Freizeit, als Phase der Nicht-Arbeit, der Regeneration und Erholung ist für uns heute selbstverständlich. Wir füllen diese Zeit mit unterschiedlichsten Aktivitäten und Erlebnisse, je nach Alter und Interessen können wir frei wählen. Die Möglichkeiten haben sich seit den 1950er Jahren vervielfältigt und sind heute nahezu grenzenlos.
„Mich mit Freunden treffen“, „Fußballspielen“, „Spazierengehen“, „Computerspielen“ „ins Kino gehen“, „Gartenarbeit“, „Musik hören“, „Party machen“ – so ähnlich wären wohl häufige Antworten, würde man nach unseren beliebtesten Freizeitbeschäftigungen fragen. Die Zeit, die wir heute selbstbestimmt zur Verfügung haben, in der wir also nicht arbeiten, will genutzt und gestaltet werden und sie wird tendenziell immer länger. Diskussionen um eine Vier-Tage-Woche sind entbrannt, eine ausgewogene „Work-Life-Balance“ ist für viele Arbeitnehmer*innen wichtig und wird, neben Forderungen nach Lohnerhöhungen, auch bei den Tarifverhandlungen der Gewerkschaften immer zentraler.
Von der Agrar- zur Industriegesellschaft
Dies war nicht immer so. Noch bis weit ins 19. Jahrhundert war das Rheinland vorwiegend agrarisch geprägt. Arbeit wurde in erster Linie vom Wechsel der Jahreszeiten, dem Wetter und dem Tag-Nacht-Rhythmus bestimmt. Zeit zur freien Verfügung gab es kaum und wenn, dann folgte auch diese Zeit des Müßiggangs strikten Verhaltensnormen. Erst mit der Industrialisierung, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu fundamentalen Wandlungsprozessen in allen Bereichen der Gesellschaft führte, wuchsen auch im Rheinland Dörfer zu Städten heran, die Arbeit wurde mechanisiert, zunehmend maschinisiert und dadurch getaktet. Nun entstanden genormte Phasen der Nicht-Arbeit, die für Regeneration und Erholung genutzt werden sollten. Arbeiter*innenvereine und Gewerkschaften gründeten sich und setzten Forderungen nach einer Beschränkung der Wochenarbeitszeit langsam durch. Bald gab es vielfältige Angebote der Freizeitgestaltung, ob in Gemeinschaft, in Vereinen oder alleine.
Freizeitkulturen seit den 1950er Jahren
Der Fernseher und später dann Spielkonsolen, Computerspiele, Gameboys und Playstation eroberten die heimischen Wohn- und Kinderzimmer. Das Kinderspiel verlagerte sich von der Straße auf die Spielplätze, die seit den 1960er Jahren flächendeckend entstanden, die Spielwarenindustrie erlebte einen wahren Boom und immer neue Spiele und Spielzeuge für die kindliche Freizeitgestaltung wurden in Massen produziert.
Eine regelrechte Freizeitindustrie bildete sich heraus, die bald auch Veranstaltungen und Events für Jung und Alt lieferte. Nicht mehr die Erholung, sondern das Erleben stand nun im Vordergrund. Auf Kirmes und Jahrmärkten wurden immer neue, spektakulärere Fahrgeschäfte präsentiert, die das emotionale Eintauchen in außeralltägliche Freizeitwelten ermöglichten.
Von der Eventgesellschaft in die Pandemie
In den 1990er und 2000er Jahren spricht man so auch von der Eventgesellschaft, die nach den Maßstäben „schneller, höher, weiter“ funktionierte. Billigflieger, die Erholungssuchende für einen Kurztrip in ferne Welten brachten, sind Ausdruck dieser Sehnsucht. Durch die Corona-Pandemie wurde dieser Trend abrupt gestoppt. Gemeinschaftsstiftende Erholungserlebnisse konnten nicht stattfinden, Spielplätze waren gesperrt und Spazierengehen und Gärtnern wurde zur coronakonformen Freizeitbeschäftigung. Mittlerweile hat sich, dank Impfstoffen, auch unser Alltag wieder normalisiert und das Rad der Freizeitindustrie dreht sich weiter.