Durch die konjunkturelle Krise der Bandweberei wurden neue Produkte entwickelt, die bis heute nur auf Bandwebstühlen hergestellt werden. Die wirtschaftlichen Notwendigkeiten brachten so technische Innovationen hervor.
Erste Erweiterungen der Produktpalette in der Zeit der Weltkriege

Schreibmaschinenbänder, 1900 - 1929
Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR
Aufgrund der kriegsbedingten Einflüsse und Erfahrungen kam es nach 1918 in der Zeit der Weimarer Republik zu ersten Ansätzen einer nachhaltigen Veränderung gegenüber der traditionellen Bandweberei und ihren Produkten. Neben der Vergrößerung der Bandwebereibetriebe und dem damit verbundenen Übergang zu einer industriellen Massenproduktion kam es zu einer gleichzeitigen starken Abkehr vom Verlagssystem. Eine weitere Technisierung erlaubte die Herstellung von technischen Bändern und Kabeln. Nachdem bereits vor dem Ersten Weltkrieg einige wenige technische Artikel, z.B. Schreibmaschinenbänder, auf Bandwebstühlen produziert werden konnten, kamen jetzt Bänder mit eingewebten und eingenieteten Metallteilen, wie Gardinenringbänder und Reißverschlüsse, hinzu. Solche Produktneuentwicklungen wurden bewusst gesucht, um nicht immer wieder von krisenanfälligen Modeerscheinungen abhängig zu sein. In den 1930er Jahren wurde der Übergang von modischen zu völlig neuen Anwendungsbereichen weiter forciert, wie etwa in der Produktion neuartiger Kunstdärme für die Wurstherstellung. Zudem folgte aus der zunehmenden Militarisierung Deutschlands durch die Nationalsozialisten eine erhöhte Nachfrage nach technischen Bändern, z.B. Fallschirmband und Schlauchgewebe.
Schläuche und Riemen als neue Produkte der Nachkriegszeit

Venenstau-Band, Wermelskirchen 2013.
Mit dem Wirtschaftswunder erlebte die gesamte Bandweber-Industrie einen neuen Höhepunkt, vor allem Hohlschläuche für Radios oder Treibriemen für die Schwerindustrie waren nun gefragt. Durch die Einführung vollsynthetischer Stoffe konnte die Produktpalette für technische Bänder erweitert werden. Die neuartigen Kunststoffgarne führten im Einklang mit modernen Nadelstühlen vor allem in den Bandfabriken seit den 1960er Jahren zu einem raschen Übergang von modischen zu technischen Geweben, wie Trockenfiltern und Filterschläuchen, und somit zur Erschließung neuer Absatzmärkte. Diese Entwicklung verstärkte sich in den 1980er und 1990er Jahren, als immer neue Verbundstoffe und somit auch technische Bänder hergestellt werden konnten. Eine Innovation war beispielsweise ein mit Harz bearbeitetes Textilgewebe, das eine so hohe Festigkeit besitzt, dass es sogar Stahl ersetzen kann. Wie ursprünglich bei den Modebändern, so konnte sich auch im technischen Bereich eine nicht mehr überschaubare Produktpalette für nahezu alle Anwendungsgebiete herausbilden. Moderne Textilprodukte, wie Handytaschen und Festivalbändchen, werden heute ebenso von der Bandweberei-Branche produziert wie industrielle Gewebe für die Flüssigkeitsfilterung, Bodenbeläge für Hühnermastbetriebe, medizinische Gewebe wie Dialyse-Filter, Venenstaubänder und Bestandteile für Prothesen oder Textilien für Sicherheitsartikel wie Atemschutzmasken, Soldatenhelme, Sicherheitswesten und Nierengurte.
Technisierung und Innovation wandeln den Wirtschaftszweig

Kranzbänder, Trauerbänder und Trauerflore, 2012
Musste die Bandweberei sich um 1900 an der schnelllebigen Modewelt orientieren, so ist es die in den letzten Jahrzehnten immer schneller verlaufende Technisierung und die Entwicklung neuartiger Gewebe, die die Bandweberei vor neue Herausforderungen stellt, ihr aber auch immer neue Einsatzmöglichkeiten und somit gute Zukunftsperspektiven für das 21. Jahrhundert bietet. Denn wenngleich die Bandweberei ein heute fast in Vergessenheit geratener Gewerbezweig ist, benutzen wir mit Dekorations- und Geschenkbändern für Präsente, Uhrenarmbändern, dem Sicherheitsgurt beim Anschnallen im Auto oder dem Band zum Festschnallen des Fahrradhelms, dem Jalousienband morgens beim Aufstehen, der Hundeleine beim „Gassigehen“ oder dem Staubsaugerbeutel beim Saubermachen täglich ihre Produkte.
Weiterführende Literatur
Heidermann, Horst: Die Hausindustrie in der Bergischen Bandweberei. Ein Beitrag zur Unternehmensmorphologie. Göttingen 1960.
Konrad, Günter: Die Hausbandwirkerei in Ronsdorf. Aufstieg und Niedergang eines Gewerbezweiges. In: Geschichte im Wuppertal. 10. Jahrgang. 2001.
Schachtner, Sabine: Märkische Hausbandweber. Münster 1986.