Reklame ist keine Erfindung des 19. oder gar 20. Jahrhunderts. Vielmehr ist die öffentliche Präsentation einer Ware seit jeher Teil des Verkaufsprozesses. Doch erreichte sie in den letzten 200 Jahren durch die Verbreitung und immer intensivere Nutzung von massenmedialen Kommunikationsmitteln eine immer größere kommerzielle Bedeutung.
Frühe Werbestrategien
Erste Werbeexperimente lassen sich bereits um 1820 in französischen Zeitungen beobachten. In Deutschland etablierten sich Annoncen und Inserate spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Gründung sogenannter Annoncenspeditionen, den Vorläufern heutiger Werbe- und PR-Agenturen. Werbedias und Werbefilme liefen bereits vor dem Ersten Weltkrieg in den Lichtspielhäusern des Kaiserreichs, erste Werbespots testeten Unternehmen 1924 im aufstrebenden Medium Radio. Die Werbetreibenden erkannten früh die Bedeutung einer bewusst gesteuerten Produktwahrnehmung im Kontext rasch wachsender, anonymer Kundenkreise. Erstmals wurden nun genau definierte Zielgruppen anhand von Qualitäts- und Preisversprechen innerhalb der Werbung in den Fokus genommen. Gleichzeitig sollten individuelle Produktformen, wie die 1916 erstmals befüllte Coca Cola-Flasche, oder besondere Produktgestaltungen, wie das 1909 erstmals geklebte Etikett der Maggi-Flasche, den Wiedererkennungswert der jeweiligen Marke fördern.
Wohlstand führt zu vermehrter Werbung
Mit der Währungsreform im Jahr 1948 und dem beginnenden deutschen Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren stieg die Warenauswahl in den Geschäften deutlich an. Auf befriedigte Bedürfnisse an Nahrungsmitteln, Kleidung und Hausrat folgten ab 1960 Massenmotorisierung, Reisedrang und der Wunsch nach einem Eigenheim als deutlichste Symbole einer neuen Wohlstandsgesellschaft. Werbung wurde nun allgegenwärtig, ab 1956 auch im noch neuen Medium Fernsehen. Erneut veränderte sich nun das beworbene Warenbild. In den aufkommenden Selbstbedienungsläden entschieden die Kundin und der Kunde ohne Beratung des Verkaufspersonals über den Einkauf. Farbenprächtige Verpackungen und illustrierte Serviervorschläge sollten vom Produkt überzeugen. Mit der Elektrifizierung des Haushalts wurden erstmals auch gezielt Haushaltsgeräte wie Küchenmaschinen, Kühlschränke zur Vorratshaltung und Staubsauger zur Reinigung der Wohnräume beworben. Die Umsetzung orientierte sich bewusst am Zeitgeist und griff gezielt aktuelle Entwicklungen wie die Emanzipation der Frau auf.
Sammelbilder und Gratisgaben als Kundenbindung
Neben direkten Werbeformen entwickelten sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erste Ansätze einer gezielt gesteuerten Kundenbindung. Im Alltagsleben um die Jahrhundertwende nahmen Sammelbilder und zugehörige Sammelalben insbesondere für Kinder und Jugendliche eine herausragende Stellung ein. Allein die sogenannten Liebigbilder, kostenlose Beilagen beim Kauf von Liebig’s Fleischextrakt, kamen bis zum Jahr 1940 auf über 1.800 Serien mit etwa 11.500 Motiven in 12 Sprachen. Einzelne Reihen erhielten Auflagen in Höhe von bis zu drei Millionen Bildern. Auch Firmen wie Stollwerck oder Marken wie Palmin nutzten das Sammelkonzept als frühen Werbeträger. Für kleinere Unternehmen entstanden Kaufmannsbilder, die mit einem Geschäftsstempel versehen und an Kunden verteilt wurden. Ab 1920 nahmen Zigarettenproduzenten und ab 1950 Margarinehersteller dieses Marketinginstrument auf. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich Märchenmotive, Geschichtsdarstellungen und Portraits zeitgenössischer Filmstars. Noch heute arbeiten große Supermarktketten mit identischen Konzepten zur Kundenbindung. In den Bereich des Merchandise fällt die direkte Ausgabe von Gratisproben und kostenlosen Werbegaben mit aufgedruckten Firmenemblems und Markennamen, wie etwa Fähnchen, Kappen oder Werbekalender. Produkte wie Flaschenöffner oder Verschlusskappen lassen sich kostengünstig produzieren und tragen den Markennamen in die deutschen Küchen. Auch Kochbücher und Rezepthefte wurden neben den Rezepten für Gerichte früh für Werbezwecke genutzt. Henriette Davidis veröffentlichte bereits 1870 einen Band mit über 100 Rezepten für Liebig’s Fleischextrakt. Unternehmen wie Dr. Oetker oder Pfanni griffen diese Idee verstärkt in den 1950er und 1960er Jahren auf. Heftchen mit Titeln wie „Osterfreuden – Neue Rezepte aus der Dr. Oetker Versuchsküche“, „Zum Picknick ins Grüne“ des Rezeptdienstes Delikat oder das „Kochbuch für Nordsee-Krabben“ der Deutschen Krabbenverwertungsgesellschaft fanden zehntausendfache Abnehmerinnen und Abnehmer. Selbst Interessensgruppen wie der Verein zur Förderung des Milchverbrauchs e.V. engagierten sich mit kostenlosen Broschüren.
Weiterführende Literatur
Ciolina, Erhard & Ciolina, Evamaria: Reklamebilder und Sammelalben. Augsburg 1995.
Ciolina, Erhard & Ciolina, Evamaria: Das Reklamesammelbild – Sammlerträume. 2 komplett überarbeitete und erweiterte Auflage. Regenstauf 2017.