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Beim Aufwachen Christus im Blick

Religiöser Wandschmuck

Religiöse Bildwerke und Erinnerungsgrafik waren insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus keinem Schlaf- und Wohnzimmer wegzudenken.

Religion im Haus

Schlafzimmer im Hof Peters bei der Übernahme durch das LVR-Freilichtmuseum Lindlar, 1987
Photo: Schwarz/LVR

Schlafzimmer im Hof Peters bei der Übernahme durch das LVR-Freilichtmuseum Lindlar, 1987
Photo: Schwarz/LVR

Im Hof Pe­ters hängt über den Bet­ten min­des­tens ein An­dachts­bild, in der Gast­stät­te Rö­mer und im Band­we­ber­haus Thie­mann zie­ren Kon­fir­ma­ti­ons­ur­kun­den die Wän­de von Schlaf- und Wohn­zim­mer. Und auch die Fo­to­do­ku­men­ta­ti­on ei­nes For­schungs­pro­jekts zu dörf­li­chen Wohn-, So­zi­al- und Ar­beits­struk­tu­ren des von der Um­sied­lung durch den Braun­koh­le­ta­ge­bau be­trof­fe­nen Or­tes Lich-Stein­straß zeigt ein Ma­ri­en­an­dachts­bild über dem Bett. Wie man an die­sen Bei­spie­len deut­lich sieht, wa­ren re­li­giö­se Bild­wer­ke ein wich­ti­ger Be­stand­teil länd­li­cher Wohn­de­ko­ra­ti­on.

Druckgrafiken werden populär

Kommunionsurkunde aus dem Jahr 1912
Photo: Coppens, Suzy/LVR

Kommunionsurkunde aus dem Jahr 1951
Photo: Coppens, Suzy/LVR

Die tech­ni­sche Ent­wick­lung im 19. Jahr­hun­dert, ins­be­son­de­re die Er­fin­dung der Li­tho­gra­fie als neue Druck­tech­nik und da­mit die Mög­lich­keit ei­ner un­be­grenz­ten Auf­la­gen­zahl, mach­ten Druck­gra­fi­ken erst­mals für brei­te­re Be­völ­ke­rungs­schich­ten er­schwing­lich. Christ­li­che Kunst­ver­ei­ne grün­de­ten sich und för­der­ten spe­zi­ell die Ver­brei­tung re­li­giö­ser Bild­wer­ke. Be­son­ders be­liebt wa­ren Wandsprü­che, zum Bei­spiel Haus­se­gen, und Kom­mu­ni­on- und Kon­fir­ma­ti­ons­ur­kun­den. Die­se Ter­mi­ne im Le­bens­lauf wa­ren von gro­ßer Be­deu­tung, mar­kier­ten sie doch die Auf­nah­me in die christ­li­che Ge­mein­schaft und den Schritt zum Er­wach­sen­wer­den. Dem­entspre­chend wur­den die Ur­kun­den lan­ge auf­be­wahrt und oft ein Le­ben lang als Wand­schmuck ge­nutzt. Ne­ben re­li­giö­sen In­hal­ten gab es auch ei­ne gro­ße Nach­fra­ge nach pro­fa­nen Bild­wer­ken, wie z. B. An­denken­gra­fi­ken in Form von Ver­eins­di­plo­men und Re­ser­vis­ten­bil­der als Er­in­ne­rung an die Mi­li­tär­zeit. Die Ver­la­ge fo­kus­sier­ten sich auf mas­sen­haft zu pro­du­zie­ren­de, stark idea­li­sier­te Ver­kaufs­schla­ger. Die Bil­der und Text­frag­men­te wa­ren für be­stimm­te An­läs­se vor­ge­druckt und wur­den dann hand­schrift­lich, zum Bei­spiel vom Pfar­rer, mit den Per­so­nal­da­ten er­gänzt. Zum Teil wur­den die glei­chen Mo­ti­ve meh­re­re Jahr­zehn­te lang ver­wen­det, wie Bei­spie­le aus den Jah­ren 1912 und 1951 zei­gen.

Beliebte Motive

Schlafzimmerbild „Jesus und seine Jünger im Kornfeld“, 1920er Jahre
Photo: Coppens, Suzy/LVR

Ne­ben den in­di­vi­dua­li­sier­ten Er­in­ne­rungs­dru­cken zier­ten ins­be­son­de­re re­li­giö­se An­dachts­bil­der mit Chris­tus­dar­stel­lun­gen und Schutz­en­geln Wän­de in Wohn- und Schlaf­zim­mern. Wa­ren die­se Mo­ti­ve so­wohl in evan­ge­li­schen als auch in ka­tho­li­schen Haus­hal­ten ver­brei­tet, konn­ten Ka­tho­li­ken zu­sätz­lich noch aus ei­nem reich­hal­ti­gen Ma­ri­en- und Hei­li­gen­bild­an­ge­bot schöp­fen. Be­son­ders be­liebt bei bei­den Kon­fes­sio­nen wa­ren die so ge­nann­ten „Schlaf­zim­mer­bil­der“, die un­ter die­sem Be­griff erst­mals 1916 im Kunst­han­del er­wähnt wur­den. Das ty­pisch quer­recht­ecki­ge For­mat der Bil­der ent­sprach der Auf­hän­gung über den bei­den Kopf­tei­len der Ehe­bet­ten. Oft wur­den sie vom Mö­bel­han­del pas­send zum Schlaf­zim­mer mit an­ge­bo­ten.

Bedeutungsverlust des religiösen Wandschmucks

Im Flur des Bungalows in Quadrath-Ichendorf hängt auch 1973 ein Kruzifix über der Tür.
Photo: Herbert Reinsch/LVR

In der Mit­te des 20. Jahr­hun­derts führ­te nicht nur ein Be­deu­tungs­ver­lust der Re­li­gio­si­tät für den All­tag der Be­völ­ke­rung zu ei­nem Rück­gang des Ver­trie­bes re­li­giö­ser Bild­wer­ke. Viel­mehr brach­ten auch Ar­chi­tek­tur und De­sign mit Aus­stel­lun­gen und Ver­öf­fent­li­chun­gen zum mo­der­nen Woh­nen fri­schen Wind in die Häu­ser und Woh­nun­gen. Ei­ne of­fe­ne und leich­te In­nen­ge­stal­tung war das neue Ide­al. Über­la­de­ne, nun als kit­schig emp­fun­de­ne Wand­bil­der pass­ten nicht mehr in das Bild der Zeit. Die­se Ent­wick­lun­gen setz­ten auf dem Land je­doch oft erst spä­ter ein, wie die Wand­ge­stal­tung von Hof Pe­ters und im Bun­ga­low Kah­len­busch zei­gen.

Weiterführende Literatur

Deut­sches Land­wirt­schafts­mu­se­um Schloss Blan­ken­hain (Hg.): „An Got­tes Se­gen ist al­les ge­le­gen“. Re­li­gi­on und Fröm­mig­keit im Haus. As­pek­te evan­ge­li­scher Volks­fröm­mig­keit in Mit­tel­deutsch­land. Crim­mit­schau 2012. 

Hof­mann, Lo­thar; Jau­er­nig-Hof­mann, Bir­git; Neu­kum, Mi­chae­la: „Chris­tus im Äh­ren­fel­d“ oder „Die Hu­sa­ren in Vo­ge­r­a“. Po­pu­lä­rer Wand­schmuck aus drei ober­frän­ki­schen Samm­lun­gen. Kro­nach 1990. 

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