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„In die Röhre geguckt“

Unterhaltungsgeräte erobern die Wohnräume

Grundig, SABA und Telefunken sind Traditionsunternehmen der deutschen Unterhaltungselektronik, mit deren Namen viele Menschen ihre ersten Radio-, Schallplatten- und Fernseherlebnisse verbinden. Vormals eine Rarität, sind Unterhaltungsgeräte heute für die meisten Menschen aus ihren Wohnräumen nicht mehr wegzudenken.

Erste Geräte: Grammophon und Radio

Grammophon, nach 1900
Photo: Suzy Coppens/LVR

Der Ein­zug der Me­di­en in die hei­mi­schen Räu­me be­gann zu­nächst mit dem Gram­mo­phon um 1900 und dem Ra­dio ab 1923. Erst­mals war es nun mög­lich, Ton als ge­spro­che­nes Wort oder Mu­sik zu spei­chern und auch aus der Dis­tanz und zeit­lich ver­setzt zu hö­ren. Zu die­ser Zeit be­saß je­doch nur ein ge­rin­ger Teil der deut­schen Be­völ­ke­rung ein Ra­dio­ge­rät. So be­trug 1926 die Zahl der an­ge­mel­de­ten Rund­funk­teil­neh­me­rin­nen und -teil­neh­mer ge­ra­de ein­mal 1,3 von 62 Mil­lio­nen Deut­schen. Die Kos­ten für das Ge­rät und die Rund­funk­ge­büh­ren hiel­ten vie­le Men­schen von ei­ner An­schaf­fung ab.

Ei­ne stär­ke­re Ver­brei­tung in den Wohn­räu­men er­fuhr das Ra­dio ab 1933, als die staat­li­chen In­ter­es­sen der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Pro­pa­gan­da gal­ten. Mit dem Ra­dio konn­ten po­li­ti­sche An­spra­chen und Nach­rich­ten von der Kriegs­front ge­sen­det wer­den. Zu die­sem Zweck brach­te die Reichs­pro­pa­gan­dalei­tung im Au­gust 1933 ein preis­güns­ti­ges, ein­fa­ches Ra­dio­ge­rät auf den Markt: den Volks­emp­fän­ger. Mit sei­nem fest­ge­leg­ten Preis von 76 Reichs­mark war er et­wa halb so teu­er wie die bis da­hin an­ge­bo­te­nen Mar­ken­ge­rä­te und be­wirk­te, dass die Zahl der Rund­funk­teil­neh­me­rin­nen und -teil­neh­mer von vier Mil­lio­nen 1932 auf zwölf Mil­lio­nen im Jahr 1939 an­stieg.
Nach 1945 kon­zen­trier­te sich das Ra­dio­pro­gramm ver­stärkt auf kul­tu­rel­le An­ge­bo­te wie Kon­zer­te und Opern. Zu­gleich wer­te­te das Ra­dio­ge­rät auch die Woh­nungs­ein­rich­tung auf. Her­stel­ler­fir­men wie Nord­men­de und Grun­dig be­ton­ten dies durch klin­gen­de Ge­rä­te-Na­men wie „Fi­de­lio“ und „Zau­ber­klan­g“.

Zum Ton kommt das Bild: das Fernsehgerät

Zum Sor­ti­ment von Nord­men­de, Blau­punkt und Co. ge­hör­ten aber auch Fern­seh­ge­rä­te. Nach­dem be­reits 1930 in Deutsch­land die Ge­burts­stun­de des ers­ten voll­elek­tro­ni­schen Fern­se­hens ge­schla­gen hat­te, wur­de fünf Jah­re spä­ter in Ber­lin das ers­te re­gel­mä­ßi­ge Pro­gramm der Welt aus­ge­strahlt. Für we­ni­ge Stun­den in der Wo­che gab es Spiel­fil­me und Wo­chen­schau­en zu se­hen; doch war die Zahl der Fern­seh­ge­rä­te in Deutsch­land noch so ge­ring, dass das neue Me­di­um nur ei­ne un­be­deu­ten­de Rol­le spiel­te. Mit Be­ginn des Zwei­ten Welt­krie­ges 1939 leg­te man den auf­stre­ben­den Fern­seh­be­trieb gänz­lich still und nahm ihn erst wie­der 1952 auf. In den fol­gen­den Jah­ren grün­de­ten sich die öf­fent­lich-recht­li­chen Sen­der, die das Pro­gramm im­mer wei­ter aus­bau­ten. Das Fern­seh­ge­rät bot die Mög­lich­keit, wie ein Nord­men­de-Pro­spekt es 1955 aus­drück­te „… das bun­te Welt­ge­sche­hen im be­hag­li­chen Heim auf dem Bild­schirm zu ver­fol­gen.“ Bis zum Fern­seh­ap­pa­rat in al­len deut­schen Haus­hal­ten war es je­doch noch ein lan­ger Weg, denn bis in die 1970er Jah­re be­trug der Preis für ein Fern­seh­ge­rät rund 1000 DM und da­mit mehr als den durch­schnitt­li­chen Mo­nats­lohn ei­nes In­dus­trie­ar­bei­ters.

Kulturelle Folgen

Fernsehgerät mit Drehreglern, 1960er Jahren
Photo: Suzy Coppens/LVR

Die Me­di­en­ge­rä­te in den Wohn­räu­men ver­än­der­ten nach­hal­tig Mei­nungs­bil­dung, Kon­sum­ver­hal­ten und so­zia­les Mit­ein­an­der vie­ler Men­schen. Lag der Schwer­punkt der Me­di­en an­fangs auf In­for­ma­tio­nen, so kon­zen­trier­ten sich die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten auf die Pro­pa­gan­da und ab Mit­te der 1950er Jah­re ge­wann die Wer­be- und Un­ter­hal­tungs­in­dus­trie an Be­deu­tung.

Die Krö­nung Eli­sa­beth II. 1953, die Fuß­ball-WM 1954 und die ers­te be­mann­te Mond­lan­dung 1969 wa­ren in­ter­na­tio­na­le Er­eig­nis­se, de­ren me­dia­le Über­tra­gung ein Ge­mein­schafts­ge­fühl er­zeug­te und oft ta­ge­lang Ge­sprächs­the­ma war. Be­saß man noch kein ei­ge­nes Ge­rät, so traf man sich im Heim von Freun­den oder in der ört­li­chen Gast­stät­te, um das Er­eig­nis zu se­hen. Gro­ße Wir­kung hat­ten auch die als „Stra­ßen­fe­ger“ be­kann­ten Kri­mi­nal­fil­me: Sie wa­ren so be­liebt, dass die Stra­ßen wäh­rend der Sen­de­zeit wie leer­ge­fegt wa­ren.

Mehr Geräte: Schallplattenspieler, Kassetten- und Videorekorder

Seit den 1960er Jahren unveränderte Sitzecke in einem Kölner Wohnzimmer. Neben Sofa, Sesseln, Couchtisch, Schrank und Stehlampe, findet sich auch eine Fernseh- und Stereomusiktruhe. Köln 2001.
Photo: Klaus Dittert/LVR/LVR

Fernseh- und Stereomusiktruhe aus Kirschholz aus den 1960er Jahren. Die Schiebetür gibt die Sicht auf den rechts im Gehäuse untergebrachten Fernseher mit Drehreglern frei. Köln, um 2000.
Photo: Unbekannt/LVR

Ab den 1960er Jah­ren wur­de die Band­brei­te hei­mi­scher Ra­dio- und Fern­seh­ge­rä­te um Schall­plat­ten­spie­ler, Kas­set­ten­re­kor­der und Ton­band­ge­rä­te er­wei­tert, in den 1970er Jah­ren folg­ten Hi­Fi-An­la­gen und Vi­deo­re­kor­der. Mit der Schall­plat­te konn­te Mu­sik un­ab­hän­gig vom Ra­dio­pro­gramm ge­wählt wer­den. Ton­band­ge­rät und Vi­deo­ka­me­ra mach­ten es dann erst­mals mög­lich, selbst Auf­nah­men zu tä­ti­gen.

Die Ge­rä­te be­ka­men ei­nen re­prä­sen­ta­ti­ven Platz in den Wohn­räu­men, be­tont durch das pas­sen­de Mö­bel. Der Hö­he­punkt je­der Woh­nungs­ein­rich­tung war die al­le Ge­rä­te ver­ei­nen­de Mu­sik- oder Fern­seh­t­ru­he. Die vor­mals meist ge­schlos­se­ne Sitz­grup­pe im Wohn­zim­mer öff­ne­te sich zum Fern­se­her hin, der in den Mit­tel­punkt der An­ord­nung rück­te.

Auch in den üb­ri­gen Räu­men ka­men in den fol­gen­den Jahr­zehn­ten mehr und neue Ge­rä­te hin­zu: Ra­dio- und Fern­seh­ge­rä­te nutz­te man ver­stärkt auch in Kü­che, Kin­der- und Schlaf­zim­mer, der CD-Play­er lös­te den Schall­plat­ten­spie­ler ab und der Com­pu­ter, spä­ter mit In­ter­net-An­schluss, er­gänz­te den Be­stand.

Individualisierung des Medienkonsums

Die wach­sen­de Zahl von Un­ter­hal­tungs­ge­rä­ten in den Haus­hal­ten be­wirkt ei­ne In­di­vi­dua­li­sie­rung des Me­di­en­kon­sums. Oft weicht ge­mein­sa­mes Fern­se­hen oder Mu­sik­hö­ren dem Rück­zug je­des Fa­mi­li­en­mit­glieds in ei­nen an­de­ren Raum vor ein an­de­res Ge­rät mit ei­nem an­de­ren Pro­gramm. Erst seit we­ni­gen Jah­ren lässt sich hier­zu ein Ge­gen­trend be­ob­ach­ten: So tref­fen sich zum Bei­spiel Kri­mi- oder Sport­fans wie­der häu­fi­ger pri­vat oder in Gast­stät­ten, um ge­mein­sam ei­nen Film oder ei­ne Sport­über­tra­gung an­zu­se­hen.

Weiterführende Literatur

Gla­ser, Her­mann; Koch, Hans Jür­gen: Ganz Ohr. Ei­ne Kul­tur­ge­schich­te des Ra­di­os in Deutsch­land. Wien, Köln, Wei­mar 2005.

Hepp, An­dre­as; Höhn, Mar­co; Wim­mer, Jef­frey (Hg.): Me­di­en­kul­tur im Wan­del. Schrif­ten­rei­he der Deut­schen Ge­sell­schaft für Pu­bli­zis­tik- und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft, Band 37. Kon­stanz 2010.

Hi­cket­hier, Knut (Hg.): In­sti­tu­ti­on, Tech­nik und Pro­gramm. Rah­men­as­pek­te der Pro­gramm­ge­schich­te des Fern­se­hens. Ge­schich­te des Fern­se­hens in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Band 1. Mün­chen 1994.

Maa­se, Kas­par: Die Schall­plat­te: das Me­di­um der Ju­gend­kul­tur. In: Göß­wald, Udo (Hg.): My­thos Vi­nyl: Die Ära der Schall­plat­te. Ma­ga­zin zur Aus­stel­lung im Mu­se­um Neu­kölln. Ber­lin 2014, S. 64 - 69.

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