Die Entwicklung der Firma Bremicker aus Kierspe steht exemplarisch für die Geschichte vieler kleiner Betriebe, die nach 1860 entstanden. Über einen Zeitraum von fast 100 Jahren lassen sich die Veränderungen in der Landtechnik anhand dieses Unternehmens verfolgen.
Wagemutiger Beginn
Gegründet hat die Landmaschinenfabrik Bremicker der Beil- und Kleinschmied Franz Bremicker im Jahr 1868. Als aufgeschlossener Handwerker erkannte er gemeinsam mit seinen Söhnen Carl und Friedrich den steigenden Bedarf an Gerätschaften für die Landwirtschaft. Zunächst bot er erste Dreschmaschinen an und investierte in den Ausbau der Werkstatt. Bereits 1865 hatte er eine 3 PS starke Dampfmaschine aus England zum Antrieb der Drehbank und weiterer Werkzeugmaschinen erworben. Der Betrieb führte Schmiedearbeiten und Reparaturen durch.
Gute Geschäfte
Über 20 Jahre arbeiteten die Söhne Carl und Friedrich als Gesellen in der väterlichen Schmiede. In dieser Zeit lief das Geschäft mit den Landmaschinen noch zögerlich. Dies änderte sich, als die Brüder nach dem Tod des Vaters 1888 den Betrieb übernahmen. Sie kurbelten das Geschäft an und verkauften in den folgenden 13 Jahren 1170 Maschinen, davon 750 Eigenprodukte – überwiegend Handdreschmaschinen, sowie Dreschmaschinen mit zugehörigem Göpelantrieb. Bei anderen Landmaschinen traten sie auch als Zwischenhändler auf, sorgten für Endmontage, Reparatur und Wartung. Jährlich stiegen die Produktions- und Verkaufszahlen. Zeitweise waren bis zu 10 Lehrlinge in der Werkstatt beschäftigt. Die Kunden kamen überwiegend aus der Region rund um Kierspe, Meinerzhagen und Lüdenscheid. Meist waren es Besitzer größerer Höfe, die auch entsprechende Ernteerträge hatten, so dass sich der Kauf von Landmaschinen lohnte. Eine einfache Handdreschmaschine kostete 100 Mark, ein kompletter Maschinensatz mit Göpel, Breitdrescher und Transmissionsanlage lag bei 550 Mark. Um 1900 entsprach dies dem Jahreseinkommen eines Industrie-Facharbeiters. Die Bezahlung erfolgte häufig in Raten. Für die Transporte nutzte man zunächst Fuhrwerke. Ab 1892 profitierte die Firma vom Eisenbahnanschluss Kierspes. Trotz guter Umsätze trennten sich die Brüder jedoch 1901.
Carl errichtete eine Werkstatt auf einem neu gebauten Hof in Kierspe, während Friedrich am alten Familiensitz und Stammbetrieb blieb. Carl führte den Landmaschinenbau fort und erweiterte diesen um die Fertigung von Federhämmern. Für beide Brüder liefen die Geschäfte gut. Schwere Einbußen brachten der Erste Weltkrieg und die nachfolgende Wirtschaftskrise. Friedrich starb 1922. Die Firma von Carl erlosch mit dessen Tod 1923.
Viel Arbeit, weniger Umsatz
Wilhelm Bremicker, der ältere Sohn von Friedrich, führte den Stammbetrieb weiter. Allerdings waren die Geschäfte in den 1920er Jahren rückläufig. Der Absatzmarkt für Göpel und Handdreschmaschinen war durch die Elektrifizierung der Höfe stark zurückgegangen, und der Verkauf von Breitdreschmaschinen stagnierte. Ab 1927 fertigte Wilhelm auch Pressen für die aufstrebende örtliche „Bakelitindustrie“; in den Kriegsjahren arbeitete er für ein Metallwerk in Meinerzhagen. Als er 1952 in Rente ging, endete nach 84 Jahren auch die Landmaschinenproduktion, denn für die folgenden Generationen bot die bisherige Art der Landtechnik keine Zukunft mehr – zu klein der Betrieb, zu veraltet die Technik. Die Landwirte kauften in den 1950er Jahren bevorzugt Traktoren und erste Mähdrescher. Für die Söhne Wilhelm Bremickers lag die Zukunft in der Kunststoffbranche. Der ältere Sohn Wilhelm jun. gründete einen Spritzgussbetrieb, der jüngere Sohn Friedrich ein Unternehmen für Auto-Elektrik.
Maschinen, Werkstücke und Dokumente von nah und fern
Für die Dokumentation der Firmengeschichte ist es ein Glücksfall, dass im Familienbesitz noch nahezu die kompletten Geschäftsunterlagen vorhanden sind. Dazu zählen Geschäftsbücher, Korrespondenzen und Lohnbücher. Ein Bestand von rund 500 Lieferanten-Rechnungen aus den 1910er und 1920er Jahren wurden dem LVR-Freilichtmuseum Lindlar leihweise zur Verfügung gestellt und digital erschlossen. Ihnen ist zu entnehmen, dass die Firma Bremicker in florierenden Jahren mit einem großen Kreis von Lieferanten zusammenarbeitete. Diese kamen aus der Region, aber auch aus weit entfernten Städten wie Breslau oder Mülhausen im Elsaß. Viele Eisenwaren wurden aus dem Ruhrgebiet, dem Märkischen Sauerland oder von den Maschinenfabriken aus Hennef geliefert. Beinahe täglich trafen Ladungen von Metallteilen, Klingen, Werkstücken, aber auch Farben und Fette sowie natürlich Einzelteile von Landmaschinen im Bahnhof Kierspe ein. Zu den namhaften Lieferanten zählten das Amazonenwerk H. Dreyer aus Gaste bei Osnabrück, die Maschinenfabrik Badenia aus Weinheim, die Firma P. H. Mayfahrt & Co. aus Frankfurt und die Heinrich Lanz AG aus Mannheim.
Ebenfalls aus dem Familienbesitz stammen landwirtschaftliche Maschinen und ein Göpel, die dem LVR-Freilichtmuseum Lindlar geschenkt wurden und in der Dauerausstellung zu sehen sind.