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„Samstags wird gebadet!“ – Nur wo?

Zum Funktionswandel des Badezimmers

So alltäglich und doch so neu: Spezielle Räume zum Baden, Duschen und zur Nutzung der Toilette sind eine junge Entwicklung. Badezimmer etablierten sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts flächendeckend.

Ein Küchenschrank?

Spülenschrank mit integrierter Badewanne, 1960er Jahre
Foto: Coppens, Suzy/LVR

Von au­ßen ist nichts zu er­ken­nen: zwei Spül­be­cken und ei­ne Ab­tropf­flä­che aus ver­chrom­tem Me­tall, an den Sei­ten zwei Was­ser­häh­ne. Auf der Vor­der­sei­te drei Schub­la­den und dar­un­ter je­weils ei­ne ganz nor­ma­le Schrank­tür – schein­bar. Zieht man je­doch an ei­nem der Grif­fe, of­fen­bart der ein­fa­che Spü­len­schrank sei­ne wich­ti­ge Zu­satz­funk­ti­on: Hin­ter den Schub­la­den- und Türfron­ten be­fin­det sich ei­ne her­aus­zieh­ba­re, weiß email­lier­te Ba­de­wan­ne.

Was heu­te ku­ri­os an­mu­tet, ist ein ein­drucks­vol­les Bei­spiel da­für, dass das Ba­de­zim­mer mit Du­sche, Ba­de­wan­ne, Wasch­be­cken und Was­ser­toi­let­te ei­ne re­la­tiv jun­ge Er­fin­dung ist. Noch bis weit in die 1950er und 1960er Jah­re hin­ein be­sa­ßen vie­le Haus­hal­te kein ei­ge­nes Ba­de­zim­mer. Ein sol­cher Spül­schrank mit Ba­de­wan­ne war für die­se Woh­nun­gen ein Kom­pro­miss.

Kanalisationssysteme entstehen

Zwar be­gann be­reits mit der In­dus­tria­li­sie­rung und der da­mit ver­bun­de­nen Be­völ­ke­rungs­ex­plo­si­on in den Städ­ten ei­ne Dis­kus­si­on um Hy­gie­ne und ih­rer Not­wen­dig­keit zur Ver­mei­dung von Krank­hei­ten, doch dau­er­te es noch bis zum En­de des 19. Jahr­hun­derts, dass die ers­ten Was­ser­wer­ke flie­ßen­des Was­ser in und Ab­wäs­ser aus den Häu­sern brach­ten. Das war ei­ne wich­ti­ge Grund­la­ge zur Ein­füh­rung von Was­ser­klo­setts und Du­schen. Par­al­lel da­zu er­folg­te die stär­ke­re ört­li­che Ab­tren­nung der Ver­rich­tung kör­per­li­cher Be­dürf­nis­se und da­durch be­dingt ei­ne stär­ke­re Selbst­kon­trol­le be­züg­lich der ei­ge­nen Kör­per­funk­tio­nen so­wie der Wunsch nach Pri­vat­sphä­re.

Jen­seits der Städ­te ging die Aus­brei­tung des Ka­na­li­sa­ti­ons­net­zes je­doch lang­sam vor­an. Die Be­völ­ke­rung muss­te sich wei­ter­hin mit ei­ge­nen Brun­nen be­hel­fen. Die ein­zi­ge Was­ser­quel­le im Haus war meist die Pum­pe in der Kü­che, die an den Brun­nen an­ge­schlos­sen war. Ein spe­zi­el­ler Raum für die Kör­per­pfle­ge fehl­te. Die Be­woh­ne­rin­nen und Be­woh­ner wu­schen sich da­her in Wan­nen aus Zink oder Holz in der Kü­che oder un­ter frei­em Him­mel. In den Schlaf­zim­mern stan­den zu­sätz­lich oft auf­wen­dig de­ko­rier­te Wasch­gar­ni­tu­ren. Toi­let­ten fehl­ten meis­tens kom­plett. Ne­ben dem Bett stand ein Nacht­topf oder Toi­let­ten­stuhl, der im Stall oder Mist­hau­fen ge­leert wur­de. Au­ßer­dem ver­brei­te­ten sich klei­ne, meist höl­zer­ne Toi­let­ten­häu­ser, die ne­ben dem Mist­hau­fen oder an der Jau­che oder Si­cker­gru­be auf­ge­stellt wur­den. Auch die Fa­mi­lie Pe­ters  muss­te in den 1950er und 1960er Jah­ren noch auf Ba­de­zim­mer und Toi­let­te ver­zich­ten. Da­s Band­we­ber­haus Thie­mann ver­füg­te zu­min­dest über ein Toi­let­ten­häus­chen im Gar­ten.

Das Badezimmer wird zum Standard

Badezimmer im Bungalow auf dem Kahlenbusch aus den 1950er-1960er Jahren. Mechernich-Kommern 2012.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Teil des braun gefliesten Badezimmers eines Bungalows mit zwei Waschbecken und einem Spiegel. Quadrath-Ichendorf 1973.
Foto: Reinsch, Herbert/LVR

In den Neu­bau­ten seit der Nach­kriegs­zeit hat sich das Ba­de­zim­mer als Stan­dard durch­ge­setzt. Der Ort der Ver­rich­tung der in­ti­men Tä­tig­kei­ten des Wa­schens und des Toi­let­ten­gangs ver­schob sich end­gül­tig in ei­nen ei­ge­nen, ab­schließ­ba­ren Be­reich. Der Bun­ga­low aus Kah­len­busch zeigt deut­lich die Zen­tra­li­sie­rung der ver­schie­de­nen Funk­tio­nen: Wa­schen, Toi­let­ten­be­nut­zung und Kör­per­pfle­ge fin­den seit­dem in ei­nem klei­nen, funk­tio­nal aus­ge­stat­te­tem Raum statt.

Wie sich die An­sprü­che an das Ba­de­zim­mer ver­än­dert ha­ben, zei­gen Um­fra­gen der Ge­sell­schaft für Kon­sum­for­schung: Ne­ben den heu­te als selbst­ver­ständ­lich er­ach­te­ten funk­tio­na­len Vor­rich­tun­gen wün­schen sich heu­te vie­le Men­schen Ba­de­zim­mer, die eher Well­ness­be­rei­chen äh­neln und ne­ben ih­rer Zweck­mä­ßig­keit auch an­ge­nehm wohl­tu­en­de Be­dürf­nis­se er­fül­len.

Weiterführende Literatur

Mu­sée de la Vil­le de Lu­xem­bourg (Hg.): Sei sau­ber…! Ei­ne Ge­schich­te der Hy­gie­ne und öf­fent­li­chen Ge­sund­heits­vor­sor­ge in Eu­ro­pa. Köln 2004. 

Sil­ber­mann, Alp­hons; Brü­ning, Mi­cha­el: Der (West-)Deut­schen Ba­de­zim­mer. Ei­ne so­zio­lo­gi­sche Stu­die. Köln 1991.
 
Spies, Brit­ta (Hg.): „Wo geht’s denn hier aufs Klo?“ – Sau­ber­keit und Hy­gie­ne auf dem Land im 20. Jahr­hun­dert. Os­na­brück 2002.

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