Das vielleicht berühmteste literarische Denkmal hat Ottfried Preußler ihr gesetzt: Der Kaffeemühle. In dem Kinderbuch „Der Räuber Hotzenplotz“ stiehlt ebenjener, Kasperles Großmutter ihre geliebte Kaffeemühle. Diese ist etwas ganz besonderes, denn sie kann – neben Kaffebohnen mahlen – „Alles neu macht der Mai“ spielen und war ein Geschenk von Kasperle und seinem Freund Seppel. Kaffeemühlen waren um 1900 fast in jedem Haushalt zu finden, auch wenn sie keine Melodien spielen konnten: Kaffee war zu dieser Zeit vom ehemals hochwertigen Luxusgetränk adeliger Schichten zu einem zwar teuren, zu besonderen Anlässen aber durchaus verbreiteten Getränk avanciert. Die aufwändigen Dekors an den Kannen verwiesen auf die immer noch hohe Wertigkeit des Kaffees, der in feinem Porzellan am Tisch serviert wurde.
Die Kaffeezubereitung bedingt den Kaffeegeschmack
Der Kaffee schmeckte im Vergleich zu den heutigen Varianten oft bitter, denn bis weit ins 20. Jahrhundert hinein kaufte man die ungerösteten Kaffeebohnen beim Kaufmann. Zuhause wurde dann selbst geröstet und gemahlen. Hierfür gab es spezielle Hilfsmittel, wie etwa eiserne Röstpfannen für den Herdplatteneinsatz, deren Deckel sich zum Einfüllen der Kaffeebohnen mit Scharnieren öffnen ließ. Vor allem das Rösten erforderte Geschick und Können, denn auf den um 1900 verbreiteten Sparherden, die mit Holz oder Kohle befeuert wurden, ließ sich die Temperatur nur ungefähr regulieren, was dazu führte, dass der Kaffee oft verbrannt schmeckte. Auch die Zugabe bzw. alleinige Nutzung von Ersatzkaffee, hergestellt etwa aus der Wurzel der Wegwarte, um den durch die langen Transportwege vor allem im ländlichen Raum teuren und raren Bohnenkaffee zu strecken, verbesserte den Geschmack kaum.
Spezielle Dosen aus Porzellan oder emailliertem Blech, die den Ersatzkaffee bevorrateten zeigen die weite Verbreitung der Kaffee-Surrogate. Sowohl die Vorratsdosen für Kaffee als auch jene für Kaffeeersatz waren Teile von ganzen Sets an industriell oder halbindustriell hergestellten Dosen, die im gleichen Dekor auch Gries, Mehl oder Gewürze aufbewahrten – der Kaffee war also so weit im Massenkonsum angekommen, dass er in der Vorratshaltung selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Auch bei den Kaffeemühlen war die Varianz der Gestaltung groß: einige waren speziell zur Befestigung an der Wand gedacht, andere hatten verstellbare Mahlwerke und wieder andere waren aufwendig bemalt. Das in der mechanischen Kaffeemühle gemahlene Pulver wurde mit heißem Wasser überbrüht. Beim Ausschenken stellte das Zurückhalten des Kaffeesatzes über lange Zeit eine große Herausforderung dar. Verschiedene Kaffeekannenformen – wie etwa auch die Dröppelminna – und Kannen mit hohem Ausgussansatz wurden entwickelt, um den Satz zurückzuhalten und den Kaffeegenuss zu verbessern. Die Revolution in der Kaffeezubereitung kam erst 1908, als Melitta Bentz Kaffeefilter und des Filterpapier erfand und das Pulver nun zurückgehalten werden konnte, indem das heiße Wasser durch Kaffeepulver in einem Filter geführt wurde und der Kaffeesatz somit im Filter verblieb.
Kaffee im Mahlzeitensystem
Mit dem billigeren Preis der Kaffeebohnen hatte Kaffee um die Jahrhundertwende das gesamte Mahlzeitensystem beeinflusst: Kaffee als Wachmacher-Getränk zum Frühstück, als Pausengetränk der Arbeiter in den Fabriken oder der Bauern auf dem Feld, das in Thermoskannen transportiert werden konnte oder als Freizeitgetränk beim nachmittägliches Kaffeklatsch oder Picknick. Kaffee war nun in allen sozialen Schichten, geschlechterübergreifend und zu jeder Tageszeit konsumierbar. Dies hat sich auch heute nicht geändert. Die Zubereitung des Kaffees ist jedoch bedeutend einfacher geworden.
Elektrifizierung der Kaffeezubereitung
Die Elektrifizierung der Haushalte, die vor allem in ländlichen Regionen erst in den 1950er Jahren flächendeckend abgeschlossen war, brachte neue, nun elektrisch betriebene Geräte zur Kaffeezubereitung hervor: Der Aromator – Kaffemaschine und Kaffeekanne aus Porzellan zugleich - ist Beispiel hierfür. Besonders die elektrischen Automaten setzten sich durch, denn nach dem Einfüllen von Wasser, einem Filterpapier und der gewünschten Menge Kaffeepulver musste nur ein Kopf gedrückt werden, schon wurde das Wasser durch den Filter geleitet und in einer Kanne auf einer Warmhalteplatte gesammelt. Diese Form hat sich bis heute erhalten. Obwohl es seit den 1950er Jahren bereits abgepackten und gemahlenen Kaffee in den Regalen der Supermärkte zu kaufen gab, hielten viele Familien daran fest, die Kaffeebohnen in der eigenen Küche zu mahlen. Auch die Kaffeemühle war nun elektrifiziert und erfreute sich vor allem in den Küchen des Mittelstandes großer Beliebtheit. Seit den 1980er Jahren wurden die Bohnen zunehmend gemahlen gekauft.
Kaffee als Symbol
Durch Prozesse der Globalisierung wurden Kaffeebohnen immer billiger, der Kaffeekonsum stieg. Heute trinkt jeder Deutsche im Durchschnitt rund 150 Liter Bohnenkaffee, wozu vor allem auch die Coffee-to-go-Bewegung beitrug. Kaffee wurde vor allem seit den 1980er Jahren auch zum Symbol für unfairen Handel und Ausbeutung damals so genannter „Dritte-Welt-Länder“, dem durch fair gehandelten Kaffee entgegen getreten werden sollte. Der „richtige“ Kaffeekonsum transportierte so gleichzeitig eine politische Botschaft und wurde zum Symbol der „Eine-Welt-Bewegung“. Durch Prozesse der Migration und Globalisierung wurde der Kaffe in Deutschland aber vor allem variantenreicher: Vermeintlich „typische“ italienische Kaffeesorten wie Cappuccino, Latte macciato oder Espresso bringen durch Kaffeevollautomaten, in denen die Kaffeebohnen wieder frisch gemahlen werden, das Urlaubsgefühl in die heimischen Wohnzimmern. Die Kaffeemühle, die im Räuber Hotzenplotz eine so prominente Rolle einnimmt, gibt es so auch heute – wenn auch in veränderter Form und aus anderen Gründen – noch immer.