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„Wie man dann mit 15 angefangen ist, kriegte man ‘nen Blaumann.“

Der Bandweber Walter Abram über sein Leben in der Weberei

Walter Abram, geboren 1952 in Schleswig-Holstein, ist ein ehemaliger Bandweber aus Wuppertal. Seine Lehre absolvierte er bei der Bandweberei Kruse & Söhne in Wuppertal-Unterbarmen. Zwischen 1979 und 1994 war er Angestellter der Firma Gebrüder Jaeger in Wuppertal-Ronsdorf. Bis zum Beginn seiner Altersteilzeit Ende 2012 arbeitete er für die Bandweberei J. H. vom Baur, ebenfalls in Wuppertal-Ronsdorf.

Ausbildung in der Bandweberei

Facharbeiterbrief von Walter Abram, 1970
Photo: Walter Abram/LVR

„1967 bin ich in die Leh­re ge­kom­men. […] Das nann­te sich noch Band­we­ber und man war dann Fach­ar­bei­ter. Man krieg­te dann ei­nen Fach­ar­bei­ter­brief.“ er­zählt Wal­ter Ab­ram über den Be­ginn sei­ner Aus­bil­dung als 15-Jäh­ri­ger bei der Kunst- und Band­we­be­rei Kru­se & Söh­ne. In den Blau­mann, den er zu Lehr­be­ginn als Ar­beits­klei­dung er­hielt, muss­te er erst noch hin­ein­wach­sen, ge­nau wie in die von ihm ge­for­der­ten Auf­ga­ben. Zur Pro­dukt­pa­let­te des Un­ter­neh­mens ge­hör­ten ne­ben klas­si­schen Hut­bän­dern Gar­di­nen­bän­der, elas­ti­sche Bän­der und schwe­re Gurt­bän­der. In den 1960er Jah­ren mach­te die Fir­ma zahl­rei­che Web­ex­pe­ri­men­te, um die Leis­tung der Web­stüh­le zu op­ti­mie­ren und den An­for­de­run­gen an mo­der­ne Pro­duk­te ge­recht zu wer­den. Wal­ter Ab­ram er­leb­te so die Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Pro­duk­te mit. Zu sei­nen Auf­ga­ben als Lehr­ling ge­hör­te zu­nächst das Vor­rich­ten – das Be­stü­cken der Web­stüh­le mit neu­en Fä­den – vor dem ei­gent­li­chen Web­vor­gang, den die Ge­sel­len der Ab­tei­lung aus­führ­ten. Wie Lehr­lin­ge in an­de­ren Be­ru­fen lern­te er durch Nach­ah­mung und Zu­se­hen und wur­de nach und nach mit mehr Auf­ga­ben ver­traut ge­macht, bis er die Tä­tig­kei­ten selbst aus­üben konn­te.

Das Arbeitsleben als Bandweber

Moderner Webautomat im Bandwirkermuseum. Wuppertal-Ronsdorf 2013.
Photo: Sarah Höner/LVR/LVR

Nach sei­ner Leh­re konn­te Wal­ter Ab­ram als Ge­sel­le über­nom­men wer­den. Im Lau­fe sei­ner Tä­tig­keit dort wur­de die Mo­der­ni­sie­rung der Web­tech­ni­ken um­ge­setzt: „Ich hab ja auch die Um­stel­lung er­lebt, von der tra­di­tio­nel­len We­be­rei zur Na­del­tech­nik oder schüt­zen­lo­sen [We­be­rei].“ Ab­ge­se­hen von ei­ner durch ei­ne Auf­trags­flau­te be­ding­ten ein­jäh­ri­gen Un­ter­bre­chung, war er zehn Jah­re lang für Kru­se & Söh­ne tä­tig. Doch En­de der 1970er Jah­re be­kam Wal­ter Ab­ram die wirt­schaft­li­che Kri­se zu spü­ren, die auch die Band­we­be­rei er­fass­te. „‘77 sind die ver­kauft wor­den an den Gold-Zack-Kon­zern und dann muss­te man sich ent­schei­den: Will ich wei­ter Ar­beit ha­ben, dann muss man den Um­zug mit­ma­chen.“ Wie vie­le an­de­re Ar­beit­neh­mer muss­te sich Ab­ram mit ei­ner struk­tur­wan­del­be­ding­ten Um­stel­lung ar­ran­gie­ren, auf die er selbst kei­nen Ein­fluss hat­te. Ab­ram ent­schied sich für den Um­zug mit der Ab­tei­lung von Wup­per­tal nach Mett­mann. Ei­ne Zeit lang ar­bei­te­te Wal­ter Ab­ram ne­ben sei­ner An­stel­lung bei Ja­e­ger für ei­nen Haus­band­we­ber, um ei­nen aus­rei­chen­den Un­ter­halt sei­ner Fa­mi­lie zu si­chern, da sein Ge­halt trotz ei­nes 8-Stun­den-Ta­ges nicht aus­reich­te. „Ich brauch­te Geld, ich hat­te ein Haus ge­kauft und dann fehl­te es und dann hat­te ich da ‘n Ne­ben­ver­dienst als Ket­ten­schä­rer.“ Zu die­ser Tä­tig­keit nahm Ab­ram häu­fig sei­ne Kin­der mit, die so be­auf­sich­tigt wa­ren und ihm ge­le­gent­lich auch zur Hand gin­gen.

Wechsel in die moderne Bandweberei

Tordurchfahrt zur Weberei J. H. vom Baur Sohn GmbH & Co. KG. Wuppertal 2013.
Photo: Sarah Höner/LVR/LVR

Seit 1979 ar­bei­te­te er durch die Ver­mitt­lung ei­nes ehe­ma­li­gen Ar­beits­kol­le­gen wie­der in Wup­per­tal für die Band­we­be­rei Ge­brü­der Ja­e­ger. Die­se mo­dern aus­ge­stat­te­te We­be­rei ar­bei­te­te aus­schlie­ß­lich mit Web­au­to­ma­ten statt mit klas­si­schen Web­stüh­len. Be­son­ders die An­for­de­rung, nun al­le Ar­beits­schrit­te ei­gen­stän­dig aus­zu­füh­ren, be­deu­te­te zu­nächst ei­ne gro­ße Um­stel­lung für Wal­ter Ab­ram: „Man krieg­te dann die Stuh­lan­ga­be […] in die Hand ge­drückt. […] Dann muss man sich ent­spre­chend die Ket­ten ho­len und das hab ich dann al­les ler­nen müs­sen“. Im Ju­li 1994 wech­sel­te Wal­ter Ab­ram sei­ne Stel­le er­neut und fing bei der Fir­ma J. H. vom Baur Sohn in Wup­per­tal-Rons­dorf an. Ne­ben mo­der­nen Na­del­au­to­ma­ten wird hier auf tra­di­tio­nel­le Band­stüh­le mit Schiff­chen­tech­nik zu­rück­ge­grif­fen. Grund für Ab­rams er­neu­ten Ar­beit­ge­ber­wech­sel war der Wunsch nach be­ruf­li­chem Auf­stieg: „Dann muss­te ich mich halt um­se­hen: Wo krieg ich das, was ich ha­ben möch­te? […] Und das kam mir dann auch wie­der zu Gu­te, dass ich selbst­stän­dig ar­bei­te­te.“ Zeit­wei­se über­nahm Wal­ter Ab­ram bei vom Baur die Ab­tei­lungs­lei­ter­ver­tre­tung. Die­se Auf­ga­be be­inhal­te­te ne­ben der Or­ga­ni­sa­ti­on von Be­stel­lun­gen und der Ko­or­di­na­ti­on der ver­schie­de­nen Ab­tei­lun­gen auch die Über­prü­fung der Ar­bei­ten. Auf­grund der jahr­zehn­te­lan­gen Er­fah­rung in der Band­we­be­rei war sei­ne Un­ter­stüt­zung auch bei der Ent­wick­lung neu­er Pro­duk­te ge­fragt. Wäh­rend vie­le sei­ner ehe­ma­li­gen Ar­beits­kol­le­gin­nen und -kol­le­gen we­gen schlech­ter Ar­beits­aus­sich­ten ei­ne Um­schu­lung vor­nah­men, war er bis zum Be­ginn sei­ner Al­ters­teil­zeit En­de 2012 als Band­we­ber tä­tig.

Ehrenamt als Museums-Bandweber im Ruhestand

Walter Abram vor einem Webstuhl im Bandwirkermuseum in Ronsdorf
Photo: Lemmen, Christina/LVR

Bis heu­te en­ga­giert sich Wal­ter Ab­ram eh­ren­amt­lich im Ar­beits­kreis Band­wir­ker­mu­se­um, der in Wup­per­tal-Rons­dorf ein Mu­se­um mit Web­stüh­len aus ver­schie­de­nen Epo­chen be­treibt. Den Be­su­che­rin­nen und Be­su­chern des Mu­se­ums bringt er Ar­beits­wei­se und Le­bens­um­stän­de der Band­we­ber im 20. Jahr­hun­dert nä­her. „[D]adurch, dass ich das ja auch so tra­di­tio­nell noch ge­lernt ha­be, kann ich das auch wei­ter­ge­ben.“, er­läu­tert er sei­ne Auf­ga­be dort. Zu den Be­suchs­grup­pen ge­hö­ren ne­ben Schul­klas­sen vor al­lem Ver­bän­de und Ver­ei­ne. Zu­sätz­lich macht Ab­ram Vor­füh­run­gen des Band­web­stuhls im trans­lo­zier­ten Band­we­ber­haus der Fa­mi­lie Thie­mann im LVR-Frei­licht­mu­se­um Lind­lar. Dort kann er sein Wis­sen über Ar­beits- und Hand­werks­tech­ni­ken der Band­we­be­rei wei­ter­ge­ben und die­se so er­hal­ten.

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