Das Brauereiwesen und die Braukultur waren im 20. Jahrhundert starken Schwankungen unterworfen, obwohl Biertrinken durchgehend eine große Rolle spielte.
Bierbrauen als Handwerk
Das alkoholische Getränk Bier ist bereits seit der Antike bekannt und wird durch Gärung hergestellt. Im Mittelalter wurde die Braukunst in Klöstern verfeinert, seit dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 dürfen als Zutaten nur Hopfen und Malz sowie Wasser verwendet werden. Die Verhältnisse von Hopfen und Malz bestimmen beim Brauprozess die Sorte und damit den Geschmack des Bieres. Doch erst mit der zunehmenden Standardisierung der Herstellung und der Kühltechnik konnte etwa der Alkoholgehalt auf einem konstanten Niveau gehalten werden. Folgende Arbeitsschritte sind Teil der Bierproduktion: Zunächst wird das Malz geschrotet und anschließend in einem sogenannten Maischebottich mit warmen Brauwasser vermischt und erhitzt, sodass sich die Stärke in Zucker umwandelt. Anschließend wird der Treber – die ausgelaugten Rückstände des Malzes – in einem Läuterbottich aus der entstandenen Maische herausgefiltert. Übrig bleibt die sogenannte Würze, die anschließend gekocht und mit Hopfen vermischt wird. Anschließend wird die Würze erneut gefiltert, abgekühlt und Hefe sowie Sauerstoff für die Gärung hinzugegeben. Das entstandene Bier kann anschließend abgefüllt werden.
Krise und Aufschwung
Gekoppelt an Hochburgen rheinischen Hopfenanbaus lagen dort auch Zentren des rheinischen Brauereiwesens, bis der Erste Weltkrieg in vielerlei Hinsicht als Einschnitt wirkte. Der Hopfenanbau in der Eifel kam zum Erliegen und konnte erst durch böhmische Heimatvertriebene in den 1950er Jahren wieder aufleben. Zusätzlich sorgten durch Krieg und Rohstoffmangel hervorgerufene Kontingentierungen von Nahrungsmitteln, die Einberufung der Belegschaften zum Kriegsdienst sowie die Zerstörung der Betriebe während des Weltkriegs für eine deutliche Stagnation der Bierproduktion. Ein Aufschwung konnte erst wieder in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verzeichnet werden.
Innovationen in der Herstellung
Technische Entwicklungen veränderten die Arbeitsabläufe in der Branche grundlegend. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts kühlten die Brauereien ihre Ware nicht mehr im Eiskeller, sondern mittels moderner Kühlapparaten. Damit entfiel auch die wöchentliche Eislieferung des „Eismanns“ von den Brauereien an die Privathaushalte, für die Kühlgeräte bald erschwinglich wurden. Bis in die 1950er Jahre wurden alle Arbeitsvorgänge des Brauvorgangs in Handarbeit verrichtet. Die Bottiche wurden von Hand gefüllt, der Brauprozess händisch begleitet und die Auslieferung erfolgte mit Handkarren an die Läden der Innenstädte. Die Individualisierung der Holzfässer erfolgte von Hand, sodass diese bestimmten Brauereien zugeordnet werden konnten. Das änderte sich durch den Einsatz neuer Werkstoffe wie emailliertem und beschichtetem Eisen bis zu dem heute gebräuchlichen Aluminium.
Mit dem Wandel der Materialien ging ein Wandel in einzelnen Berufsgruppen der Zuliefererindustrie einher: mittlerweile ist der Beruf des Küfers, der noch in den 1920er Jahren durch die Herstellung und Reparatur der Fässer für das Braugewerbe von zentraler Bedeutung war, nahezu ausgestorben. Die flächendeckende Verwendung des Werkstoffs Glas ist ebenfalls eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts: Biergläser aus Pressglas wurden nunmehr statt Steinzeugkrügen verwendet und weckten seither ein verstärktes Interesse des Konsumenten an Farbe und Trübung des Glasinhalts. Während es bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts üblich war, die Abfüllung des Bieres vom Bierverleger durchführen zu lassen, wurden in Folge die Flaschen von den Brauereien direkt abgefüllt und in Holz-, später Metall- und Plastikkisten transport- und lagerfertig verpackt.
Bier als Marke
Neben der Glasindustrie waren die Maschinenbau- und die Papierindustrie wichtige Zubringerindustrien für das Braugewerbe. Letztere vor allem über die Produktion bedruckter Flaschenetiketten, Kartonagen und Bierfilze, die neben den praktischen Aspekten vor allem vermarktungsstrategische Aufgaben erfüllten. Ähnlich relevant wie der Produktionsprozess selber, wurde die wirtschaftliche Vermarktung der Brauereierzeugnisse, zu der neben der Flaschenabfüllung und dem Vertrieb im Einzelhandel die Belieferung der Gaststätten gehörte.
Die staatliche Reglementierung der Ausschankberechtigung von Branntwein, Wein und Bier an Schankwirtschaften erfolgte bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts. Für die Lieferung von Bier gingen die meisten Gaststätten Verträge mit örtlichen Brauereien ein. Die Kneipen waren an die Abnahme einer Biermarke gebunden, bewarben diese zugleich und verwendeten auch weiteres Material wie spezielle Gläser oder Untersetzer mit dem Logo der entsprechenden Brauerei. Insgesamt waren die Schankwirtschaften im Rheinland weitaus verbreiteter als die Speisewirtschaften. Allein in der Kleinstadt Düren existierten schon im 19. Jahrhundert sieben Schankwirtschaften. Die Trinkhallen der größeren Städte des Rheinlandes hatten sich mit der Industrialisierung aus Konsumgenossenschaften entwickelt, in denen sich vor allem Arbeiter zusammentaten, um im so genannten „Schnapskasino“ kostengünstigen Alkohol durch gemeinsamen Einkauf konsumieren zu können. Aus den Ausgabestellen entwickelten sich um 1900 die noch heute verbreiteten Trinkhallen. Sie waren ebenso wie die Brauereigaststätten mittlerweile zu Treffpunkten geworden, die Personen aller gesellschaftlichen Schichten aufsuchten.
Nach dem Anstieg des Alkoholkonsums in den 1950er Jahren verlagerten sich bereits ein Jahrzehnt später die Vorlieben der Bevölkerung auf Wein und Sekt. Aufgrund von Veränderungen in der Freizeitgestaltung und der Verringerung gesellschaftlich akzeptierten Alkoholkonsums erweiterten die großen Brauereien ihre Produktpalette um alkoholfreie Biervarianten. Dennoch gelang es nicht immer, dem Sterben der Braubetriebe entgegenzuwirken. Zum Ende des 20. Jahrhunderts gaben viele kleine Brauereien den Betrieb auf oder wurden von großen Konzernen aufgekauft. Heute werden im Rheinland mit Kölsch und Alt weiterhin regionale Produkte konsumiert, doch genauso gehören die Biersorten international tätiger Brauereien zum nachgefragten Angebot. Ebenso erfreuen sich aber auch zunehmend wieder kleine Brauereien größerer Beliebtheit, die sogenanntes "Craft Beer" herstellen – handwerklich hergestelltes Bier, welches aus unabhängigen und regionalen Brauereien stammt.
Weiterführende Literatur
Ellerbrock, Karl-Peter (Hg.): Zur Geschichte der westfälischen Brauwirtschaft im 19. und 20. Jahrhundert (Gesellschaft für Wirtschaftsgeschichte e.V., Kleine Schriften Heft 34). Münster 2012.
Hirschfelder, Gunther; Trummer, Manuel: Bier. Eine Geschichte von der Steinzeit bis heute. Stuttgart 2016.
Langensiepen, Fritz (Hg.): Bierbrauen im Rheinland. Köln 1985.