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Heißer Muckefuck und kaltes Kölsch

Getränke im Rheinland

Während die Gerichte und Mahlzeiten im Lauf des 20. Jahrhunderts aufgrund der Globalisierung einem radikalen Wandel unterlagen, ist für die Getränke eine größere Konstanz zu verzeichnen. Wie die Speisenzubereitung, war auch das Trinkverhalten auf dem rheinischen Land um 1900 vorrangig durch Selbstversorgung gekennzeichnet und wandelte sich bis zur Jahrtausendwende zu einem globalisierten Angebot.

Wasser als Alltagsgetränk

Mineralwasser-Reklameschild, 1910 - 1929
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Das Was­ser aus Haus- und Dorf­brun­nen war das ge­bräuch­lichs­te Ge­tränk, das so­wohl da­heim als auch auf dem Feld ge­trun­ken wur­de. Zu­ga­ben wie Es­sig, Zu­cker und Na­tron mach­ten aus dem ein­fa­chen Was­ser ei­ne er­fri­schen­de Li­mo­na­de. Be­reits vor 1900 füll­ten ver­schie­de­ne Un­ter­neh­men das auf­grund der hei­mi­schen Geo­lo­gie stark mi­ne­ral­hal­ti­ge Was­ser ab und ver­mark­te­ten es über­re­gio­nal, zu­nächst noch in Stein­zeug­krü­gen, mit Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts ver­mehrt in Glas­fla­schen. Bis heu­te sind rhei­ni­sche Mi­ne­ral­wäs­ser, wie et­wa aus Ge­rol­stein, in ganz Deutsch­land be­kann­te Ge­trän­ke, die mit re­gio­na­lem Iden­ti­täts­be­zug kom­mer­zi­ell be­wor­ben und ver­trie­ben wer­den.

Der Wachmacher: Kaffee

Kaffeemühle mit offenem Trichter und Verzierungen. Anfang 20. Jahrhundert.
Photo: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Wie heu­te gab es auch zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts im ge­sam­ten Rhein­lan­d Kaf­fee z­um Früh­stück und zu an­de­ren Mahl­zei­ten wie dem Nach­mit­tags­kaf­fee. Be­vor je­doch der heiß­be­gehr­te Boh­nen­kaf­fee in den Wirt­schafts­wun­der­jah­ren zum all­täg­li­chen Ge­tränk avan­cier­te, wur­de er zu­vor oft­mals aus selbst­an­ge­bau­ter Gers­te oder Rog­gen ex­tra­hiert und als „Mu­cke­fuck“ be­zeich­net. In Not­zei­ten konn­te man die­sen Malz- bzw. Er­satz­kaf­fee auch aus Zi­cho­rie, Ei­cheln, Buch­eckern oder Lö­wen­zahn auf­brü­hen. Teu­rer Boh­nen­kaf­fee kam höchs­tens am Sonn­tag oder zu be­son­de­ren An­läs­sen, wie Hoch­zei­ten oder Be­er­di­gun­gen, auf den Tisch. In der Re­gel be­rei­te­ten die Haus­frau­en „Mu­cke­fuck“ mit spe­zi­el­len Röst­pfan­nen und Kaf­fee­müh­len selbst zu.

Alkoholische Getränke

Bierflasche, 1900 - 1919
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Auch im Be­reich der al­ko­ho­li­schen Ge­trän­ke spiel­te die Selbst­ver­sor­gung ei­ne wich­ti­ge Rol­le. Brannt­wein und Li­kö­re wur­den häu­fig aus ge­press­ten Obst-Rück­stän­den selbst her­ge­stellt, wie z. B. der am ge­sam­ten Nie­der­rhein ver­brei­te­te „Bee­s“, der aus schwar­zen Bee­ren ge­won­nen wur­de. Der in gro­ßen Korb­fla­schen ge­la­ger­te Brannt­wein galt als ein Män­ner­ge­tränk, das die­se so­wohl zur Stär­kung bei der schwe­ren Feld­ar­beit als auch abends da­heim als Ge­nuss­mit­tel kon­su­mier­ten. Ver­wen­de­te man für Spi­ri­tuo­sen frü­her vor al­lem aus­sor­tier­tes Obst, so ist das Rhein­land heu­te für sei­ne Edel­brän­de be­kannt. Her­ge­stellt wer­den sie in den Frucht­an­bau­ge­bie­ten im Ei­fel­kreis Bit­burg-Prüm so­wie an der Ahr und der Mo­sel. Auch der Wein­bau er­freu­te sich gro­ßer Be­liebt­heit. Bis in das 20. Jahr­hun­dert hin­ein be­le­gen das die ver­schie­de­nen Brauch­ter­mi­ne zum Ab­schluss der Wein­le­se. Wäh­rend an der Mo­sel und am Mit­tel­rhein vor al­lem wei­ße Reb­sor­ten wach­sen, be­fin­det sich an der Ahr das grö­ß­te, ge­schlos­se­ne An­bau­ge­biet für Rot­wein in Deutsch­land. Zu­sätz­lich zum „nor­ma­len“ Wein gibt es im Rhein­land ver­schie­de­ne Va­ri­an­ten, z. B. den aus Äp­feln oder Bir­nen er­zeug­ten, in der Ei­fel und auf dem Huns­rück be­lieb­ten „Vie­z“. Die rhei­ni­schen Bier­sor­ten sind meist ober­gä­rig. Ty­pi­sche Bei­spie­le sind die bei­den re­gio­na­len Sor­ten Kölsch und Alt­bier, des­sen Be­zeich­nung „Al­t“ sich di­rekt auf die al­te, ober­gä­ri­ge Brau­wei­se be­zieht. Wäh­rend zu An­fang des 20. Jahr­hun­derts die länd­li­che Be­völ­ke­rung Fass­bier noch di­rekt im Wirts­haus trank oder von dort in Kan­nen zum so­for­ti­gen Ver­zehr nach Hau­se mit­nahm, ver­kauf­ten Händ­ler in den Städ­ten be­reits Fla­schen­bier. Es konn­te da­heim auf­be­wahrt und kon­su­miert wer­den und lei­te­te so­mit den Über­gang vom Ge­mein­schafts­trin­ken in der Wirts­stu­be in die „ei­ge­nen vier Wän­de“ ein.

Zwei leere Getränkebecher aus Kunststoff mit Strohhalmen stehen auf dem Boden. Bonn 2013.
Photo: Berens, Lara/LVR

Li­mo­na­de, Kaf­fee, Milch, Säf­te, Wein, Bier - die Art der Ge­trän­ke hat sich in den ver­gan­ge­nen hun­dert Jah­ren nicht ver­än­dert, sehr wohl aber die da­hin­ter­ste­hen­de Pro­duk­ti­ons­wei­se. Ge­trän­ke in Te­tra­paks, Do­sen, Glas- und PET-Fla­schen na­tio­nal oder welt­weit agie­ren­der Kon­zer­ne er­set­zen die Er­zeug­nis­se vom ei­ge­nen Hof oder aus der un­mit­tel­ba­ren Re­gi­on.

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