Skip to main content

Hutbänder, Hosenträger, Taillenbänder

Modebänder als klassische Produkte der Bandweberei

„…Mode. Sie ist der beste Freund, aber auch der schlimmste Feind der Wuppertaler Industrien“. Dieses Zitat aus der „Geschichte der Bergischen Bandindustrie“ charakterisiert die noch Anfang des 20. Jahrhunderts vorherrschende Abhängigkeit der Bandweber und ihrer Produkte von einem alleinigen Absatzmarkt: der Modebranche mit ihren schon damals schnelllebigen Trends, die unweigerlich zu Konjunkturen oder Krisen innerhalb der Bandweberei-Industrie führten.

Modemarkt als Abnehmer der Bandwebereiprodukte

Herrenhut-Bänder, 1920er Jahre.

Zwar ge­hör­ten zu der Pro­dukt­pa­let­te der Band­we­be­rei  um 1900 be­reits ei­ne un­über­schau­ba­re An­zahl ver­schie­den­ar­tigs­ter Bän­der, wie Hut­bän­der, Müt­zen­bän­der, Ho­sen­trä­ger, Schals, Gür­tel­bän­der, Kra­wat­ten­bän­der, Strumpf­bän­der, Klei­der­schutz­bor­ten, Tail­len­bän­der, Ga­ze­bän­der, Eis­bän­der und Haarschlei­fen, aber fast al­le Ar­ti­kel wa­ren an den Mo­de­markt und sei­ne stark kon­junk­tur­ab­hän­gi­gen Ein­flüs­se ge­bun­den. Er­schwe­rend kam für die Band­we­ber ihr ho­her Spe­zia­li­sie­rungs­grad für ein­zel­ne Pro­duk­te hin­zu. Mo­de­er­schei­nun­gen konn­ten für vie­le Band­we­ber ei­ne Zeit der Ar­beits­lo­sig­keit nach sich zie­hen, wenn man sich nicht auf neue Ar­ti­kel ver­le­gen und an­de­re Ab­satz­mög­lich­kei­ten er­schlie­ßen konn­te. So mach­te et­wa Mit­te der 1890er Jah­re der Trend, Ti­ro­ler­hü­te zu tra­gen, die Nach­fra­ge für Her­ren­hut­bän­der über­flüs­sig, da hier Hut­schnü­re, Blu­men oder Fe­dern als Schmu­ck­ele­men­te dien­ten.

Produktion von Kriegsbedarf

Bänder mit Firmennamen, Jubiläen, Ausstellungen etc., 1906 - 1933

Der Aus­bruch des Ers­ten Welt­kriegs führ­te zu ei­nem ra­di­ka­len Ein­schnitt in der Band­we­be­rei und ih­ren Pro­duk­ten. Die Nach­fra­ge nach Mo­de­ar­ti­keln ging stark zu­rück und Neu­ent­wick­lun­gen, wie Na­tio­nal­bän­der, An­steck­ab­zei­chen und Bän­der für das Ei­ser­ne Kreuz, hat­ten nur we­nig Er­folg. Wäh­rend in an­de­ren Be­rei­chen der Tex­til­in­dus­trie der Kriegs­aus­bruch zu ei­ner stark an­stei­gen­den Zahl von Auf­trä­gen durch das Mi­li­tär führ­te, muss­te in der Band­in­dus­trie zu­nächst ei­ne ra­sche Um­stel­lung auf Kriegs­be­darfs­ar­ti­kel, wie Mu­ni­ti­ons­bän­der, Brot­beu­tel­bän­der, Stie­fel-Schnür­rie­men oder Zelt­schnü­re in Mas­sen­pro­duk­ti­on er­fol­gen.

Wandel der Mode als Krisenauslöser in der Weimarer Republik

Eis-Band, 1920er Jahre.

Die Nach­kriegs­zeit und die von In­fla­ti­on und Welt­wirt­schafts­kri­se ge­präg­te Wei­ma­rer Re­pu­blik wa­ren für vie­le Band­we­ber, die sich auf Mo­de­bän­der spe­zia­li­siert hat­ten, wie­der mit enor­men kon­junk­tu­rel­len Schwan­kun­gen und Kri­sen ver­bun­den, was sich bei­spiel­haft am Auf­kom­men des „Bu­bi­ko­pfes“ um 1920 nach­zeich­nen lässt. Die kurz­ge­schnit­te­ne Da­men­fri­sur be­nö­tig­te kei­ne Haarschlei­fen mehr und trieb man­chen Band­we­ber an den Rand des fi­nan­zi­el­len Bank­rotts. Erst in den 1930er Jah­ren kam es wie­der zu ver­stärk­ten Nach­fra­gen mo­di­scher Ar­ti­kel, wie et­wa dem Her­ren­hut­band. Zu­sätz­lich för­der­te die ein­set­zen­de Mi­li­ta­ri­sie­rung Deutsch­lands durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ei­ne ho­he Nach­fra­ge nach mi­li­tä­ri­schen Bän­dern wie Lit­zen und Tres­sen, um Trup­pen­gat­tun­gen und Dienst­gra­de der Sol­da­ten an den Uni­for­men wie­der­zu­ge­ben.

Alte Bänder im neuen Wirtschaftswunder

Kunstseidene Tresse, 1950er Jahre
Photo: Hans-Theo Gerhards/LVR

In der Not der un­mit­tel­ba­ren Nach­kriegs­zeit nach dem Zwei­ten Welt­krieg und im Kampf ums täg­li­che Über­le­ben spiel­ten schi­cke Mo­de­bän­der kei­ne Rol­le mehr. Aus die­sem Grund ließ man­cher Un­ter­neh­mer die von ihm her­ge­stell­ten Bän­der zu Mor­gen­rö­cken, Schür­zen und Blu­sen zu­sam­men­nä­hen, da­mit die Men­schen über­haupt Klei­dung zum Tra­gen hat­ten. Erst mit Ein­füh­rung der Deut­schen Mark er­hiel­ten die Band­we­ber wie­der ers­te Auf­trä­ge für Mo­de­bän­der, und die kurz dar­auf ein­set­zen­de Zeit des Wirt­schafts­wun­ders führ­te zu ei­ner Blü­te­zeit der ge­sam­ten Band­in­dus­trie wäh­rend der 1950er Jah­re. In den Fa­bri­ken und in der Haus­band­in­dus­trie wur­den Mo­de­ar­ti­kel wie gum­mie­las­ti­sche Bän­der für die Mie­der- und Tri­ko­ta­gen­in­dus­trie eben­so pro­du­ziert wie Schnür­sen­kel. Auch Her­ren­hut­bän­der er­freu­ten sich in den 1950er Jah­ren noch ein­mal gro­ßer Be­liebt­heit, und die Spe­zia­li­sie­rung auf Mo­de­bän­der, wie Rock­hen­kel­bän­der, Ho­sen­schon­er­bän­der, Wä­sche- und Kon­fek­ti­on­s­e­ti­ket­ten, Mie­der­bän­der oder Rei­ß­ver­schlüs­se si­cher­te vie­len Haus­band­we­bern in Dhünn und an­de­ren Or­ten des Ber­gi­schen Lan­des den Ar­beits­platz und hielt die Haus­band­in­dus­trie bis weit in die 1980er Jah­re am Le­ben.

Weiterführende Literatur

Ver­ein ehem. Tex­til­fach­schü­ler zu Rons­dorf e. V. (Hrsg): Ge­schich­te der Ber­gi­schen Band­in­dus­trie. Rons­dorf 1920.

Hei­der­mann, Horst: Die Haus­in­dus­trie in der Ber­gi­schen Band­we­be­rei. Ein Bei­trag zur Un­ter­neh­mens­mor­pho­lo­gie. Göt­tin­gen 1960. 

Kon­rad, Gün­ter: Die Haus­band­wir­ke­rei in Rons­dorf. Auf­stieg und Nie­der­gang ei­nes Ge­wer­be­zwei­ges. In: Ge­schich­te im Wup­per­tal. 10. Jahr­gang. 2001. 

Schacht­ner, Sa­bi­ne: Mär­ki­sche Haus­band­we­ber. Müns­ter 1986.

Zurück nach oben