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Fotografieren als Nebenerwerb

Der Fotograf Peter Weber und seine Familie in Ahrweiler-Wershofen

Peter Weber senior (1878-1960) fotografierte etwa 30 Jahre lang das Geschehen in seiner Heimatregion, vor allem in Wershofen im rheinland-pfälzischen Teil der Eifel unmittelbar an der Grenze zu Nordrhein-Westfalen. Fast 2.300 Glasnegative sind erhalten und lagern im Archiv des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte.

Die Familie Weber

Selbstportrait des Fotografen in seiner Uniform als Postbeamter vor einem Fenster im Hinterhof des elterlichen Hauses, Wershofen nach 1905.
Photo: Peter Weber sen./LVR

Pe­ter We­ber se­ni­or war das äl­tes­te von fünf Ge­schwis­tern. Die Fa­mi­lie leb­te in ei­nem Haus in der Orts­mit­te von Wers­ho­fen, das Va­ter Her­mann Jo­sef We­ber (1849-1902), ein Na­gel­schmie­de­meis­ter, und sei­ne Ehe­frau Ger­trud We­ber, geb. Jak­len (1855-1922) 1881 er­wor­ben hat­ten. Die We­bers be­trie­ben ei­nen Ko­lo­ni­al­wa­ren­la­den, ei­ne Gla­se­rei mit Bil­der- und Braut­kranz­ein­rah­mung und er­hiel­ten 1898 die Ge­neh­mi­gung für ei­ne Post­agen­tur mit Post­kut­sche. Über den gro­ßen Nutz­gar­ten ver­sorg­te sich die Fa­mi­lie selbst, Über­schüs­se wur­den im Ge­schäft ver­kauft. Ein wei­te­rer, klei­ner Ne­ben­er­werb war die Ver­mie­tung von zwei Zim­mern an Gäs­te aus der Stadt, die zur Jagd in die Ei­fel ka­men.
Da­mit ist die Fa­mi­lie ein Bei­spiel für ge­wach­se­ne Er­werbs­struk­tu­ren, de­ren Zu­sam­men­set­zung aus ver­schie­de­nen Haupt- und Ne­ben­ein­künf­ten sich im­mer wie­der an äu­ße­re Ver­än­de­run­gen an­pass­te. Zwar gab es im Haus Per­so­nal und Hilfs­kräf­te, al­le Fa­mi­li­en­mit­glie­der muss­ten je­doch ih­ren Bei­trag zum Fa­mi­li­en­be­trieb leis­ten, wie es in den meis­ten dörf­li­chen Ge­mein­schaf­ten selbst­ver­ständ­lich und not­wen­dig war. Ei­ge­ne Vor­lie­ben oder Be­rufs­wün­sche spiel­ten da­bei nur ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le. So über­nahm Pe­ter nach dem Tod des Va­ters als äl­tes­tes Kind die Ver­ant­wor­tung für ei­nen Gro­ß­teil der Fa­mi­li­en­ge­schäf­te und blieb auch nach sei­ner Hei­rat am 30. Ju­ni 1920 mit An­na Hol­len­der, die er seit sei­ner Kind­heit kann­te, im El­tern­haus woh­nen. Das Paar hat­te drei Kin­der: Pe­ter ju­ni­or, Mar­ga­re­the und Jo­hann.
Die Na­gel­schmie­de wur­de auf­ge­ge­ben und der lu­kra­ti­ve­re Post­be­trieb für drei Ge­ne­ra­tio­nen zum Haupt­er­werb der Fa­mi­lie. Mut­ter Ger­trud We­ber führ­te die Post­sta­ti­on nach dem Tod ih­res Ehe­manns bis zu ih­rem ei­ge­nen Tod 1922. Pe­ters Schwes­ter Mar­ga­re­the über­nahm die­se Stel­le bis zu ih­rer Hoch­zeit 1933, dann folg­te bis nach dem Zwei­ten Welt­krieg Pe­ter selbst, der zu­vor als Land­brief­trä­ger ge­ar­bei­tet hat­te. Auch die jün­ge­ren Brü­der Jo­hann und Jo­sef wa­ren im Post­dienst tä­tig. Als Jo­hann An­fang der 1920er Jah­re ei­nen Ko­lo­ni­al­wa­ren­la­den im Haus ge­gen­über er­öff­ne­te und ihn mit sei­ner ei­ge­nen Fa­mi­lie be­trieb, wur­de das ur­sprüng­li­che Le­bens­mit­tel­ge­schäft auf­ge­ge­ben. Nach sei­ner Rück­kehr aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft über­nahm Jo­hann je­doch ab 1948 die Post­stel­le, be­vor er wie­der als Zu­stel­ler tä­tig war und sei­ne Frau Mar­got die Post­sta­ti­on lei­te­te, de­ren Be­trieb erst 2003 ein­ge­stellt wur­de. Durch die Post­stel­le, das Ein- und Aus­ge­hen der Brief­trä­ger so­wie den Ko­lo­ni­al­wa­ren­la­den und das lan­ge Zeit ein­zi­ge Te­le­fon des Dor­fes nahm die Fa­mi­lie ei­ne zen­tra­le Po­si­ti­on in der dörf­li­chen Kom­mu­ni­ka­ti­on ein. Auch durch zahl­rei­che Ak­ti­vi­tä­ten in Ver­ei­nen, et­wa dem Mu­sik­ver­ein, wa­ren die Fa­mi­li­en­mit­glie­der in das Dorf­le­ben ein­ge­bun­den.  

Die Arbeit als Fotograf

Gruppenaufnahme der Schwestern des Fotografen, Margarethe (Grete) und Gertrud Weber, der Lehrerin Frau Knieps und weiteren Besuchs vor der Post, Wershofen 1910.
Photo: Peter Weber sen./LVR

Portrait der Kinder Grete, Johann und Peter Weber, Kinder des Fotografen, vor der verzierten Eingangstür des Hauses Weber. Wershofen, an Fastnacht 1930.
Photo: Peter Weber sen./LVR

Be­reits um 1902 hat­te Pe­ter mit dem Fo­to­gra­fie­ren be­gon­nen. Was ge­nau den Aus­schlag für die Be­schäf­ti­gung mit dem noch re­la­tiv neu­en, aber auch kost­spie­li­gen Me­di­um gab, lässt sich nicht mehr re­kon­stru­ie­ren. Mög­li­cher Wei­se war es von vor­ne­her­ein als Ne­ben­ver­dienst ge­dacht, viel­leicht aber auch nur ein per­sön­li­ches In­ter­es­se von Pe­ter. Da er je­doch nach dem Tod von Her­mann Jo­sef We­ber die Lei­tung der el­ter­li­chen Be­trie­be über­neh­men muss­te, blieb ihm für die Fo­to­gra­fie nicht aus­rei­chend Zeit, um dar­aus ei­nen ei­gen­stän­di­gen Be­ruf und Le­bens­un­ter­halt zu ma­chen. Statt­des­sen nutz­te er freie Sonn- und Fei­er­ta­ge. Hin und wie­der fo­to­gra­fier­te er wäh­rend sei­ner Tou­ren als Brief­trä­ger. In ers­ter Li­nie mach­te Pe­ter Auf­trags­fo­to­gra­fi­en: Por­träts von Ein­zel­per­so­nen, Fa­mi­li­en und Ver­ei­nen, Auf­nah­men bei Fes­ten und Fei­ern, be­son­ders bei Hoch­zei­ten und Kom­mu­ni­ons­fei­ern. So konn­te er auch die Ma­te­ria­li­en für pri­va­te Auf­nah­men wie Land­schafts­bil­der und Fo­tos von sei­ner Fa­mi­lie fi­nan­zie­ren. Im Dach­ge­schoss des Hau­ses, wo sich auch die Rah­men­werk­statt für die Bil­der- und Braut­kranz­ein­rah­mung be­fand, hat­te er ei­ne Dun­kel­kam­mer zum Ent­wi­ckeln der Fo­to­plat­ten ein­ge­rich­tet. In Re­ga­len la­ger­ten hier au­ßer­dem sei­ne Ka­me­ras und Zu­be­hör, u.a. un­be­lich­te­te Glas­plat­ten. Den rich­ti­gen Um­gang mit den Ma­te­ria­li­en, das Fo­to­gra­fie­ren so­wie das Ent­wi­ckeln der Bil­der hat­te er sich selbst­stän­dig bei­ge­bracht.
Zu­hau­se und im Ge­schäft nutz­te Pe­ter ei­ne gro­ße Plat­ten­ka­me­ra, un­ter­wegs hand­li­che­re Rei­se­ka­me­ras. Im­mer wie­der dien­ten Haus und Grund­stück, vor al­lem die schmuck­vol­le, zwei­flü­ge­li­ge Ein­gangs­tür der We­ber­schen Hand­lung, als Fo­to­ku­lis­se. Auf dem über­dach­ten Hin­ter­hof dien­te ei­ne Lein­wand als Hin­ter­grund. Pro­zes­sio­nen und Um­zü­ge in Wers­ho­fen fo­to­gra­fier­te Pe­ter meist aus dem nach vor­ne ge­le­ge­nen Fens­ter im obe­ren Stock­werk des Fa­mi­li­en­hau­ses, wo­bei ihm des­sen zen­tra­le La­ge an der Haupt­stra­ße des Dor­fes zu­gu­te­kam.
Mit­te der 1930er Jah­re muss­te Pe­ter We­ber das kom­mer­zi­el­le Fo­to­gra­fie­ren auf­ge­ben, da er – ver­mut­lich auf­grund sei­ner an­de­ren Er­werbs­tä­tig­kei­ten – kei­ne of­fi­zi­el­le Ge­neh­mi­gung er­hielt. Sei­ne Samm­lung an Glas­ne­ga­ti­ven ver­wahr­te er je­doch sorg­fäl­tig und ver­erb­te sie sei­nem Sohn Pe­ter jun., der 2004 zu­sam­men mit sei­nem Sohn Pe­ter III. schlie­ß­lich für ei­ne sach­ge­rech­te Un­ter­brin­gung im In­sti­tut für Lan­des­kun­de und Re­gio­nal­ge­schich­te sorg­te.
Heu­te er­mög­li­chen uns die Fo­tos von Pe­ter We­ber sen. nicht nur Ein­bli­cke in das dörf­li­che Fest- und Brauch­le­ben, die Ge­schich­te des Fa­mi­lie We­ber ge­stat­tet in Kom­bi­na­ti­on mit den Fo­tos auch ei­ne Re­kon­struk­ti­on des All­tags­le­bens im länd­li­chen Raum so­wie der so­zia­len und räum­li­chen Dorf­struk­tu­ren in der ers­ten Hil­fe des 20. Jahr­hun­derts.  

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