Skip to main content

Dreißig Kühe und ein Schwein

Leben auf einem Milchhof in der Eifel

Nähert man sich der Hofanlage am Rand von Udenbreth, einem Ortsteil der Gemeinde Hellenthal in der Nordeifel, sieht man schon von weitem, dass hier gerade renoviert wird. Vor dem Haus, im ehemaligen Stalltrakt und im Garten stapeln sich Bretter, Dämmmaterialien und andere Bauutensilien. Die ehemalig landwirtschaftlich genutzte Anlage soll zukünftig anders genutzt werden. Die neuen Besitzer des Hauses wollen die Gebäude und das Gelände zum Pferdehof umbauen. Einst befand sich hier ein Milchhof, der ein Großteil des 20. Jahrhunderts hindurch von den Mitgliedern einer Familie geführt wurde.

Anfangsschwierigkeiten

Außenansicht des Wohnhauses der milchwirtschaftlichen Hofanlage Schmitz, 1930er/1940er Jahre.

Von zwei Rindern gezogenes Fuhrwerk auf einer Weide vor der Hofanlage Schmitz, Hellenthal-Udenbreth 1930er bis 1940er Jahre.

Be­reits An­fang der 1920er Jah­re hat­te der Gro­ßva­ter der Fa­mi­lie mit dem Bau des Wohn­hau­ses und des ers­ten Stalls be­gon­nen. Der Auf­wand des Pro­jek­tes war sehr groß, denn die Fa­mi­lie mach­te das Meis­te selbst, und die Bau­ma­te­ria­li­en muss­ten mit Pfer­de­fuhr­wer­ken und Kar­ren über wei­te Stre­cken zur Bau­stel­le trans­por­tiert wer­den. Zu­sätz­li­che Schwie­rig­kei­ten ent­stan­den durch den z. T. feuch­ten Moor­bo­den, der zu­nächst tro­cken­ge­legt wer­den muss­te – Uden­breth liegt im Na­tur­park Ho­hes Venn.

Fleisch, Eier, Obst und Gemüse – und die Milch zum Broterwerb

Blick in die Lohnsägerei auf der ehemaligen milchwirtschaftlichen Hofanlage Schmitz, Hellenthal-Udenbreth 2016.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Milchkühe und ein Bauer auf einer abgezäunten Weide, die zur Hofanlage Schmitz gehört, Hellenthal-Udenbreth 1990.

Zu­sätz­lich zum Stall für die Milch­kü­he, er­hielt die Hof­an­la­ge ei­nen klei­nen Schwei­ne- und ei­nen Hüh­ner­stall. Die­se Tie­re dien­ten aus­schlie­ß­lich dem Ei­gen­be­darf der Fa­mi­lie an Fleisch und Ei­ern. In ei­nem klei­nen Nutz­gar­ten wur­den Ge­mü­se, Obst und Kräu­ter ge­zo­gen und ei­ni­ge Ka­nin­chen un­ter­ge­bracht, die eben­falls für den Ei­gen­be­darf der Haus­be­woh­ner ge­hal­ten wur­den. Ne­ben Wohn­haus und Stall­trakt wur­de auch ei­ne Lohn­sä­ge­rei er­rich­tet, die im Ne­ben­er­werb bis in die 1960er Jah­re be­trie­ben wur­de. Die Hof­an­la­ge war um­ge­ben von ins­ge­samt rund 5 ha Wei­de­flä­chen für die Milch­kü­he, die die meis­te Zeit des Jah­res drau­ßen blie­ben und sich vom fri­schen Gras und Kräu­tern er­nähr­ten.

Von einer Generation zur Nächsten

Ehemaliger Kälberstall des Milchbetriebs Schmitz, Hellenthal-Udenbreth 2016.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Nach sei­ner Rück­kehr aus dem Zwei­ten Welt­krieg über­nahm ei­ner der Söh­ne des Gro­ßva­ters den Milch­be­trieb, Letz­te­rer blieb je­doch – zu­sam­men mit sei­ner Frau – wei­ter­hin auf dem Hof woh­nen und pack­te über­all mit an. Auch die bei­den Kin­der der Fa­mi­lie – die nun­mehr drit­te Ge­ne­ra­ti­on auf dem Hof – hal­fen bei vie­len an­fal­len­den Ar­bei­ten mit. Die An­zahl der Milch­kü­he wur­de auf 30 er­wach­se­ne Tie­re auf­ge­stockt. Da­zu kam Jung­vieh, das in ei­nem se­pa­ra­ten Käl­ber­stall auf­ge­zo­gen und spä­ter ver­kauft wur­de.

Auf dem neusten Stand der Technik

Milchkammer mit Absauganlage der ehemaligen milchwirtschaftlichen Hofanlage Schmitz, Hellenthal-Udenbreth 1990.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

In den 1970er Jah­re er­folg­te der Ein­bau ei­ner neu­en Ab­saug­an­la­ge mit mo­der­nen, leis­tungs­star­ken Mo­to­ren, im Zu­ge des­sen ver­leg­te man die Milch­kam­mer in ei­nen hin­te­ren, neu er­rich­te­ten Ge­bäu­de­trakt. Im durch den An­bau hin­zu­ge­won­ne­nen Raum wur­de zu­dem ein zwei­ter Kuh­stall ein­ge­rich­tet, und in der al­ten Milch­kam­mer ei­ne Ge­trei­de­müh­le auf­ge­stellt, de­ren Trich­ter über ein Rohr ver­füg­te, das ei­ne di­rek­te Ver­bin­dung zum dar­über lie­gen­den Heu­bo­den her­stell­te. Das Sys­tem der Milchab­saug­an­la­ge be­fand sich zu die­ser Zeit auf dem neus­ten Stand der Tech­nik und wur­de häu­fig von an­de­ren Land­wir­ten aus der Ge­gend be­sich­tigt. Die Schläu­che reich­ten von den Melk­gän­gen des be­nach­bar­ten Kuh­stalls bis in die Milch­kam­mer, wo die frisch ge­mol­ke­ne und au­to­ma­tisch ge­kühl­te Milch di­rekt in Kan­nen und in den spä­te­ren Jah­ren in grö­ße­re Kunst­stoff­sam­mel­be­häl­ter um­ge­füllt wer­den konn­te. Die Milch wur­de al­le zwei Ta­ge von ei­nem Tank­wa­gen der Mol­ke­rei – erst aus Kall, dann aus Hil­le­s­heim, zu­letzt aus Brons­feld – ab­ge­holt.

Kuh- und Kälberhaltung

Be­fan­den sich die Kü­he nicht auf ei­ner der um­lie­gen­den Wei­den, wur­den sie im Stall mit Hil­fe ei­ner An­bin­de­vor­rich­tung aus Ei­sen ge­hal­ten. Die­se Art der Fi­xie­rung war bis vor we­ni­gen Jah­ren flä­chen­de­ckend üb­lich, wenn auch we­nig art­ge­recht. Un­mit­tel­bar vor den An­bin­de­ei­sen ver­lief im Bo­den ei­ne halb­run­de, ge­mau­er­te Fut­ter­rin­ne quer durch den Raum, in der Heu und Kraft­fut­ter für die Tie­re auf­ge­schich­tet wer­den konn­ten. Was­ser er­hiel­ten sie über fla­che Ei­sen­scha­len, die in re­gel­mä­ßi­gen Ab­stän­den an der An­bin­de­vor­rich­tung be­fes­tigt wa­ren. Ei­ne wei­te­re Bo­den­rin­ne hin­ter den Tie­ren dien­te zum Auf­fan­gen des Mis­tes und der Gül­le, die durch ei­ne Klap­pe in der Wand au­to­ma­tisch nach drau­ßen ab­trans­por­tiert wur­de. Di­rekt ne­ben dem Kuh­stall, über ei­nen of­fe­nen Durch­gang mit­ein­an­der ver­bun­den, be­fand sich der Stall für die Käl­ber, die die Fa­mi­lie eben­falls in An­bin­de­hal­tung hielt. Der Heu­bo­den, der sich über der ge­sam­ten Flä­che der Stall­an­la­gen er­streck­te, war über ei­ne Lei­ter er­reich­bar. Dort trock­ne­te das auf den ei­ge­nen Wie­sen und Fel­dern er­zeug­te Heu für die Tie­re, das seit 1974 von au­ßen über ein gro­ßes Ge­blä­se hoch­ge­pumpt, und über ei­ne Schie­ne re­gel­mä­ßig im Raum, auf gro­ßen Holz­git­tern, ver­teilt wur­de.

Das Ende der Milchwirtschaft

Ein Bauer beim Melken einer Kuh mit tragbarem Melkgeschirr auf der Hofanlage Schmitz, Hellenthal-Udenbreth 1990.

Das En­de der Milch­vieh­hal­tung auf dem Hof wur­de 1990 mit dem Ru­he­stand der zwei­ten Ge­ne­ra­ti­on, die den Be­trieb seit dem En­de des Zwei­ten Welt­krie­ges ge­führt hat­te, ein­ge­läu­tet. Wie bei vie­len land­wirt­schaft­li­chen Klein­be­trie­ben, war kei­nes der Kin­der, die in­zwi­schen Fa­mi­li­en ge­grün­det hat­ten und in ei­ge­ne Häu­ser um­ge­zo­gen wa­ren, be­reit, den Hof zu über­neh­men. Die Milch­wirt­schaft war schon län­ge­re Zeit kaum mehr ren­ta­bel und so en­de­te das land­wirt­schaft­li­che Ka­pi­tel in der Ge­schich­te der Hof­an­la­ge. Al­le noch ver­blie­be­nen Tie­re wur­den ver­kauft und der Va­ter ver­wirk­lich­te sich ei­nen lang­ge­heg­ten Traum: er rich­te­te sich in ei­nem der ehe­ma­li­gen Kuh­stäl­le ei­ne Hob­by-Schrei­ner-Werk­statt ein. Bis zu sei­nem Tod im Jahr 2012 stell­te er dort Mö­bel, Spinn­rä­der so­wie Tü­ren und Fens­ter­rah­men für sei­ne Fa­mi­lie und Freun­de her.
2016, nach dem Ver­kauf der Hof­an­la­ge an die neu­en Be­sit­zer, über­nahm das LVR-Frei­licht­mu­se­um Kom­mern ei­ni­ge Tei­le der Aus­stat­tung des ehe­ma­li­gen Milch­be­trie­bes. Der Zu­stand des Ho­fes im Um­bau, des­sen Ent­wick­lung und En­de bei­spiel­haft für zahl­rei­che an­de­re, eher klei­ne Fa­mi­li­en­be­trie­be steht, wur­de durch ei­ne Fo­to­do­ku­men­ta­ti­on fest­ge­hal­ten.

Zurück nach oben