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Prozesse des Wandels im 20. Jahrhundert

Das 20. Jahrhundert hat in immer kürzer werdenden Zeitabschnitten radikale Wandlungsprozesse erlebt, die auf alltagskulturelle Kontexte gravierend einwirkten und unsere Gesellschaft als Ganzes geprägt haben. Diese Prozesse können durch übergeordnete Begriffe gefasst und beschrieben werden, die sich in Alltagskulturen in signifikanter Weise spiegeln und dort greifbar werden. Für ein besseres Verständnis der wichtigsten Prozesse, die das 20. Jahrhundert geprägt haben, werden diese hier kurz, jedoch nicht abschließend definiert.

Anonymisierung

An­ony­mi­sie­rung ist ein mehr­deu­ti­ger Be­griff: ei­ner­seits be­zeich­net er Maß­nah­men zum Da­ten­schutz von Per­so­nen, wo­bei die per­so­nen­be­zo­ge­nen Da­ten ei­nes In­di­vi­du­ums über per­sön­li­che und sach­li­che Ver­hält­nis­se der­art ver­än­dert wer­den, dass die­se Da­ten für Au­ßen­ste­hen­de nicht mehr bzw. nur mit ei­nem un­ver­hält­nis­mä­ßig ho­hen Auf­wand der ent­spre­chen­den Per­son zu­ge­ord­net wer­den kön­nen. An­de­rer­seits kann An­ony­mi­sie­rung auch be­deu­ten, dass Men­schen im Zu­ge von In­di­vi­dua­li­sie­rungs- und Mo­bi­li­sie­rungs­pro­zes­sen aus ih­ren en­gen so­zia­len Ge­fü­gen (z.B. Fa­mi­lie, Nach­bar­schaft) her­aus­ge­löst wer­den, nun in grö­ße­ren Grup­pen le­ben oder ar­bei­ten und sich da­bei ge­gen­sei­tig nicht mehr per­sön­lich be­kannt sind. „An­ony­mi­tät“ ist ein oft ge­nutz­tes Schlag­wort in kul­tur­kri­ti­schen Ana­ly­sen der Mo­der­ne: ei­nem an­ony­men, fremd­be­stimm­ten und ein­sa­men Le­ben in der Groß­stadt wer­den schein­bar funk­tio­nie­ren­de en­ge so­zia­le Netz­wer­ke in länd­li­chen Le­bens­wel­ten ge­gen­über­ge­stellt. An­ony­mi­tät ist zum drit­ten ein zu­neh­mend wich­ti­ger As­pekt im Kon­text vir­tu­el­ler Kom­mu­ni­ka­ti­on und Rea­li­tä­ten: Das In­ter­net bie­tet viel­fäl­tig ge­nutz­te Mög­lich­kei­ten an­ony­mer Kom­mu­ni­ka­ti­on und wech­seln­der Iden­ti­tä­ten, die wach­sen­den Ein­fluss auf kul­tu­rel­le Prak­ti­ken und Wer­te­sys­te­me ha­ben.

Ausdifferenzierung

Aus­dif­fe­ren­zie­rung be­zeich­net die Viel­falt und die dar­aus her­vor­ge­hen­de Kom­ple­xi­tät ei­ner Ge­sell­schaft, wo­bei die Dif­fe­ren­zie­rung an­hand von Rol­len, Po­si­tio­nen, Au­to­ri­tät, Pres­ti­ge, Macht, Herr­schaft, Stän­den, Klas­sen und so­zia­len Schich­ten er­folgt. Auch wenn die Aus­dif­fe­ren­zie­rung durch die ste­tig fort­schrei­ten­de Wei­ter­ent­wick­lung ei­ner mo­der­nen, bü­ro­kra­ti­schen und in­dus­tri­el­len Ge­sell­schaft zu­nimmt, darf sie nicht in al­len Fäl­len als ein ir­re­ver­si­bler Pro­zess auf­ge­fasst wer­den. So ha­ben sich et­wa vie­le Be­ru­fe auf­grund tech­ni­scher In­no­va­tio­nen im Be­reich ih­rer Her­stel­lungs- und Ein­satz­mög­lich­kei­ten stark er­wei­tert und ver­än­dert, auf der an­de­ren Sei­te gab es in al­ten Hand­wer­ken viel mehr dif­fe­ren­zier­te und spe­zia­li­sier­te Be­rufs­fel­der, die heu­te oft­mals un­ter ei­ner Tä­tig­keits­be­zeich­nung zu­sam­men­ge­fasst wer­den.

Automatisierung

Au­to­ma­ti­sie­rung be­zeich­net die Über­tra­gung von Pro­duk­ti­ons­pro­zes­sen und Kon­troll­auf­ga­ben auf künst­li­che Sys­te­me. Au­to­ma­ten steu­ern als sol­che künst­li­chen Sys­te­me selbst­stän­dig die ge­sam­ten Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se in­klu­si­ve al­ler Kon­troll­funk­tio­nen.

Demokratisierung

De­mo­kra­ti­sie­rung be­zeich­net den Ab­bau hie­r­ari­scher So­zi­al­struk­tu­ren zu­guns­ten ge­sell­schaft­li­cher Mit­be­stim­mung und Teil­ha­be vor al­lem in der Po­li­tik, aber auch in ver­schie­de­nen an­de­ren Be­rei­chen der Ge­sell­schaft, wie et­wa der Wirt­schaft, Bil­dung und Re­li­gi­on. Die Durch­set­zung der De­mo­kra­ti­sie­rung kann ent­we­der durch die In­sti­tu­tio­na­li­sie­rung von Mit­be­stim­mung am po­li­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zess oder durch die Bil­dung ei­ner Ge­gen­macht er­fol­gen, die die au­to­ri­tä­re Herr­schaft zu ei­ner Re­vi­si­on der po­li­tisch-ge­sell­schaft­li­chen Struk­tu­ren zwingt.

Deregulierung

Der Be­griff der De­re­gu­lie­rung meint all­ge­mein den Ab­bau von Re­ge­lun­gen und Vor­ga­ben. Die­se kön­nen so­wohl recht­lich (Ge­set­zen, Ver­ord­nun­gen, Richt­li­ni­en) als auch all­tags­kul­tu­rell nor­ma­tiv (Sank­tio­nen, Ver­hal­tens­nor­men und Wer­te) sein. In der Re­gel er­öff­net ei­ne De­re­gu­lie­rung – ähn­lich der Li­be­ra­li­sie­rung – neue Hand­lungs- und Ent­schei­dungs­frei­hei­ten, bei­spiels­wei­se in der Wahl des Be­ru­fes oder des Ehe­part­ners. Im Rah­men der Glo­ba­li­sie­rung fand und fin­det durch De­re­gu­lie­rung ei­ne Aus­dif­fe­ren­zie­rung statt, die auch zu Ver­un­si­che­run­gen füh­ren kann.

Entsakralisierung

Ent­sa­kra­li­sie­rung wird häu­fig im Kon­text all­ge­mei­ner Pro­zes­se der Sä­ku­la­ri­sie­rung im Zu­ge der Mo­der­ne als In­di­ka­tor ge­nutzt. Der Be­griff meint die Rück­nah­me sa­kra­ler Be­deu­tun­gen z.B. Ent­wei­hung, Ent­wid­mung bzw. Pro­fa­nie­rung von Kir­chen­ge­bäu­den oder auch der Ver­zicht auf sa­kra­le Hand­lun­gen vor al­lem im kirch­li­chen Kon­text. In jüngs­ter Zeit ist al­ler­dings ei­ne ge­sell­schaft­li­che und kirch­li­che Ten­denz zur Re­sa­kra­li­sie­rung er­kenn­bar.

Enttraditionalisierung

Im Zu­ge von Glo­ba­li­sie­rung und In­di­vi­dua­li­sie­rung sinkt die Be­deu­tung von wer­te­ver­mit­teln­den In­sti­tu­tio­nen und Grup­pie­run­gen, die auch Trä­ger und Ver­mitt­ler von ri­tua­li­sier­ten Tra­di­tio­nen sind. Die­se Tra­di­tio­nen spie­len für den Ein­zel­nen des­halb heu­te sel­te­ner ei­ne ver­pflich­ten­de Rol­le; die In­di­vi­du­en kön­nen und müs­sen statt­des­sen aus un­ter­schied­li­chen Tra­di­tio­nen aus­wäh­len.

Entkirchlichung

Ent­kirch­li­chung meint die durch In­di­vi­dua­li­sie­rungs­pro­zes­se aus­ge­lös­te Ab­kehr gro­ßer Tei­le der Ge­sell­schaft von Kon­zep­ten und An­ge­bo­ten der bei­den gro­ßen christ­li­chen Kir­chen, was sich z.B. in ei­nem star­ken Mit­glie­der­rück­gang aus­drückt. Ent­kirch­li­chung ist ein Ele­ment, in dem all­ge­mei­ne Sä­ku­la­ri­sie­rungs­pro­zes­se ih­ren Aus­druck fin­den. Ent­kirch­li­chung führt nicht zwangs­läu­fig zu ei­ner Ab­kehr von Re­li­gio­si­tät und Spi­ri­tua­li­tät, viel­mehr wer­den hier häu­fig neue in­di­vi­du­el­le For­men des Glau­bens ge­sucht und prak­ti­ziert.

Globalisierung

Glo­ba­li­sie­rung meint den Vor­gang der zu­neh­men­den welt­wei­ten Ver­flech­tung in zen­tra­len ge­sell­schaft­li­chen Be­rei­chen wie Wirt­schaft, Po­li­tik, Kul­tur, Um­welt und Kom­mu­ni­ka­ti­on. Die sich ver­dich­ten­den glo­ba­len Be­zie­hun­gen ha­ben zu­gleich Aus­wir­kun­gen auf In­di­vi­du­en, Ge­sell­schaf­ten, In­sti­tu­tio­nen und gan­ze Staa­ten. An­ders als häu­fig dar­ge­stellt und emp­fun­den, ist Glo­ba­li­sie­rung kein mo­der­nes Phä­no­men. In­ter­na­tio­na­le Ver­flech­tun­gen und ge­gen­sei­ti­ge Ab­hän­gig­kei­ten sind schon seit Jahr­tau­sen­den zu be­ob­ach­ten. Durch den Ein­satz von mo­der­nen Tech­no­lo­gi­en im Kom­mu­ni­ka­ti­ons-, In­for­ma­ti­ons- und Trans­port­we­sen wer­den die welt­wei­ten Ver­bin­dun­gen in den letz­ten Jahr­zehn­ten je­doch schnel­ler vor­an­ge­trie­ben und sor­gen zu­neh­mend für tief­grei­fen­de Ver­än­de­run­gen im All­tags­le­ben der ein­zel­nen In­di­vi­du­en. Von ih­nen er­for­dert die fort­schrei­ten­de Glo­ba­li­sie­rung ei­ne Be­reit­schaft zu er­höh­ter räum­li­cher und so­zia­ler Mo­bi­li­tät. Die Her­aus­lö­sung aus ver­trau­ten Ge­mein­schaf­ten wie Klas­se, Grup­pe, Re­li­gi­on oder Eth­nie führt zu ei­ner Un­ein­deu­tig­keit kul­tu­rel­ler Iden­ti­tät. Mög­li­che Fol­gen sind psy­chi­sche und phy­si­sche Be­las­tun­gen, Ent­frem­dung so­wie Zeit­man­gel und so­zia­le Iso­la­ti­on. Als po­si­ti­ve Ef­fek­te der Glo­ba­li­sie­rung wer­den je­doch grö­ße­re in­di­vi­du­el­le Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten, An­nä­he­rung der Kul­tu­ren und Wirt­schafts­wachs­tum be­schrie­ben. Be­fürch­te­te ge­sell­schaft­lich ne­ga­ti­ve Fol­gen be­inhal­ten ei­ne Do­mi­nanz der Öko­no­mie, öko­lo­gi­schen Raub­bau so­wie ei­ne zu­neh­men­de Kluft zwi­schen Arm und Reich. Ne­ben der In­di­vi­dua­li­sie­rung gilt die Glo­ba­li­sie­rung als ei­ner der Kern­pro­zes­se der Mo­der­ni­sie­rung.

Individualisierung

In­di­vi­dua­li­sie­rung meint die weit­ge­hen­de Auf­lö­sung tra­di­tio­nel­ler Struk­tu­ren und Le­bens­wel­ten, wel­che durch Wer­te der Selbst­be­stim­mung, Selbst­ver­wirk­li­chung und Wahl­frei­heit er­setzt wer­den. An die Stel­le von weit­ge­hend nor­mier­ten „Nor­mal­bio­gra­phien“ tre­ten „Bas­te­l­exis­ten­zen“, d.h. der Ein­zel­ne kann und muss sich sei­ne Wer­te­ori­en­tie­run­gen, Le­bens­vor­stel­lun­gen und Ori­en­tie­rungs­maß­stä­be in­di­vi­du­ell zu­sam­men­stel­len, was zu ei­ner Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Le­bens­ent­wür­fe führt.

Industrialisierung

In­dus­tria­li­sie­rung be­zeich­net ei­nen Pro­zess, bei dem – ge­mes­sen an der Ge­samt­heit al­ler Pro­duk­ti­ons­er­geb­nis­se ei­ner Volks­wirt­schaft – der An­teil der In­dus­trie­pro­duk­ti­on ge­gen­über der land­wirt­schaft­li­chen Pro­duk­ti­on und den Dienst­leis­tun­gen stark zu­nimmt und zum do­mi­nie­ren­den öko­no­mi­schen Fak­tor wird. Die enor­me Zu­nah­me der In­dus­trie­pro­duk­ti­on, d.h. die Her­stel­lung und Ver­ar­bei­tung von Kon­sum- und In­ves­ti­ti­ons­gü­tern, ist vor al­lem ge­kenn­zeich­net durch ei­nen zu­neh­men­den Ein­satz in­no­va­ti­ver, ma­schi­nel­ler Fer­ti­gungs­tech­ni­ken, die zu ei­nem im­mens be­schleu­nig­ten Wachs­tum der Volks­wirt­schaft füh­ren. Kenn­zeich­nend für die In­dus­tria­li­sie­rung ist die Bal­lung der Fa­brik­stand­or­te an Plät­zen mit güns­ti­gen Zu­gän­gen zu Roh­stof­fen und ei­ner gu­ten In­fra­struk­tur, was die Ur­ba­ni­sie­rung zu ei­nem zu­sätz­li­chen Cha­rak­te­ris­ti­kum der In­dus­tria­li­sie­rung macht. Die mit der In­dus­tria­li­sie­rung un­trenn­bar ver­bun­de­ne neue Wirt­schafts­ord­nung be­dingt auch neue Ge­sell­schafts­struk­tu­ren, die im We­sent­li­chen von der In­dus­trie­pro­duk­ti­on und von den mit ihr ver­bun­de­nen so­zia­len Grup­pen und Schich­ten be­stimmt wer­den. His­to­risch be­trach­tet setz­te die In­dus­tria­li­sie­rung in Groß­bri­tan­ni­en wäh­rend der zwei­ten Hälf­te des 18. Jahr­hun­derts ein und ge­lang­te von dort mit un­ter­schied­li­cher Ver­zö­ge­rung im Ver­lauf des 19. Jahr­hun­derts auf das eu­ro­päi­sche Fest­land und nach Nord­ame­ri­ka.

Liberalisierung

Der Be­griff Li­be­ra­li­sie­rung be­zeich­net all­ge­mein ei­ne Ab­schwä­chung oder Ab­schaf­fung bis­lang be­ste­hen­der ge­setz­li­cher Re­ge­lun­gen oder an­der­wei­ti­ger Ver­ord­nun­gen und Ver­hal­tens­vor­schrif­ten. In so­zia­lem und kul­tu­rel­lem Kon­text wird der Be­griff Li­be­ra­li­sie­rung häu­fig mit der Be­frei­ung von ge­sell­schaft­li­chen Kon­ven­tio­nen im Zu­ge der 68er-Be­we­gung as­so­zi­iert. In ih­rem Pro­test rich­te­te sich die Be­we­gung vor al­lem ge­gen die ih­rer Mei­nung nach über­kom­me­nen Le­bens- und Ver­hal­tens­for­men der Nach­kriegs­zeit, die die per­sön­li­che Frei­heit mas­siv ein­schränk­ten.

Maschinisierung

Ma­schi­ni­sie­rung be­zeich­net die Über­nah­me von ma­nu­el­ler Ar­beit durch Ma­schi­nen. Die mensch­li­che Ar­beits­kraft ist nur noch auf Steue­rungs- und Kon­troll­funk­tio­nen be­schränkt.

Mechanisierung

Me­cha­ni­sie­rung be­deu­tet die Un­ter­stüt­zung der mensch­li­chen oder tie­ri­schen Ar­beits­kraft durch ma­schi­nel­le Kraft. Der Ar­beits­pro­zess mit al­len Steue­rungs- und Kon­troll­auf­ga­ben wird wei­ter­hin vom Men­schen aus­ge­führt. Ma­schi­nen un­ter­stüt­zen le­dig­lich bei der Über­set­zung der Kraft und der Werk­zeug­hal­tung. In ei­ner wei­ter ge­fass­ten In­ter­pre­ta­ti­on be­zeich­net die Me­cha­ni­sie­rung al­le For­men der Un­ter­stüt­zung des Men­schen durch tech­ni­sche Hilfs­mit­tel.

Medialisierung

Der Be­griff der Me­dia­li­sie­rung, auch Me­dia­ti­sie­rung ge­nannt, be­schreibt die zu­neh­men­de Aus­brei­tung der (elek­tro­ni­schen) Me­di­en in al­len wirt­schaft­li­chen, po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Be­rei­chen. Die­ser Pro­zess ist für das 20. Jahr­hun­dert so be­deut­sam, dass von ei­ner „Me­di­en­ge­sell­schaf­t“ ge­spro­chen und in Kul­tur- und So­zi­al­wis­sen­schaf­ten Me­dia­li­sie­rung als Epo­chen­kenn­zei­chen dis­ku­tiert wird. Mit die­sem Pro­zess ver­bun­den sind auch die da­durch statt­fin­den­de Ver­schie­bung der Wahr­neh­mung von Wirk­lich­keit so­wie der so­zia­le Wan­del, vor al­lem im Be­reich der Kom­mu­ni­ka­ti­on, die sich zu­neh­mend an den Rol­len­vor­ga­ben der Me­di­en ori­en­tiert. Der Be­griff ist oft ab­wer­tend kon­no­tiert. Me­dia­li­sie­rung ist auch ein For­schungs­schwer­punkt der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten, da­bei steht vor al­lem zur Dis­kus­si­on, ob ei­ne Me­dia­li­sie­rung al­ler ge­sell­schaft­li­cher Teil­be­rei­che ge­ge­ben ist. Der Be­griff be­zeich­net so­mit auch die Ver­ein­nah­mung durch bzw. die Aus­nut­zung von Me­di­en in Be­rei­chen, in de­nen dies vor­her nicht üb­lich war. Mit der Ver­brei­tung der „neu­en Me­di­en“ in al­le All­tags­be­rei­che (Ar­beit, Frei­zeit, Fa­mi­lie) set­zen sich neue Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men durch, die von In­ter­ak­ti­vi­tät ge­kenn­zeich­net sind. Par­ti­zi­pa­ti­on und De­mo­kra­ti­sie­rung sind Pro­zes­se, die von die­ser Art der Kom­mu­ni­ka­ti­on be­för­dert wer­den kön­nen, gleich­zei­tig ber­gen sie Ge­fah­ren der Kon­trol­le, Nor­mie­rung, An­ony­mi­sie­rung und Ent­so­zia­li­sie­rung.

Modernisierung

Mo­der­ni­sie­rung be­schreibt die Ur­sa­chen und Ent­wick­lun­gen des so­zia­len Wan­dels, der sich beim Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess von ei­ner tra­di­tio­na­len zu ei­ner aus­dif­fe­ren­zier­ten Ge­sell­schafts­form, wie et­wa der mo­der­nen In­dus­trie­ge­sell­schaft, voll­zieht. Über aus­lö­sen­de Fak­to­ren, in­halt­li­che As­pek­te und ih­re wech­sel­sei­ti­gen Be­zü­ge, die cha­rak­te­ris­tisch für den Über­gang zu ei­ner mo­der­nen und kom­ple­xen Ge­sell­schaft sind, herrscht in der Wis­sen­schaft kein ein­heit­li­cher Kon­sens, wes­halb ver­schie­dens­te Mo­der­ni­sie­rungs­theo­ri­en ne­ben­ein­an­der ste­hen. Als Kri­te­ri­en für Mo­der­ni­sie­rung gel­ten da­bei u.a. so­zia­le Aus­dif­fe­ren­zie­rung, Ar­beits­tei­lung, Ver­städ­te­rung, In­dus­tria­li­sie­rung, Ra­tio­na­li­sie­rungs­pro­zes­se, Ver­selb­stän­di­gungs­pro­zes­se ein­zel­ner ge­sell­schaft­li­cher Be­rei­che wie Po­li­tik, Wirt­schaft und Re­li­gi­on, Tech­ni­sie­rung oder die zu­neh­men­de Par­ti­zi­pa­ti­on an po­li­tisch-ge­sell­schaft­li­chen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen. Ei­nig­keit be­steht dar­über, dass der Mo­der­ni­sie­rungs­pro­zess im­mer suk­zes­siv er­folgt, da ein­zel­ne Kri­te­ri­en ei­ne Vor­be­din­gung für an­de­re Merk­ma­le sind, die dar­auf auf­bau­en, so setzt z.B. die städ­ti­sche In­dus­tria­li­sie­rung die Ur­ba­ni­sie­rung vor­aus.

Motorisierung

Mo­to­ri­sie­rung be­schreibt den Pro­zess der zu­neh­men­den Ver­wen­dung von Mo­tor­kraft für Ar­beits­vor­gän­ge, die zu­vor durch mensch­li­che, tie­ri­sche oder Na­tur­kraft an­ge­trie­ben wur­den. Da­bei wird der Mo­tor mit ei­ner äu­ße­ren En­er­gie­quel­le be­trie­ben. In ei­ner en­gen De­fi­ni­ti­on be­schreibt die Mo­to­ri­sie­rung das Er­gän­zen bzw. Er­set­zen mit Mus­kel­kraft an­ge­trie­be­ner Ve­hi­kel durch sich selbst be­we­gen­de Fahr­zeu­ge. Der Be­griff der Mo­to­ri­sie­rung be­zeich­net auch die zu­neh­men­de Durch­set­zung von Au­to­mo­bi­len in der in­di­vi­du­el­len Fort­be­we­gung.

Multikulturalität

Der Be­griff der Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät be­zieht sich auf die so­zia­len Struk­tu­ren ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on oder Ge­sell­schaft. Da­bei wird da­von aus­ge­gan­gen, dass ver­schie­de­ne Kul­tu­ren in­ner­halb ei­ner Ge­sell­schaft zu­sam­men le­ben, es aber nicht zur Ver­schmel­zung der ver­schie­de­nen Kul­tu­ren kommt, son­dern dass sie ne­ben­ein­an­der be­ste­hen, al­so ko­exis­tie­ren. Da­bei kommt es zu zahl­rei­chen Kul­tur­kon­tak­ten und Kul­tur­aus­tausch, so dass ge­ra­de im Be­zug auf All­tags­kul­tu­ren neue, ge­mein­sam aus­ge­han­del­te For­men ent­ste­hen, die den Rea­li­tä­ten ei­ner Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft an­ge­mes­sen sind. Die kul­tu­rel­le Viel­falt wird da­bei auf der ei­nen Sei­te nicht als ne­ga­tiv be­trach­tet, son­dern als Chan­ce, von­ein­an­der zu ler­nen und zu pro­fi­tie­ren, Vor­ur­tei­le ab­zu­bau­en und to­le­ran­ter zu wer­den. An­de­rer­seits kann der Be­griff aber auch ne­ga­tiv aus­ge­legt wer­den, näm­lich in dem Sin­ne, dass es beim Zu­sam­men­le­ben vie­ler ver­schie­de­ner Kul­tu­ren zu ei­ner Spal­tung der Ge­sell­schaft kommt, die vor al­lem durch sprach­li­che, eth­ni­sche und re­li­giö­se Un­ter­schie­de ent­steht. Es ent­wi­ckeln sich so ge­nann­te „Par­al­lel­ge­sell­schaf­ten“ – ei­ne Ent­wick­lung, die sich ak­tu­ell vor al­lem in den eu­ro­päi­schen Groß­städ­ten ab­zeich­net. In die­sem Fall spricht man von ei­ner „miss­lun­ge­nen Um­set­zun­g“ der Idee der Mul­ti­kul­tu­ra­li­tät in die Wirk­lich­keit.

Privatisierung

Im all­ge­mei­nen Sin­ne be­zeich­net Pri­va­ti­sie­rung die Um­wand­lung von öf­fent­li­chem Be­sitz in Pri­vat­ei­gen­tum, et­wa durch den Ver­kauf von staat­li­chen Be­trie­ben. So­zio­kul­tu­rel­le Pri­va­ti­sie­rung meint je­doch den Rück­zug ins Pri­va­te vor dem Hin­ter­grund ei­ner für den Ein­zel­nen un­über­sicht­li­chen, in­di­vi­dua­li­sier­ten Ge­sell­schaft, die sich durch Op­tio­nen­viel­falt und Wahl­frei­heit aus­zeich­net. Die­se Ent­schei­dungs­frei­heit hat da­bei auch Ein­fluss auf die so­zia­len Grup­pen. Auch in ih­nen sind Nor­men- und Wer­te­vor­ga­ben we­ni­ger ver­bind­lich.

Professionalisierung

Der Be­griff der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung be­schreibt ei­ner­seits die Ent­wick­lung ei­ner pri­vat oder eh­ren­amt­lich aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit zu ei­nem be­zahl­ten Be­ruf, der spe­zi­el­le Kennt­nis­se bzw. Kom­pe­ten­zen er­for­dert; bei­spiels­wei­se wer­den Auf­ga­ben der Heb­am­me ver­mehrt durch Ärz­te über­nom­men. An­de­rer­seits ist die Ent­wick­lung ei­nes Be­ru­fes zu ei­ner Pro­fes­si­on ge­meint. Als „Pro­fes­si­on“ wird da­bei ein aka­de­mi­scher Be­ruf mit ho­hem Pres­ti­ge und per­sön­li­cher Ge­stal­tungs- und Ent­schei­dungs­frei­heit be­trach­tet (vor al­lem Arzt, Ju­rist, Geist­li­cher usw.), zu dem sich der Aus­üben­de „be­ru­fen fühl­t“, im Ge­gen­satz zum „Job“, der ei­ne Tä­tig­keit be­schreibt, die rein dem Geld­er­werb für ei­ne be­fris­te­te Zeit­span­ne dient, und dem „Be­ruf“, der den Le­bens­un­ter­halt dau­er­haft si­chern soll. Wel­che Tä­tig­keit als Pro­fes­si­on be­trach­tet wird, ist in star­kem Ma­ße ab­hän­gig von der so­zi­al­po­li­ti­schen Ent­wick­lung ei­ner Ge­sell­schaft.

Rationalisierung

Der Be­griff der Ra­tio­na­li­sie­rung be­deu­tet wört­lich: „sei­ne Ver­nunft ge­brau­chen“, „et­was ei­nen Sinn ge­ben“ und wird un­ter an­de­rem in den Be­rei­chen der Öko­no­mie, der Ma­the­ma­tik, und in der Psy­cho­lo­gie ver­wandt. Rein öko­no­misch be­trach­tet be­deu­tet er ei­ne Stei­ge­rung der Ef­fi­zi­enz ei­nes Un­ter­neh­mens oder ei­ner Ver­wal­tung, in­dem man durch Tech­ni­sie­rung, Au­to­ma­ti­sie­rung, Än­de­run­gen in den Ar­beits­ab­läu­fen oder an­de­re Maß­nah­men, Kos­ten und Auf­wand sen­ken kann. Ziel ist ei­ne ver­nunf­tori­en­tier­te, zweck­mä­ßi­ge Ge­stal­tung der be­trieb­li­chen Ver­hält­nis­se un­ter sich än­dern­den Be­din­gun­gen, um die Pro­duk­ti­vi­tät zu stei­gern und ei­ne Ver­hin­de­rung der Ver­schwen­dung von Res­sour­cen und Mög­lich­kei­ten. Ne­ga­tiv kon­no­tiert wird der Be­griff der Ra­tio­na­li­sie­rung aber vor al­lem für groß­flä­chi­ge Kün­di­gun­gen bei Un­ter­neh­men ge­braucht.

Resakralisierung

Im Kon­text der In­di­vi­dua­li­sie­rung fin­det ei­ne ver­mehr­te Hin­wen­dung zu spi­ri­tu­el­len, sa­kra­len Ori­en­tie­run­gen so­wohl des Ein­zel­nen als auch der kirch­li­chen In­sti­tu­tio­nen statt. Da­bei be­steht für den Ein­zel­nen je­doch Wahl­frei­heit, so dass spi­ri­tu­el­le Patch­work-Iden­ti­tä­ten ent­ste­hen.

Technisierung

Tech­ni­sie­rung be­zeich­net den wach­sen­den Ein­satz tech­ni­scher Hilfs­mit­tel zur Me­cha­ni­sie­rung, Ma­schi­ni­sie­rung und Au­to­ma­ti­sie­rung in Ar­beits­pro­zes­sen, die bis da­to nur der hand­werk­li­chen und geis­ti­gen Tä­tig­keit des Men­schen vor­be­hal­ten wa­ren.

Urbanisierung

Der Be­griff der Ur­ba­ni­sie­rung be­schreibt ei­ner­seits den Pro­zess der Aus­brei­tung städ­ti­scher Le­bens­for­men und Ver­hal­tens­wei­sen, an­de­rer­seits auch die Ver­brei­tung städ­ti­scher Wirt­schafts­for­men. Die bei­den Be­grif­fe Ur­ba­ni­sie­rung und Ver­städ­te­rung sind nur schwer von­ein­an­der ab­zu­gren­zen, da sie sich ge­gen­sei­tig be­din­gen und da­her häu­fig syn­onym ver­wen­det wer­den. Fol­ge der Ur­ba­ni­sie­rung bzw. Ver­städ­te­rung ist in wirt­schaft­lich weit ent­wi­ckel­ten Staa­ten die fort­schrei­ten­de Auf­lö­sung des Un­ter­schieds zwi­schen Stadt- und Land­le­ben. Die­se Ver­wi­schung der Gren­zen be­gann in der Zeit der In­dus­tria­li­sie­rung und setzt sich im me­dia­len Zeit­al­ter ver­stärkt fort. Mitt­ler­wei­le le­ben mehr als 50 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung in Städ­ten. Fol­gen der bei­den Pro­zes­se sind un­ter an­de­rem die Tren­nung von Le­bens- und Ar­beits­raum.

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