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Verbreitung und wirtschaftliche Entwicklung der Bandweberei

Die Textilproduktion hat im Rheinland eine lange Tradition. Die Bandweberei mit ihren oft modischen Produkten war jedoch stark den konjunkturellen Schwankungen unterworfen.

Frühe Textilproduktion im Rheinland

Arbeiter am Bandwebstuhl in einer Bandfabrik in Wermelskirchen, um 1910.
Photo: unbekannt/LVR

Schon seit dem Mit­tel­al­ter zähl­te das Rhein­land zu den be­deu­tends­ten Tex­til­re­gio­nen. Mit­tel­punkt der Band­we­be­rei war das Ber­gi­sche Land mit den Or­ten Wup­per­tal-Bar­men, -Lüttring­hau­sen und -Rons­dorf. Wei­te­re Zen­tren wa­ren Da­bring­hau­sen und Dhünn im Sü­den so­wie Hat­tin­gen im Nor­den. Im Mär­ki­schen Raum lag das Zen­trum in Schwelm. Am Nie­der­rhein ar­bei­te­ten vie­le Band­we­ber in Kre­feld. Die We­ber stell­ten Bän­der, Bor­ten, Kor­deln, Lit­zen und Spit­zen her. Im Ber­gi­schen Land hie­ßen die­se be­lieb­ten Pro­duk­te we­gen ih­res Her­stel­lungs­or­tes „Bar­mer Ar­ti­kel“.

Industrialisierung der Bandweberei

Satzungen für den Bergisch-Niederrheinischen Bandwirkermeisterverband, Lennep um 1910.
Photo: Sabine König/LVR

Ab 1850 er­leb­te die Band­we­be­rei ei­nen ent­schei­den­den Auf­schwung. Ers­te Band­we­ber ar­bei­te­ten be­reits mit der Jac­quard­ma­schi­ne, ei­nem Web­stuhl mit Loch­kar­ten­sys­tem für die Pro­duk­ti­on von Bän­dern mit be­son­ders auf­wen­di­gen Mus­tern. Die all­ge­mei­ne Wirt­schafts­kri­se im Jahr 1857 und der ame­ri­ka­ni­sche Bür­ger­krieg in den 1860er Jah­ren ver­teu­er­ten je­doch die Baum­wol­le und dämpf­ten die Nach­fra­ge nach Bän­dern. Das be­deu­te­te für vie­le Band­we­ber Ar­beits­lo­sig­keit.

Ne­ben der Me­cha­ni­sie­rung ver­schaff­te um 1900 die Ein­füh­rung von Kunst­sei­de und die ver­stärk­te Pro­duk­ti­on von Mo­de­ar­ti­keln der Bran­che ei­ne neue Blü­te­zeit. Im Vor­kriegs­jahr 1913 web­ten im ber­gisch-mär­ki­schen Raum bis zu 26.000 Be­schäf­tig­te an ins­ge­samt 11.000 Stüh­len – 8.000 da­von stan­den in Haus­band­we­be­rei­en, 3.000 in Fa­bri­ken. Dem „Ber­gisch-Nie­der­rhei­ni­schen Band­wir­ker­meis­ter-Ver­ban­d“ ge­hör­ten 2.854 Be­trie­be mit 4.758 Band­web­stüh­len für Sei­den­ar­ti­kel an. Der „Ver­band der Band­wir­ker­meis­ter für Bar­mer Ar­ti­kel“ ver­zeich­ne­te 3.000 Stüh­le. Kun­den auf der gan­zen Welt kann­ten die Bar­mer Ar­ti­kel als „Bar­men ar­ti­cles“. Zur glei­chen Zeit war Kre­feld für sei­ne Sei­den­bän­der be­rühmt.

Durch die stei­gen­de Nach­fra­ge an mo­der­nen Band­web­stüh­len und den stän­di­gen Be­darf an Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten ge­wann auch der Ma­schi­nen­bau als zu­ar­bei­ten­des Ge­wer­be an Be­deu­tung. 1906 gab es al­lein in Rons­dorf sie­ben Band­stuhl­fa­bri­ken, drei Spul­ma­schi­nen­her­stel­ler, vier Kamm- und Riet­ma­che­rei­en und ei­ne Spu­len­fa­brik. In den Mit­tei­lungs­zei­tun­gen der Ver­bän­de fin­den sich zahl­rei­che An­non­cen von Her­stel­lern, Schrei­nern und Zu­lie­fe­rern.

Krise der Bandweberei in den Weltkriegen

Der Bandwirker. Fachblatt der Bandwirkereihausindustrie. Organ des Verbandes der Bergisch-Niederrheinischen Hausbandwirker. Nr. 9, 22. Jahrgang. 27. April 1927.

Der Ers­te Welt­krieg be­deu­te­te den ers­ten gro­ßen wirt­schaft­li­chen Ein­bruch für Band­fa­bri­ken un­d Haus­band­we­ber. Die Roh­stof­fe wur­den knapp und Mo­de­auf­trä­ge muss­ten Mi­li­tär­pro­duk­tio­nen wei­chen. 1915 be­schränk­te die Re­gie­rung die Ver­ar­bei­tung von Baum­wol­le aus­schlie­ß­lich auf Hee­res­zwe­cke. Mit dem En­de des Krie­ges 1918 hat­te nur noch ein Fünf­tel der Haus­band­we­be­rei­en Ar­beit. In den fol­gen­den Jah­ren er­hol­te sich die Bran­che nur lang­sam. Haarschlei­fen und Wä­sche mit Spit­zen gal­ten als un­mo­dern. Ein­zel­ne Hoch­pha­sen gab es nur durch die An­fer­ti­gung neu­er Pro­duk­te. Auch im Zwei­ten Welt­krieg führ­ten Ab­satz- und Roh­stoff­schwie­rig­kei­ten zur Schlie­ßung vie­ler Be­trie­be. Die ver­blie­be­ne Pro­duk­ti­on stell­te sich er­neut auf den Be­darf der Rüs­tungs­in­dus­trie ein. Nach dem Krieg schil­dern die Ver­bands­vor­sit­zen­den in ih­rer Mit­glieds­zei­tung die Not­si­tua­ti­on der Band­we­ber in deut­li­chen Wor­ten. Von „Trüm­mer­hau­fen“ ist die Re­de, Lohn­stopp und In­fla­ti­on brem­sen die Pro­duk­ti­on deut­lich.

Bandweberei in der Nachkriegszeit

Mustertafel der Band-Etiketten-Weberei Max Windrath KG in Wuppertal, 2013.
Photo: Jennifer Teichert/LVR

Die Wäh­rungs­re­form und der wirt­schaft­li­che Auf­schwung der 1950er Jah­re lös­ten in der Band­we­be­rei ei­nen letz­ten Auf­wärts­trend aus. Ihm folg­te der ste­ti­ge Nie­der­gang, der be­son­ders die Haus­band­we­be­rei­en­ ­traf. Nur noch ein Fünf­tel der über 1.000 Haus­band­we­ber der Re­gi­on war Mit­te der 1950er Jah­re un­ter 50 Jah­re alt. Es fehl­te an qua­li­fi­zier­ten Nach­wuchs­kräf­ten und In­ves­ti­tio­nen in neue Tech­ni­ken. Zu­dem sank die Nach­fra­ge nach Bän­dern durch neu­e Klei­dungs- und Kon­sum­ge­wohn­hei­ten. Die Band­fa­bri­ken ver­mit­tel­ten im­mer we­ni­ger Auf­trä­ge an Haus­band­we­ber. Da­her ga­ben vie­le ih­re Selb­stän­dig­keit auf und nah­men Ar­beit in ei­ner mo­der­nen Band­fa­brik an.

Heu­te ver­zeich­net der „Ver­band Ber­gi­scher Haus­band­we­ber“ nur noch knapp 20 Mit­glie­der. Hin­ge­gen exis­tie­ren noch 80 mo­der­ne Band­fa­bri­ken im Rhein­land, über die Hälf­te da­von in den heu­ti­gen Stadt­tei­len Wup­per­tals. Auch in Rem­scheid und Wer­mels­kir­chen pro­du­zie­ren wei­ter­hin ei­ni­ge Band­we­be­rei­en. Durch spe­zia­li­sier­te Tech­no­lo­gie mit ei­nem breit­ge­fä­cher­ten Sor­ti­ment kön­nen sie sich auch ge­gen­über in­ter­na­tio­na­ler Kon­kur­renz am Markt be­haup­ten.

Weiterführende Literatur

En­gels, Ha­rald: Das Band­we­be­rei­ge­wer­be in Lüttring­hau­sen. As­pek­te sei­ner so­zi­al­geo­gra­phi­schen Ent­wick­lung und his­to­risch-wirt­schaft­li­chen Be­deu­tung. Rem­scheid-Lüttring­hau­sen 1998.

Hei­der­mann, Horst: Die Haus­in­dus­trie in der Ber­gi­schen Band­we­be­rei. Ein Bei­trag zur Un­ter­neh­mens­mor­pho­lo­gie. Göt­tin­gen 1960.

Kon­rad, Gün­ter: Die Haus­band­wir­ke­rei in Rons­dorf. Auf­stieg und Nie­der­gang ei­nes Ge­wer­be­zwei­ges. In: Ge­schich­te im Wup­per­tal. 10. Jahr­gang. 2001.  

Schacht­ner, Sa­bi­ne: Mär­ki­sche Haus­band­we­ber. Müns­ter 1986.

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