Eine Frau auf dem Melkschemel war bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts kein seltenes Bild in den Ställen des Rheinlands. Die Abrahmung der frisch von Hand gemolkenen Milch erfolgte dabei durch bereits industriell produzierte Rahmschüsseln oder Zentrifugen. Butter wurde bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts auf vielen milchviehhaltenden Höfen des Rheinlands sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Handel hergestellt. Im Gegensatz zu heute wurde sie oftmals auf vielfältige Weise mit Verzierungen versehen. Warum und wie wurde im Rheinland so viel Milch produziert?
Rinderzucht und verbessertes Verkehrswesen fördern die Milchwirtschaft
Die gute Milchleistung und -qualität des gezüchteten Glan-Donnersberger Rindes führte Ende des 19. Jahrhunderts im Rheinland zu einem aufstrebenden milchwirtschaftlichen Handel und spiegelte sich in der Gründung und Etablierung von Molkereien und der Bildung landwirtschaftlicher Vereine wider. Vom Aufstieg der Milchwirtschaft profitierten auch angrenzende, regionale Industriegewerbe, wie etwa die Hersteller von Rahmschüsseln in der Eifel. Ein florierendes und handelsfähiges Milchwesen war nur möglich, weil zeitgleich grundlegende Verbesserungen und ein Ausbau des Straßennetzes sowie der Anschluss abgeschiedener Regionen an das Schienennetz erfolgten.
Das wichtigste Handelsprodukt war dabei nicht die Milch selbst, sondern die aus ihr hergestellte Butter, die bereits frühzeitig mit dem Zug bis nach Berlin gehandelt wurde. Auf den Straßen des Rheinlands beherrschten bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die Milchhändler mit ihren Pferdegespannen das Straßenbild, bevor sie ab den 1930er und1940er Jahren von motorisierten Kaufmännern abgelöst wurden. Als ab der Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Aufkommen motorisierter Antriebsmaschinen in der Landwirtschaft die Zugkraft der Glan-Donnersberger Rinder immer seltener benötigt wurde, fokussierte sich die Züchtung auf neue Rassen, bei denen allein die Milchleistung im Fokus stand.
Das Melken von Hand und mit der Maschine
Bis in die Nachkriegszeit war das Melken der Kühe auf den Höfen vielfach noch reine Handarbeit. Zwar experimentierte man in Deutschland bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts versuchsweise mit Melkmaschinen, erste effektive und für die Tiere auch verträgliche Konstruktionen konnten sich allerdings erst in den späten 1920er Jahren durchsetzen. Für die überwiegend kleinbäuerlichen Betriebe im Rheinland waren die Maschinen allerdings zunächst noch zu teuer bzw. nicht rentabel und so blieb das Melken weiterhin eine von Frauen ausgeübte Tätigkeit, während die Männer größtenteils für die Fütterung des Viehbestandes zuständig waren.
Dieses Bild änderte sich in den 1950er Jahren. Bereits 1957 wurden im Kreis Euskirchen knapp drei Viertel aller Kühe mit Hilfe von Melkmaschinen gemolken. Die Maschinen ersetzten nicht nur den Melker, sie verrichteten den Melkprozess auch in kürzerer Zeit. Zudem trugen sie auch zu einer besseren Reinheit der Milch bei. Dennoch waren die Menschen hierbei weiterhin notwendig: sie brachten die Kühe zur Maschine, schlossen sie daran an und kontrollierten den Melkvorgang. Heute gehen die Kühe in vollautomatisierten Ställen von allein in die Melkanlage, wo Sensoren und Robotertechnik ohne weiteres menschliches Eingreifen die Zitzen erfassen und säubern, die Melkbecher anlegen und den Melkvorgang auslösen.
Rohmilch: Die Gefahr des schnellen Verderbens
Milch muss unter einwandfreien hygienischen Bedingungen verarbeitet werden. Zwar ist die frisch gemolkene Milch von gesunden Kühen in einem sauberen Zustand, allerdings ist sie sehr anfällig für Keime und Gerüche. Aus diesem Grund wurde die Milch früher schnell aus dem Stall gebracht und mit einem Milchsieb behandelt. Zunächst verwendete man diese Geräte zum Filtern zusammen mit Leinwandtüchern, die nach dem Gebrauch penibel gereinigt werden mussten, später mit Filtern aus Papier und Watte zum einmaligen Gebrauch, was der Hygiene enorm zuträglich war. Zudem musste man die Milch kühl lagern, um sie möglichst dauerhaft vor Keimen und Bakterien und dem Verderben zu schützen.
Vorindustrielle Produktionsweise: Das Rahmen durch Milchsatten
Da die Milch primär zur Butterproduktion verwendet wurde, musste sie in Rahm und Magermilch getrennt werden. Bei der vorindustriellen Herstellungsweise rahmte die Rohmilch, wenn sie nicht in Holzschüsseln verarbeitet wurde, „von selbst“ in so genannten Milchsatten aus glasiertem Steinzeug oder Ton auf. Da der fetthaltige Anteil der Milch, der Rahm, am leichtesten ist, setzte er sich im ruhenden Zustand an der Oberfläche der Rohmilch ab. Damit das Aufrahmen schnell und effektiv vonstattengehen konnte, mussten die schalenartigen Satten eine niedrige Höhe und eine stark konische Wandung haben, damit das aufsteigende Fett nicht am Rand hängen bleiben konnte. Auch verbesserte eine größere Oberfläche den Aufrahmprozess, zudem blieb die Milch in den Steinzeugschalen auf natürliche Art länger gekühlt. Die Milchsatten wurden vielfach aus der Eifel bezogen, vor allem von der Firma Plein-Wagner aus Speicher, die zwischen 1886 und 1910 etwa eine Million Rahmschüsseln produzierte. Der fetthaltige Rahm verblieb in der Satte und konnte mit einem Abrahmlöffel einfach entnommen werden.
Die industrielle Produktion: Zentrifugen ersetzen die Milchsatten
Im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hielten die ersten kleinen und manuell betriebenen Zentrifugen Einzug in die Bauernhöfe. Mit ihnen konnte, bei gleichbleibender Qualität, ein wesentlich größerer Fettgehalt als bei den Milchsatten gewonnen werden, zudem war die Zeitersparnis immens. Zentrifugen nutzen das Prinzip der Massenträgheit, indem man mit einer Kurbel ein rundes Gefäß mit unentrahmter Rohmilch in eine gleichförmig schnelle Rotation versetzt. Dank der Zentrifugalkraft kommt es zu einer Stofftrennung zwischen dem fetthaltigen Rahm und der fettärmeren Magermilch aufgrund der jeweils unterschiedlichen Dichten. Der abgesetzte Rahm kann nach dem Zentrifugieren einfach von der Milchflüssigkeit abgenommen werden. Die industrielle Produktion von Zentrifugen nahm rasant zu und verdrängte die Milchsatten rasch vom Markt. So gründete sich beispielsweise der noch heute existierende Hersteller von Haushaltsgeräten Miele 1899 als Produzent von Milchzentrifugen. Wie das Melken, so war auch die Arbeit mit der Zentrifuge oftmals eine von den Frauen durchgeführte Tätigkeit. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Handzentrifugen auf den Höfen des Rheinlands im Gebrauch, sofern der Milchverarbeitungsprozess noch dort stattfand und die Milch nicht bereits an eine Molkerei geliefert wurde.
Gestoßen oder Gerührt: Traditionelle Herstellung von Butter im Fass
Der wichtigste Schritt der Butterproduktion – die Trennung des Rahms in Buttermilch und Butter – erfolgte in eigens konstruierten Holzfässern, von denen zwei Grundformen im 19. Jahrhundert dominierten. Die ältere Form des vor allem von lokalen Küfern hergestellten Stoßbutterfasses war bereits um 1900 nur noch in einzelnen Regionen des Rheinlandes anzutreffen. In den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts wurde es auch hier durch die modernere Form des Drehbutterfasses flächendeckend verdrängt. Drehbutterfässer, die es in liegender und in stehender Ausführung gab, wurden schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das industrielle Gewerbe produziert, wie etwa von der Firma Miele, die diese oftmals als „Buttermaschinen“ titulierten Arbeitsgeräte ab 1902 in ihre Produktpalette mit aufnahm. Ab den 1920er Jahren wurden viele Butterfässer mit einem Elektromotor ausgestattet.
Der Prozess des Butterns
Egal, ob man Stoß- oder Drehbutterfässer verwendete, die grundlegende Herstellungsweise der Butter erfolgte nach dem gleichen Prinzip: Man gab den abgesetzten Rahm in das Behältnis und begann mittels des Stößels beim Stoßbutterfass oder durch die manuell oder elektrisch betriebenen Flügel des Drehbutterfasses die fetthaltigen, kleinen Klümpchen zu bearbeiten. Durch das Stoßen bzw. Umrühren wurde die Haut der Rahmkügelchen zerstört, wodurch sich die einzelnen Klümpchen immer stärker zu einer großen Masse verdichteten. Durch das sukzessive Zusammenklumpen veränderten sich die Geräusche beim Herstellungsprozess, so dass eine erfahrene Bäuerin – Buttern fiel in der Regel in den Arbeitsbereich der Frauen – hörte, wann die Arbeit des Butterns beendet war. Dabei war zumal das Buttern mit dem Stoßbutterfass ein kräftezehrender Arbeitsschritt, der bis zu einer Stunde betragen konnte. Im Gegensatz zum Stoß- war die Nutzung von manuellen Drehbutterfässern auf den Höfen nur von kurzer Dauer. Bereits kurz nach ihrer Verbreitung entstanden die ersten Molkereien, an die viele Bauern ihre Milch lieferten, so dass ihre weitere Verarbeitung nicht mehr auf den Höfen, sondern in den zumeist genossenschaftlich ausgerichteten Betrieben erfolgte. Hier übernahmen größere Geräte und schließlich Maschinen die Arbeitsschritte des Rahmens und Butterns.
Vom Kneten, Verzieren und Verpacken der Butter
Am Ende des Butterns hatte sich die dichte Buttermasse auf der Buttermilch abgesetzt. Die Buttermilch wurde entweder auf dem Hof konsumiert, verfüttert oder zu Quark weiterverarbeitet. Die Butter konnte der Selbstversorgung oder dem Handel dienen. Zunächst musste sie aber noch für den Zusammenhalt der Masse mit speziellen Brettern geknetet werden. Hierfür gab man der Butter Wasser sowie Salz für den Geschmack hinzu. Die fertige und vor allem zum Verkauf bestimmte Butter wurde oft in vielfältiger Weise mit Hilfe von geschnitzten Buttermodeln, -stempeln oder -walzen verziert. Zusätzlich zur dekorativen Funktion, dienten manche Motive auch als Marke und konnten Auskunft über den Hersteller der darin hergestellten Butter geben. Bei den Schnitzereien handelt es sich oftmals um Motive aus der Tier- und Pflanzenwelt, die eine Gratwanderung zwischen Zierelementen und Wiedergaben aus der bäuerlichen Lebenswelt darstellen. Die so verzierte Butter wurde anschließend für den Verkauf auf dem Markt oder an einen Händler in Pergamentpapier gepackt. Für den Eigenbedarf hergestellte Butter bewahrte man in Keramiktöpfen auf, der zur längeren Konservierung zusätzlich Salz beigemengt wurde.
Weiterführende Literatur:
Edmund Geisen: Milchsatten und Zentrifugen. In: Arbeitskreis Eifeler Museen (Hg.): Dünnbeinig mit krummen Horn. Die Geschichte der Eifeler Kuh oder der lange Weg zum Butterberg. Meckenheim 1986, S. 144-172.
Sabine Doering-Manteuffel: Milchwirtschaft in der Eifel im Zeitalter der Industrialisierung. In: Helmut Ottenjann / Karl-Heinz-Ziessow (Hg.): Die Milch. Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels. Cloppenburg 1996, S. 277-285.