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Küchenräume - Esszimmer

Zur Bedeutung der privaten Räumlichkeiten beim Kochen und Essen

Wer isst, der tut das im privaten Haushalt in der Regel in der Küche, dem Esszimmer oder dem Wohnzimmer, manchmal auch in anderen Räumen oder im Freien. Beim Kochen und Essen spielte und spielt die Küche eine zentrale Rolle.

Küchen als Spiegel sozialer Stellung

Bericht von M. S. aus Köln aus dem Jahr 1982: In meiner Kindheit haben wir werktags alle Mahlzeiten in der Küche eingenommen.

Bericht von A. T. aus Strempt in der Eifel aus dem Jahr 1982: „Werktags wurde und wird in der Küche gegessen.“

Die Kü­che ist nicht nur der Raum für das Es­sen und sei­ne Zu­be­rei­tung, son­dern spie­gelt im­mer auch das vor­herr­schen­de Bild von Fa­mi­lie, Rol­len­vor­stel­lun­gen und die ge­sell­schaft­li­che Be­wer­tung der in­vol­vier­ten Ak­teu­re. Die­se Bot­schaf­ten des Rau­mes „Kü­che“ ver­wei­sen auf kul­tu­rel­le Tra­die­rungs- und Wand­lungs­pro­zes­se und ih­re Wer­te­sys­te­me. Die Kü­che bie­tet ne­ben dem Ko­chen auch Raum für an­de­re wich­ti­ge Ele­men­te des All­tags: Kom­mu­ni­ka­ti­on, Er­fah­rung von Ge­mein­schaft, un­ter­schied­li­che Ar­beits­for­men und durch­aus auch Spiel und Spaß. Die Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Koch­stel­le und der da­zu­ge­hö­ri­gen Räu­me war im­mer auch durch wirt­schaft­li­che und tech­ni­sche Ent­wick­lun­gen be­dingt. In den Tei­len des länd­li­chen Rau­mes, in de­nen das Ko­chen über dem of­fe­nen Feu­er bis ins 20. Jahr­hun­dert ver­brei­tet blieb, war auch das Mahl­zei­ten­sys­tem durch die Zu­be­rei­tung in ei­nem ein­zi­gen Topf ge­kenn­zeich­net. Da im Haus meist nur in die­sen so­ge­nann­ten Rauch­kü­chen Wär­me und Licht zu fin­den wa­ren, wur­de die Kü­che als mul­ti­funk­tio­na­ler Ort für al­le Be­lan­ge des Le­bens ge­nutzt und war so­mit das Zen­trum des gan­zen Hau­ses. Cha­rak­te­ris­ti­scher Ein­rich­tungs­ge­gen­stand war ne­ben dem Herd der Kü­chen­tisch, an dem so­wohl vor­be­rei­tet als auch ge­ges­sen wur­de. Erst mit der zu­neh­men­den Tech­ni­sie­rung ent­wi­ckel­ten sich Her­de mit meh­re­ren Herd­plat­ten und es konn­ten Mahl­zei­ten mit meh­re­ren Kom­po­nen­ten zu­be­rei­tet wer­den.

Esszimmer als Zeichen privilegierter Stellung

Maria Thiemann an einem Tisch in ihrer Bandweberei-Werkstatt. Essen und Arbeiten finden am gleichen Platz statt. Wuppertal-Ronsdorf 1985
Photo: Halbach, Josua/LVR

Der re­le­van­tes­te Un­ter­schied bei der Aus­dif­fe­ren­zie­rung der Kü­chen- und Ess­räu­me war je­doch ein so­zia­ler: Wer es sich leis­ten konn­te, rich­te­te ein ge­trenn­tes Ess­zim­mer ein. Die Kü­che wur­de da­bei zum Raum der un­te­ren So­zi­al­schich­ten: in den Kü­chen der Rei­chen und Herr­schen­den ver­rich­te­te die Ar­beit spe­zi­el­les Per­so­nal. Die Haus­frau konn­te am Ess­tisch sit­zen, das Es­sen wur­de von ei­nem Dienst­mäd­chen auf­ge­tra­gen. M. S. aus Köln (geb. 1917) be­rich­te­te aus ih­rem bür­ger­li­chen El­tern­haus: „Spä­ter, mit dem be­ruf­li­chen Auf­stieg mei­nes Va­ters (…) hat­ten wir ein Früh­stücks­zim­mer, in dem wir an je­dem Mor­gen das Früh­stück ein­nah­men, das die Haus­an­ge­stell­te be­rei­tet hat­te. Bei den an­de­ren Es­sen sa­ßen wir am Tisch des Spei­se­zim­mers. (…) Die Haus­an­ge­stell­te trug das Es­sen (…) auf und räum­te auch den Tisch ab.“ Ei­ne sol­che Tren­nung war nur in wohl­ha­ben­den Haus­hal­ten mög­lich. Städ­ti­sche Ar­bei­ter­kü­chen dien­ten als Mul­ti­funk­ti­ons­räu­me, in de­nen ge­kocht, ge­ges­sen, ge­schla­fen, Wä­sche ge­wa­schen und ge­trock­net wur­de; die Kin­der spiel­ten auf dem Kü­chen­bo­den. Auch die Kü­chen der Land­be­völ­ke­rung wa­ren mul­ti­funk­tio­na­le Räu­me, in de­nen ge­kocht, ge­ges­sen und auch ge­schla­fen wur­de. Zwar gab es in der „gu­ten Stu­be“ häu­fig ei­nen wei­te­ren Ess­platz. Die­sen re­prä­sen­ta­ti­ven Raum nutz­te man je­doch sel­ten im All­tag, son­dern nur an Fei­er­ta­gen oder bei wich­ti­gem Be­such. Das be­rich­te­te 1982 auch A. T. (geb. 1917) aus Strempt in der Ei­fel: „Werk­tags wur­de und wird in der Kü­che ge­ges­sen. Sonn- und fei­er­tags am gro­ßen Tisch im ‚Gu­ten Zim­mer‘.“

Vom Wohn- zum Arbeitsraum und wieder zurück

Dreiseitige Einbauküche in U-Form aus Spanplatten mit weißen Arbeitsflächen und orange-gelben Fronten. 1973.
Photo: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Küche mit zwei Herden: links ein Sparherd, rechts ein Gasherd. Beide Herde sind in Benutzung. Lich-Steinstraß 1977.
Photo: unbekannt/LVR

In die­sem Kon­text wur­de die se­pa­ra­te Kü­che im 19. Jahr­hun­dert zu ei­nem Sta­tus­sym­bol des wohl­ha­ben­den Bür­ger­tums, das auch im 20. Jahr­hun­dert er­hal­ten blieb. Die De­si­gner der frü­hen Mo­der­ne stell­ten sich als Ide­al für die mo­der­ne Frau ei­ne funk­tio­na­le Ar­beits­kü­che vor, in der al­les sei­nen Platz ha­ben und die Ar­beits­flä­che glatt und leicht zu rei­ni­gen sein soll­te, wie Mö­bel­ka­ta­lo­ge und Rat­ge­ber emp­fah­len. Es dau­er­te al­ler­dings bis in die 1950er Jah­re, bis sich die Ein­bau­kü­che flä­chen­de­ckend durch­setz­te. Auch ein Ess­zim­mer oder ein Ess­platz im Wohn­zim­mer wur­de für brei­te Be­völ­ke­rungs­schich­ten er­schwing­lich und ge­hör­te zur Op­ti­mal­vor­stel­lung ei­ner ei­ge­nen Woh­nung. In der Re­gel be­stand je­doch ein Un­ter­schied zwi­schen dem All­tags­le­ben und dem Ide­al­bild aus Wer­bung und Mö­bel­ka­ta­lo­gen. Die Auf­nah­me ei­ner Kü­che aus Lich-Stein­straß aus dem Jahr 1977 zeigt das zeit­li­che Ne­ben­ein­an­der von al­ter und neu­er Tech­nik: Trotz ei­nes mo­der­nen Elek­tro­herds wur­de der al­te Spar­herd wei­ter­hin ge­nutzt. Auch die Kü­che im Band­we­ber­haus von Ma­ria Thie­mann be­fand sich aus Platz­grün­den im Flur des Hau­ses. Zwar gab es in ei­nem wei­te­ren Zim­mer auch ei­nen Ess­tisch, der je­doch kaum ge­nutzt wur­de. Das All­tags­le­ben der Fa­mi­lie Thie­mann – auch das Es­sen – fand wie bei vie­len Band­we­ber­fa­mi­li­en in der Werk­statt statt. Schon in den 1970er Jah­ren be­gann ein Boom der Rück­kehr zur so ge­nann­ten Wohn­kü­che: Sie stand für die Auf­he­bung der Iso­la­ti­on der Haus­frau durch die Ab­gren­zung der Kü­che und öff­ne­te den nun grö­ße­ren Kü­chen­raum wie­der für an­de­re So­zi­al­funk­tio­nen. Gro­ßzü­gig ge­schnit­te­ne Wohn­kü­chen mit Ess­be­reich in der Kü­che oder zum Wohn­zim­mer of­fe­ne Kü­chen sind bis heu­te be­liebt, auch wenn oder ge­ra­de weil sich Fa­mi­li­en­struk­tu­ren, Ge­schlech­ter­rol­len und Ar­beits­all­ta­ge deut­lich ver­än­dert ha­ben.

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