Leinenweberei bezeichnet eine Art der Textilproduktion, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem im ländlichen Raum weit verbreitet war. Leinen als Rohstoff für Kleidung und andere Textilien wird aus der Faser der Flachspflanze gewonnen, die auch auf kargen Böden gut gedeiht. Um die aufwendigen Verarbeitungsprozesse entstanden differenzierte Arbeitsteilungen.
Leinen als Rohstoff für Textilien
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Leinen neben Wolle und Hanf die einzig verfügbare Textile. Für Regionen, in denen Flachs angebaut wurde, waren Leinenprodukte ein wichtiger Exportartikel mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Schon im Mittelalter wurden nicht nur Hemden und Kleider, sondern auch Tisch- und Bettwäsche, Satteldecken für Pferde und Ähnliches aus Leinen hergestellt, denn Leinen und aus Leinen gefertigte Textilien sind nahezu unverwüstlich und überaus strapazierfähig. Je nach Verarbeitung wird der Stoff fein oder grob und ist deshalb für unterschiedliche Bedürfnisse nutzbar.
So fand Leinen seinen Weg in alle Bereiche des täglichen Lebens: von der Windel bis zum Totenhemd begleitete es die Menschen wortwörtlich hautnah. Noch heute kennen wir zahlreiche Redewendungen, die ursprünglich auf das traditionelle Leinengewerbe zurückgehen, z.B. „eine Fahrt ins Blaue machen“, „flachsen“ oder „ein Thema durchhecheln“.
Man unterscheidet zwischen bäuerlicher und gewerbsmäßiger Leinenweberei. Erstere diente meist nur zur Sicherstellung des Eigenbedarfs an Textilien, während sich Letztere seit dem Mittelalter herausbildete und zum Geldgewinn beitragen sollte.
Vom Flachs zum Leinen
Der Anbau von Flachs und vor allem die spätere Verarbeitung der Pflanze zu Leinenstoffen war, egal ob im bäuerlichen oder im gewerblichen Umfeld betrieben, eine harte, anstrengende und langwierige Arbeit: Zunächst musste der Rohstoff Flachs angebaut werden; erst wenn die Pflanzen geerntet, getrocknet, geröstet, gedroschen, gereinigt, geschwungen und schließlich gehechelt waren, konnte mit dem Spinnen der langen Flachsfasern zu Garn begonnen werden. Diese Aufgabe kam im ländlichen Umfeld meist den Mädchen und Frauen zu. Oftmals trafen sich alle Frauen der Nachbarschaft, um gemeinsam ihr Garn zu verspinnen, dabei wurden die neuesten Neuigkeiten ausgetauscht, gelacht und gesungen. Insofern hatte die Flachsverarbeitung auch eine wichtige soziale Funktion, die Spinnstube ist ein verbreitetes Motiv in Erzählungen und auf Bildern, die das ländliche Leben zeigen.
Das Bleichen des Garns und die Leinenweberei
War die letzte Flachsfaser versponnen, konnte das Garn mit Hilfe einer Haspel „aufgehaspelt“ werden. Danach wurde es zur Verarbeitung auf dem Webstuhl auf kleine Spulen gewickelt. Das folgende Weben erforderte viel Sachverstand und eine Menge Vorarbeiten: die Kettfäden mussten gespannt und die Spule auf dem Weberschiffchen vorbereitet werden. Mehrere Meter Tuch erforderten stunden- oder sogar tagelange Arbeit.
Wenn das Leinentuch dann endlich fertig war, legte man es auf einer Wiese zum Bleichen aus, viele Straßen- oder Flurbezeichnungen verweisen heute noch auf diesen Arbeitsschritt. Der Stoff wurde dazu zunächst mit einer heißen Lauge getränkt, die meist aus Schmierseife und Buchenasche bestand. Durch die anschließende Sonneneinstrahlung und regelmäßiges Begießen mit frischem Wasser blich das Leinen weiß aus. Danach konnte es noch weiter gefärbt oder auch bedruckt werden, bevor man es schließlich zu Kleidungsstücken, Tisch- oder Bettwäsche vernähte.
Leinenweberei als Heimarbeit
Im Rheinland des Mittelalters bildeten sich vor allem am Niederrhein, rund um Aachen, Köln, Krefeld und Wuppertal große Textilgebiete mit z. T. überregionalen Märkten heraus. Der Übergang von der bäuerlichen Flachs- und Leinenproduktion über kleine Manufakturen bis hin zur industriellen Herstellung vollzog sich jahrhundertelang: viele Bauernfamilien verarbeiteten Flachs und Leinen, zumindest für den Eigengebrauch, noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Bereits gegen Ende des Mittelalters kam es aber auch zu einer zunehmenden Spezialisierung vieler Kleinbauern zu Hauswebern, die mit gekauftem Garn auf Handwebstühlen Leinenstoffe herstellten, die dann gewinnbringend verkauft werden konnten. Die Produktion des Leinens erfolgte meist in Heimarbeit, die Vermarktung lief über ein Verlagssystem ab, ähnlich wie bei der Bandweberei. Die großen, fabrikartigen Webereien, die in der Zeit der Industrialisierung entstanden, sorgten noch einmal für eine Expansion und Maschinisierung des Gewerbes. Doch durch das allmähliche Aufkommen der billigeren Baumwolle, gingen die Anbauflächen und die verarbeitenden Betriebe stark zurück, denn die Fasern der Baumwolle konnten nicht nur ohne weitere Vorarbeiten sofort zu Garn versponnen werden, ihre höhere Dehnbarkeit machte auch eine deutlich schnellere und leichtere Verarbeitung möglich. Einem kurzen Anstieg während der beiden Weltkriege, als Deutschland weitestgehend von Baumwoll- und Wollimporten abgeschnitten war - in der Eifel wurde speziell der Flachsanbau von den Nationalsozialisten unterstützt und gefördert - folgte der kontinuierliche Niedergang des Flachsanbaus und damit auch des Gewerbes der Leinenweber. In den letzten Jahren besinnt man sich vielerorts wieder auf die Vorteile von reinen Leinenstoffen und sogar die EU versucht mit Fördergeldern, den Flachsanbau und die Leinenproduktion wieder zu beleben. Flachs wurde 2005 zur Heilpflanze des Jahres gekürt.