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Schlachter, Metzger und Fleischer

Von der Hausschlachtung zum industriellen Massenschlachtbetrieb

Die Veränderungen des Fleischerhandwerks sind umfassend. Sie betreffen alle Bereiche vom Schlachtvorgang bis zur Vermarktung.

Fleischversorgung durch Hausschlachtung

Metzger beim Wurstverlauf, Kehrig 1958.
Photo: Josef Ruland/LVR

In den länd­li­chen Ge­bie­ten des Rhein­lan­des war die Haus­schlach­tung  bis weit ins 20. Jahr­hun­dert hin­ein vor­herr­schend. Die Schlach­tung vor al­lem der Schwei­ne wur­de von ei­nem Haus­schlach­ter, der zum Schlach­ten der Tie­re von Hof zu Hof kam, durch­ge­führt. Schwei­ne wa­ren – ne­ben Hüh­nern oder Ka­nin­chen – die auf klei­nen und mitt­le­ren Hö­fen gän­gigs­ten Nutz­tie­re. Nur in sel­te­nen Fäl­len wur­den auch Rin­der oder Pfer­de zur Fleisch­ver­wer­tung ge­schlach­tet, die­se wa­ren eher als Zug­tie­re im Ein­satz. Für Schlach­tun­gen vor­ge­se­hen wa­ren auf­grund feh­len­der Kühl­mög­lich­kei­ten die kal­ten Mo­na­te von Ok­to­ber bis März. Le­dig­lich Not­schlach­tun­gen wur­den au­ßer­halb die­ser Schlacht­zei­ten durch­ge­führt. Für die klei­ne­ren Tie­re konn­te das Schlach­ten in der Re­gel selbst er­le­digt wer­den, bei den grö­ße­ren Tie­ren war Hil­fe not­wen­dig.

Das kör­per­lich an­stren­gen­de Schlach­ten, das le­dig­lich mit we­ni­gen Hilfs­mit­teln wie ei­nem Mes­ser, Strick und Auf­fang­be­hält­nis­sen für das Blut durch­ge­führt wur­de, er­fuhr be­reits zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts durch tech­ni­sche Hilfs­mit­tel Er­leich­te­rung. Ent­schei­dend war zu­nächst die Um­stel­lung vom di­rek­ten Tö­ten auf das vor­he­ri­ge Be­täu­ben des Tie­res. Dies hat­te nicht nur zur Fol­ge, dass das Ri­si­ko ei­ner durch Fehl­stich ein­ge­lei­te­ten ver­län­ger­ten Qual des Tie­res ver­rin­gert, son­dern auch, dass die kör­per­li­che An­stren­gung des Nie­der­rei­ßens des Tie­res durch den Metz­ger we­gen der Be­täu­bung hin­fäl­lig wur­de. Nach dem ei­gent­li­chen Tö­tungs­vor­gang muss­te das Tier zu­nächst kom­plett aus­blu­ten, um die Halt­bar­keit des Flei­sches zu ge­währ­leis­ten. Das Blut wur­de in fla­chen Be­hält­nis­sen ge­sam­melt und spä­ter wei­ter­ver­ar­bei­tet. Da­mit es nicht ge­rinnt muss­te es bis zum Ab­küh­len un­un­ter­bro­chen ge­rührt wer­den. Be­son­ders bei Schwei­nen war es üb­lich, vor den wei­te­ren Ar­beits­schrit­ten die Bors­ten mit ei­nem Feu­er zu ent­fer­nen, um auch die Schwar­te ver­wen­den zu kön­nen. Da­nach be­gann das Zer­tei­len des Tie­res. Al­le Tei­le wur­den ge­nutzt und muss­ten zü­gig ver­ar­bei­tet wer­den, um ein Ver­der­ben zu ver­hin­dern. Da­bei war gro­ße Fach­kennt­nis not­wen­dig, um die rich­ti­gen Trenn­schnit­te zu ma­chen und die Där­me nicht zu ver­let­zen. Wäh­rend heu­te vom Bauch her zer­teilt wird, war bei der Haus­schlach­tung ei­ne Zer­le­gung vom Rü­cken her üb­lich, bei der man kei­ne der heu­te be­lieb­ten Ko­te­lett­stü­cke er­hält. Die In­ne­rei­en wur­den eben­falls ver­wen­det, die Darm­häu­te als Wurst­haut ge­nutzt. Ge­hirn, Herz, Nie­ren und Le­ber wur­den di­rekt nach der Schlach­tung zu­be­rei­tet und als De­li­ka­tes­se ver­zehrt.

Nach­dem das Tier hal­biert und sorg­fäl­tig ge­rei­nigt wur­de, muss­te das Fleisch aus­küh­len, be­vor am nächs­ten Tag die Ver­ar­bei­tung er­folg­te. Als Teil der Vor­rats­hal­tung war das selbst­ge­schlach­te­te Fleisch bis in die 1930er Jah­re oft das ein­zig Ver­füg­ba­re und wur­de für das gan­ze oder ein hal­bes Jahr be­vor­ra­tet, so dass der Fleisch­kon­sum ins­ge­samt ge­ring war. Das Schlacht­fleisch und die aus­ge­bein­ten Kno­chen wur­den da­bei ent­we­der ge­pö­kelt, ge­kocht oder zu Wurst ver­ar­bei­tet. Bei Haus­schlach­tung wur­den meist al­le drei Ver­fah­ren an­ge­wen­det, um so ei­ne grö­ße­re Viel­falt an Fleisch­vor­rä­ten zu er­zie­len. Sup­pen­kno­chen, Rip­pen­stü­cke und Bauch­speck lie­ßen sich durch ei­ne Salz­la­ke halt­bar ma­chen. Durch ei­ne di­cke Salz­schicht wa­ren die un­ter­schied­li­chen Fleisch­stü­cke im Fass meh­re­re Mo­na­te halt­bar. Schin­ken­stü­cke wur­den spä­ter aus dem Pö­kel­fass ge­holt und zum Räu­chern über ein Feu­er oder di­rekt zum Trock­nen in den Rauch­fang ge­hängt. In ei­nem Kes­sel wur­den Speck­schwar­ten und In­ne­rei­en ge­kocht. Für das Wurs­ten schlie­ß­lich wur­den die ver­schie­den durch­wach­se­nen Fleisch­stü­cke und klei­ne Tei­le zu­nächst zer­klei­nert, mit Blut, Was­ser und Ge­wür­zen zu ei­nem Brei ver­mengt und nach dem Ein­ko­chen in Där­me ge­füllt, die zu Por­tio­nen ab­ge­bun­den wur­den. Je nach Wurst­sor­te wur­de ein Brei für Le­ber- und Blut­würs­te oder ei­ne Hack­fleisch­mas­se für Brat­würs­te ein­ge­füllt. Nach dem Ab­ko­chen oder An­bra­ten der so ent­stan­de­nen Würs­te wur­den die­se luft­ge­trock­net oder zur La­ge­rung in Stein­töp­fen mit dem Brat­fett und Bauch­schmalz be­deckt. Für ei­ne bes­se­re Halt­bar­keit wur­de ge­ra­de die leicht ver­derb­li­che Le­ber­wurst auch ein­ge­kocht.

Die ver­schie­de­nen Schrit­te der Fleisch­ver­ar­bei­tung nah­men die Ar­beits­kraft al­ler ver­füg­ba­ren Per­so­nen in An­spruch. Der Schlacht­tag war des­halb ein Fest­tag, an dem auch die Nach­barn und die­je­ni­gen, die zum Ge­lin­gen der Mast z. B. durch Lie­fe­rung von Ge­mü­se­ab­fäl­len bei­ge­tra­gen hat­ten, mit Wurst und Fleisch des ge­tö­te­ten Tie­res be­dacht wur­den. Die nächs­ten Nach­barn er­hiel­ten am Fol­ge­tag den so ge­nann­ten Pott­ha­sen, der je­weils ei­ne Sor­te Wurst, ein Stück Bra­ten und ein Stück Rip­pe um­fass­te. Frisch­fleisch kam nur in den ers­ten Ta­gen nach der Schlach­tung auf den Tisch und war des­halb be­son­ders be­gehrt.

Strukturelle Änderungen in der Schlachterei

Bolzenschussapparat, mit dem das Schlachttier vor der Tötung betäubt wird. 1940er Jahre.
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

Das Ver­brin­gen der Tie­re zur Schlach­tung an ei­nen an­de­ren Ort und spä­ter das Ab­lie­fern des zu schlach­ten­den Tie­res und Ab­ho­len der ver­ar­bei­te­ten Stü­cke beim Flei­scher setz­te sich über­wie­gend in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts durch. Seit den 1930er Jah­ren präg­ten wei­te­re recht­li­che Ent­wick­lun­gen die Schlach­te­rei: Ne­ben dem Metz­ger muss­te ein Fleisch­be­schau­er ei­ne Wo­che vor der Schlach­tung das aus­er­wähl­te Tier be­gut­ach­ten. Durch be­reits in der Zwi­schen­kriegs­zeit ein­ge­rich­te­te For­schungs­in­sti­tu­te schritt ei­ne Ver­wis­sen­schaft­li­chung vor­an, mit der ei­ne Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Be­rufs ein­her­ging. Seit den 1960er Jah­ren wer­den zu­dem Fleisch­qua­li­täts­prü­fun­gen durch­ge­führt und ein Schie­ßap­pa­rat wird zur Tö­tung der Tie­re ver­wen­det. Heu­te schlach­ten die we­nigs­ten Flei­scher und Metz­ger selbst, die Auf­ga­ben­tei­lung ver­la­ger­te die­sen Ar­beits­schritt in ei­ge­ne Schlacht­hö­fe.

Verarbeitung und Vermarktung der Produkte mit zunehmender Industrialisierung des Handwerks

Das Wurs­ten in Na­tur­där­men so­wie das Trock­nen oder Pö­keln bzw. Räu­chern des Flei­sches zur Halt­bar­ma­chung war bis in die 1930er Jah­re gän­gi­ge Pra­xis. Die hand­werk­lich ar­bei­ten­den Flei­scher und Haus­schlach­ter führ­ten vor al­lem die Ar­beits­schrit­te des Tö­tens, Zer­le­gens und Wurs­tens aus. Sie hat­ten ne­ben Mes­sern be­reits früh ei­nen Fleisch­wolf im Ein­satz, wel­cher das Zer­klei­nern der Stü­cke für das Wurs­ten ver­ein­fach­te und so viel Zeit er­spar­te. Die Ar­bei­ten wur­den dem­zu­fol­ge lan­ge in rei­ner Hand­ar­beit aus­ge­führt. Zu­neh­mend brei­ter wur­de das Zu­lie­fe­rer­ge­wer­be rund um den Schlacht­vor­gang und die wei­te­re Ver­mark­tung im 20. Jahr­hun­dert: Ne­ben den be­reits zu An­fang des Jahr­hun­derts be­nö­tig­ten Ge­wür­zen, wur­den zu­neh­mend Ma­schi­nen­pro­du­zen­ten, Kunst­darm­her­stel­ler, die Tex­til-, Vieh­fut­ter-, Phar­ma-, Glas-, Weiß­blech- und die Ver­pa­ckungs­in­dus­trie Nutz­nie­ßer der fort­schrei­ten­den Ab­kehr von der Haus­schlach­tung eben­so wie von der hand­werk­li­chen Ver­ar­bei­tung und Ver­mark­tung in Metz­ge­rei­en und der Hin­wen­dung der Kon­su­men­tin­nen und Kon­su­men­ten zu in­dus­tri­el­len Zucht-, Schlacht- und Ver­ar­bei­tungs­be­trie­ben.

Ähn­lich an­de­rer Hand­werks­be­trie­be ist auch das Flei­scher­hand­werk ei­nem ste­ti­gen Kon­kur­renz­druck un­ter­wor­fen: Dis­coun­ter und Su­per­märk­te be­die­nen die Kun­den mit Fleisch aus Mas­sen­be­trie­ben und Groß­schlach­te­rei­en aus dem In- und Aus­land, her­ge­stellt zu bil­li­gen Kon­di­tio­nen oder di­rekt zu Fer­tig­pro­duk­ten ver­ar­bei­tet. Trotz fort­schrei­ten­der Tech­ni­sie­rung ist das Flei­scher­hand­werk auch im in­dus­tri­el­len Groß­be­trieb stär­ker als an­de­re Hand­werks­be­ru­fe wei­ter­hin in vie­len Ar­beits­schrit­ten auf die Aus­füh­rung von Hand an­ge­wie­sen. Doch im­mer mo­der­ne­re Schlacht­ma­schi­nen über­neh­men schlei­chend et­wa das Tö­ten und Zer­le­gen ei­nes Schweins be­zie­hungs­wei­se Groß­schlach­te­rei­en set­zen an­ge­lern­te Saisaon­ar­beits­kräf­te aus Ost­eu­ro­pa ein. Ge­ra­de die Wei­ter­ver­ar­bei­tung des Flei­sches wird in der Fleisch- und Wurst­wa­ren­in­dus­trie grö­ß­ten­teils ma­schi­nell er­le­digt und er­mög­licht so kos­ten­güns­ti­ge End­pro­duk­te.

Es be­ste­hen gleich­zei­tig aber wei­ter­hin hand­werk­li­che Metz­ge­rei­en, die sich vor al­lem mit der Wei­ter­ver­ar­bei­tung und Ver­ede­lung von Schlacht­fleisch be­fas­sen und die­ses in ei­nem ei­ge­nen La­den­lo­kal ver­kau­fen. Ei­ge­ne Re­zep­te und haus­ge­mach­te Pro­duk­te so­wie zu­neh­mend auch Gas­tro­no­mie als Mit­tags­tisch oder aber Fleisch in Bio-Qua­li­tät bin­den die Kun­den, zu­mal das Be­wusst­sein für Tier­wohl in der Be­völ­ke­rung seit dem En­de des 20. Jahr­hun­derts zu­nimmt.

Weiterführende Literatur

Ba­ja, Klaus-Die­ter: Ein Hand­werk im Wan­del. So­zia­le Wirk­lich­keit selbst­stän­di­ger Flei­scher­meis­ter in Fach­ge­schäf­ten als Fo­kus für Pro­gno­sen zu­künf­ti­ger Ent­wick­lun­gen, (Univ. Diss.) Ham­burg 2001.

Heiz­mann, Bert­hold: Die rhei­ni­sche Mahl­zeit. Zum Wan­del der Nah­rungs­kul­tur im Spie­gel lo­ka­ler Be­rich­te (Bei­trä­ge zur rhei­ni­schen Volks­kun­de, Band 7).  ­K­öln 1994.

Sal­vet­ti, Fran­coise/ Büh­rer, Emil M.: Der Metz­ger. Ei­ne Kul­tur­ge­schich­te des Metz­ger­hand­werks, Mün­chen 1988.

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