Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts besaß die optimale Verwertung von Lebensmitteln aufgrund des ständigen Mangels in breiten Bevölkerungsschichten große Bedeutung. Angebot und Verarbeitung der Produkte erfolgten saisonal und regional. Dank Fortschritten in der Vorratshaltung und Haltbarmachung seit Mitte des 20. Jahrhunderts, konnten verderbliche Lebensmittel länger gelagert und eine Entsorgung von verdorbenen Überschüssen besser verhindert werden. Trotzdem wurde nicht nur immer mehr Verpackungsmüll produziert, sondern auch die Menge an weggeworfenen Lebensmitteln stieg mit dem Wohlstand.
Weniger Selbstversorgung führt zu mehr Abfall
Durch die Industrialisierung und den damit verbundenen Bevölkerungsanstieg in den Städten wuchs die Müllmenge seit Ende des 19. Jahrhunderts stark an. Die damit einhergehenden katastrophalen hygienischen Zustände machten eine geregelte Entsorgung des Abfalls notwendig. 1895 führte Berlin als erste Stadt eine regelmäßige Müllabfuhr ein – zunächst mit einem Pferdewagen. Nach und nach folgten weitere Städte. Im ländlichen Raum spielte Abfall eine weitaus geringere Rolle. Viele Gerätschaften wurden solange repariert oder umfunktioniert, bis sie tatsächlich nicht mehr zu gebrauchen waren. Materialien wurden oft wiederverwertet. Papiermüll konnte noch als Toilettenpapier oder zum Anfeuern der Sparherde genutzt werden. Küchenabfälle und Essensreste wurden an das Vieh verfüttert. In einigen rheinländischen Gebieten existierte nachgerade ein Tauschhandel zwischen den Haushalten und den Schweinezüchtern. In Sinzig wurden bis etwa 1970 bei den Landwirten Kartoffel- und Gemüseabfälle als Schweinefutter abgegeben. Im Tausch erhielten die Haushalte dafür nach der Schlachtung der Tiere Würste und Fleisch. Zur Vorratshaltung oder zum Transport von Lebensmitteln dienten bis in die Nachkriegszeit Mehrwegbehältnisse, wie Vorratstöpfe aus Steingut, Milchkannen oder Henkelmänner, in denen Arbeiterrinnen und Arbeiter ihre bereits daheim bereitete Mahlzeit in die Fabriken mitnahmen. Verpackungsmüll gab es deshalb kaum. Die Behältnisse wurden bis zum Verschleiß genutzt und danach oftmals, wie andere Gebrauchsgegenstände auch, umfunktioniert.
Mit dem Wohlstand wächst das Abfallproblem
In den Wirtschaftswunderjahren wuchs die Menge des Müllaufkommens rapide an. Allein im Laufe der 1950er Jahre verdoppelte sich das Müllvolumen pro Kopf. Fortschritt und Werbung weckten neue Bedürfnisse bei den Konsumenten, auch bei der dekorativen Ausgestaltung der Produkte. Mehrwegverpackungen wurden vielfach durch praktische und hübsch aufgemachte Einwegverpackungen aus Kunststoff ersetzt. Hygiene- und Parfümerieartikel in aufwendigen Schachteln fanden immer größeren Absatz. Daraus resultierte eine starke Umweltbelastung, da die Gemeinden auf solch ein rasches Ansteigen der Müllmengen in hoffungslos überfüllten Abfalltonnen nicht vorbereitet waren und viele „wilde“ Müllkippen entstanden. Mit in Kraft treten des Abfallbeseitigungsgesetzes 1972 ist jeder Haushalt seitdem dazu verpflichtet, seinen Müll durch die Müllabfuhr zu entsorgen. Seit Mitte der 1980er Jahre verschob sich der Fokus von der reinen Mülldeponierung zur Abfallvermeidung bzw. dessen Verwertung. Hieraus resultierte 1991 die Einführung des „Grünen Punktes“ auf Verpackungsmaterialien, die die Wiederverwertung dieser Wertstoffe kennzeichnen sollte. Das System der Mülltrennung hat bis heute Bestand. Doch das System provoziert auch Kritik: Das Mülltrennungssystem sei teuer und kompliziert. Die häufige Zuordnung von Abfallstoffen in die falsche Tonne ist noch immer verbreitet und sorgt für Kritik an der Mülltrennung. Eine hohe Recyclingquote von ungefähr 80 Prozent lässt sich zudem nur bei Altpapier und Altglas erzielen. Hinzu kommt der in Fußgängerzonen und an Wegesrändern achtlos auf die Straße entsorgte Abfall von Passanten, der durch städtische Straßenreinigungen mit erheblichem Kostenaufwand beseitigt werden muss.
Müllvermeidung als Trend
Der Weg führt deshalb zurück zu Strategien, die Müll von vornherein zu vermeiden versuchen. Auf nicht abbaubare Plastikverpackungen und Tüten soll dabei verzichtet werden. Ein Umdenken in der Gesellschaft und eine Rückbesinnung auf die ressourcenschonende Wiederverwertung von Verpackungen und Materialien werden angestrebt. Noch immer werden allein in Deutschland 500.000 Tonnen Brot jährlich weggeworfen, so dass auch eine Rückbesinnung auf die Wertigkeit von Lebensmitteln zunehmend eingefordert wird. Ein aktuelles Phänomen sind nicht nur die so genannten Tafeln, die überzählige Lebensmittel an Notleidende verteilen, sondern auch das „Containern“, bei dem politische Aktivisten ebenso wie Bedürftige in Supermarktcontainern nach verwertbaren Lebensmitteln suchen.