortlich. Andreas H. betreut zehn Maschinen: sechs Breitwebmaschinen und vier Nadelwebstühle. Einen Schichtmeister, der die anderen Mitarbeiter anleitet, gibt es in seiner Schicht nicht. „Wir machen hier sowieso ziemlich viel alleine. […] Wir haben zwei Bahnen hier, einmal eine, wo mehrere Breitwebbandstühle stehen […] und die andere Bahn lass‘ ich laufen, weil da auch diese Nadelstühle mit dran sind und weil ich damals bei Paxar nur auf Nadelwebstühlen gearbeitet hab‘“, beschreibt Andreas H. seinen Arbeitsplatz. Sein Schichtkollege bedient sieben Breitwebmaschinen. Die hohe Anzahl von gleichzeitig bedienten Webstühlen kann nur durch ein hohes Maß an Automatisierung umgesetzt werden; die Maschinen arbeiten größtenteils selbstständig.
In der Werkhalle hat jeder Mitarbeiter ein eigenes Spindfach. Wuppertal 2013
Foto: Herden, Stephanie/LVR
Ein normaler Arbeitstag beinhaltet für Andreas H. neben der Kontrolle des Webprozesses die rechtzeitige Versorgung der Webstühle mit neuen Garnspulen in den richtigen Farben und dem richtigen Material, um Stillstände zu vermeiden. Weiterhin müssen Vorspulgeräte und Bremsen gereinigt und die Webstühle für die nächste Schicht so vorbereitet werden, dass es bei der Übergabe keine Verzögerungen gibt. Je nach Größe des Auftrags nimmt die Vorbereitung der Bandstühle etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde in Anspruch. „Wenn ich das zeitlich schaffe, mache ich das meistens am Anfang der Schicht, dann hab ich das aus dem Kopf“, so H.. Die Kontrolle der Webstühle ist die zentrale Aufgabe der Maschinenführer: „Es gibt diverse Sachen, die merkt die Maschine nicht. Wenn ein Faden reißt, bleibt alles stehen, aber wenn der Luftdruck nicht stimmt, haben wir schon mal Schlaufen im Gewebe und da muss man natürlich selber drauf achten. Den Luftdruck musst du verändern. Die Düsen kann man alle einzeln einstellen. […] Dann verläuft die Ware schon mal, wenn die Spule abläuft. […] Dann muss man die nachstellen, die Gänge.“ In der Regel arbeiten pro Schicht zwei Weber, nur in der Frühschicht ist zusätzlich ein Musterweber am Werk. Dieser fertigt erste Ansichtsexemplare anhand von Entwürfen, die die hauseigenen Grafiker nach Kundenwünschen erstellen. „Und morgens ist auch immer einer da, der die Maschinen normalerweise auch reparieren kann.“, erklärt H. die Arbeitsaufteilung. Doch auch alle anderen Weber haben mit der Zeit Erfahrungen gesammelt und sind in der Lage, kleinere Komplikationen eigenständig zu beheben: „Man lernt ziemlich viel selber. Klar, man muss sich da auch drantrauen. […] Man lernt halt immer weiter dazu. Wir werden auch gefördert. Es werden Kurse bezahlt.“ Andreas H. beurteilt die wirtschaftliche Lage der Textilindustrie in Wuppertal als unsicher und prophezeit daher: „Ich weiß nicht, ob ich hier meine Rente erleben werde. Da geh ich nicht von aus. [… ] Textil ist halt nicht mehr so sicher, wie es früher mal war.“ Solange jedoch die Firma unter ihrer jetzigen Direktion weitergeführt wird, geht er davon aus, dass sein Arbeitsplatz sicher ist.