Spielplätze sind selbstverständlicher Teil der Lebenswelt unserer Kinder. Doch handelt es sich dabei um ein relativ junges Phänomen und Rutsche, Schaukel und Klettergerüst verändern sich kontinuierlich weiter und transportieren so gesellschaftliche Werte.
Die Erfindung der Spielplätze
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die Straße – ob in der Stadt oder im ländlichen Raum – Mittelpunkt des kindlichen Spiels. Gespielt wurde dort, wo Platz war: vor dem Haus oder auf den teils noch unbefestigten Straßen und Wegen. Die Gärten waren in der Regel Nutzgärten und eigene Kinderzimmer mit Spielsachen als Rückzugsraum setzten sich erst Mitte des 20. Jahrhunderts langsam durch. Bei Wind und Wetter war die Straße Erlebnis- und Aktivitätsraum. Bewegungsspiele wie Fangen, Seilspringen oder Ballspiele wurden draußen gespielt, im Winter fuhren die Kinder mit Schlitten durch die Straßen und bauten Schneemänner. Eine Kindheit auf der Straße war für viele Generationen Realität und Normalität. Spielplätze sind eine Erfindung der Moderne und eng mit der Aufklärung und dem Entstehen von pädagogischen Konzepten und der Wahrnehmung von Kindheit als eigene Lebensphase verknüpft. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand mit der Reformpädagogik ein geistesgeschichtliches Konzept, das sich ganz der Erziehung widmete und das Kind als selbstständiges, individuelles Wesen begriff, das mit eigenständigen Aktivitäten zur Selbsttätigkeit geführt werden sollte. Kinder sollten, so die Grundidee, ganzheitlich wachsen und reifen können und dazu gehörte, neben der kognitiven Bildung, auch körperliche Betätigung. In diese, gesellschaftlich aufgeweckten, Zeiten fielen auch die ersten Ansätze zur Etablierung von Spielplätzen. Die aus den USA kommende Playground-Bewegung gab hier wichtige Anstöße. Vor dem Hintergrund der Urbanisierung wurden die Forderungen nach Plätzen zum Spielen auch in Europa hörbarer. In Deutschland hatte sich 1891 der Zentralausschuss zur Förderung der Jugend-und Volksspiele in Deutschland gegründet, der sich für eine flächendeckende Installation von Spielplätzen einsetzte. Auf diesen ersten Spielplätzen gab es auch Sandkästen, Rutschen und Klettergerüste, Hauptelement sollten jedoch Freiflächen zum Bewegungsspiel sein. Spielplätze sind zunächst vor allem ein urbanes Phänomen, erst später sollten sie auch den ländlichen Raum erobern.
Spielplätze in der Freizeitgesellschaft
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Spielplatz-Thema schnell wieder aktuell. Städte waren zerstört, Parks und Freiflächen lagen in Schutt und Asche und schienen zum Spielen nicht mehr geeignet. Beengter Wohnraum förderte das Draußen-Spiel auf der Straße. Neben der schnellen Bereitstellung von Wohnraum wurden bald auch Überlegungen angestellt, wie die Städte lebenswerter gemacht werden könnten. Es mussten also Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vor allem auch für Kinder geschaffen werden. Spielplätze waren hier eine Option und fanden immer stärkere Berücksichtigung bei Stadtplaner*innen, Architekt*innen und Bauverantwortlichen. Sie sollten unmittelbar im Wohnumfeld verortet sein, kurze Wege und der Spielplatz vor der Haustür waren Leitgedanken.
Spielplätze und ihre Ausgestaltung folgen auch immer den Moden ihrer Zeit und sind Ausdruck gesellschaftlicher Wandlungsprozesse. Sehr deutlich wird dies durch das Spiel mit der Materialität – sowohl von Spielgeräten als auch der Umgebung. Dominierten zunächst Stahlrohrgeräte die Szenerien, wurde seit den 1950er Jahren vermehrt Plastik als innovativer, moderner Werkstoff eingesetzt und die Spielskulptur als neues, die Spielkreativität förderndes Element entdeckt. Überhaupt nahm die Diskussion um „richtiges“ Spiel zu, sind Spielplätze doch in ihrer Gestaltung immer ambivalent. Einerseits schaffen sie Nischen, Freiräume zum kindlichen Spiel inmitten von Straßen und Häuserschluchten, andererseits sind diese Räume begrenzt und durch ihre innere Ausgestaltung auch beschränkt. Die Spielgeräte eröffnen Spiel und beengen es sogleich. Vor allem seit den späten 1960er Jahren bildeten sich immer mehr Bürgerinitiativen, die anderes, kreativeres und offeneres Spiel für ihre Kinder wünschten und so entstanden auch neue Formen von Spielplätzen, die stärker auf natürliche Materialien, auf Wasser, Matsch und Erde setzten. Seit Ende der 1990er Jahre rückten mit dem Aufkommen der Eventgesellschaft neue Formen des Spiels in den Fokus. Vermehrt entstanden Indoor-Spielplätze nach amerikanischem Vorbild - Hallen mit besonderen Attraktionen wie bunten Bällebädern, riesigen Klettertürmen und imposanten Hüpfburgen. Autoscooter und Karussells ergänzen das vielfältige Angebot – das kunterbunte Erlebnis für alle Sinne.
Und heute?
Heute sind Spielplätze im kindlichen Alltag fest verankert. Gerade in urbanen Räumen sind sie omnipräsent. Während der Pandemie standen sie stark im medialen Fokus. Ihre Schließung wurde zum Symbol für die Einschränkungen während des Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020. Bilder von leeren Spielplätzen, abgesperrt mit Flatterband und Gittern, versinnbildlichten die konkreten Auswirkungen der Krise auf das Alltagsleben. Doch bei allen Beschränkungen bringt die Krise auch innovative Ansätze mit sich. Um der Enge des Spielplatzes in Corona-Zeiten zu entkommen und Kindern mehr Raum zu geben, gibt es neue kreative Ideen: Straßen in Spielplatznähe werden zu temporären Spielstraßen und für den Autoverkehr gesperrt. Und so erobern sich in Zeiten der Krise Kinder die Straße zurück, den Raum, der vor der „Erfindung“ von Spielplätzen ihr Ort zum Spielen war.
Literatur
Bilo, Susanne/Döring, Alois/Fadel Ayten u.a.: Die Straße. Schauplatz, Verkehrsweg, Lebensraum. Köln 1987.
Burkhalter, Gabriela: The Playground Project, Zürich 2016.
Hasse, Jürgen: Spielplatz. In: Ders./ Verena Schreiber: Räume der Kindheit, Bielefeld 2019, S. 315-321.
Schmidt-Bonn, F.: Einführung. In: Dragehjelm, Hans (Hrsg.): Das Spielen der Kinder im Sande, Kopenhagen 1909.
Wassong, Stephan: Playgrounds und Spielplätze. Die Spielbewegung in den USA und in Deutschland 1870-1930, Aachen 2007.