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Vom Hacken für das Feuerholz zum Kochen auf Knopfdruck

Der Wandel einer kulturellen Praktik

Kochen als kulturelle Praktik ist geprägt von den technischen Möglichkeiten, den dazu notwendigen Hilfsmitteln, deren Verfügbarkeit und nicht zuletzt den zeitgemäßen Normen und Regeln im Zusammenhang mit der Zubereitung von Gerichten.

Das Beispiel Suppe

Eiserner Wasserkessel für den Gebrauch auf dem Sparherd, um 1900.
Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR/LVR

Wasserschiffchen aus Metall, zum Einsetzen in den Sparherd, 1. Drittel 20. Jahrhundert.
Foto: Hans-Theo Gerhards/LVR/LVR

Ge­hört heu­te zur Zu­be­rei­tung ei­ner Spei­se im ein­fachs­ten Fal­le nur das Auf­schnei­den ei­ner Tü­te und das an­schlie­ßen­de Ver­rüh­ren ih­res gra­nu­lier­ten In­halts im hei­ßen Was­ser zu ei­ner Sup­pe, sah dies zu Be­ginn des 20. Jahr­hun­derts noch an­ders aus. Ge­mü­se und even­tu­ell Fleisch muss­ten vor­be­rei­tet und zer­klei­nert wer­den, um dann in hei­ßem Was­ser zu ko­chen und so als Grund­la­ge für ei­ne Sup­pe oder Brü­he zu die­nen. Das Bei­spiel der Tü­ten­sup­pe macht nicht nur den Wan­del in der Er­näh­rungs­wei­se und der Be­wer­tung als ge­sund oder un­ge­sund, son­dern eben­falls in der Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­ti­on deut­lich. So be­darf es ei­ni­ger tech­ni­scher Hilfs­mit­tel und Kennt­nis­se, um das Pul­ver für Tü­ten­sup­pen her­zu­stel­len. Auch die Art und Wei­se, wie wir heu­te Was­ser zum Ko­chen brin­gen, un­ter­schei­det sich we­sent­lich von der­je­ni­gen um 1900. Heu­te fül­len wir ein­fach den elek­tri­schen Was­ser­ko­cher und drü­cken ei­ne Be­die­nungs­tas­te, wäh­rend vor hun­dert Jah­ren das Was­ser mit ei­nem Was­ser­schiff oder -kes­sel auf dem Herd er­hitzt wur­de.

Energiequelle und Geräte verändern die Kochpraxis

Sparherd. Der hochwertige Herd ist reich verziert und zeigt kaum Gebrauchspuren. Um 1900.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Sparherd mit Herdplatte, Wasserschiff und Backofen, dazu zwei kleine Fächer zum Warmhalten. Anfang 20. Jahrhundert.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Der Spar­herd brach­te nach 1850 ei­nen tief­grei­fen­den Wan­del bei der Nah­rungs­zu­be­rei­tung mit sich. Wur­de zu­vor noch mit nur ei­nem Topf über of­fe­nem Feu­er ge­kocht, er­mög­lich­te der in­dus­tri­ell her­ge­stell­te Herd, auch Koch­ma­schi­ne ge­nannt, ein en­er­gie­spa­ren­des und rauch­frei­es Ko­chen. Zu­dem bot er die Mög­lich­keit der Hit­ze­re­gu­lie­rung und des Ko­chens von un­ter­schied­li­chen Kom­po­nen­ten ei­ner Mahl­zeit in ver­schie­de­nen Töp­fen gleich­zei­tig. Dies kann als die struk­tu­rell be­deu­tends­te Neue­rung be­zeich­net wer­den, hat sich doch an der Art und Wei­se der Zu­be­rei­tung seit­dem nicht viel ver­än­dert, sieht man von der En­er­gie­quel­le ab. Die ge­gen En­de des 19. Jahr­hun­derts lang­sam ein­set­zen­de Elek­tri­fi­zie­rung führ­te auch bei den Kü­chen­ge­rä­ten zu vie­len tech­ni­schen In­no­va­tio­nen. Bis al­ler­dings Gro­ß­kü­chen­ge­rä­te, wie Elek­tro­her­de und Kühl­schrän­ke, flä­chen­de­ckend Ein­zug in die Haus­hal­te hiel­ten, soll­ten noch ei­ni­ge Jahr­zehn­te ver­ge­hen. Erst seit den 1960er Jah­ren ge­hö­ren sie zum Stan­dar­din­ven­tar in deut­schen Kü­chen und ver­än­der­ten nach­hal­tig die Zu­be­rei­tungs­art von Nah­rungs­mit­teln. Fri­sche Le­bens­mit­tel muss­ten nicht mehr durch so­for­ti­ge Wei­ter­ver­ar­bei­tung halt­bar ge­macht, son­dern konn­ten durch Tief­küh­len zur spä­te­ren Zu­be­rei­tung in der Tief­kühl­tru­he ge­la­gert wer­den. Das Ko­chen mit ei­nem Elek­tro­herd un­ter­schei­det sich be­züg­lich der Zu­be­rei­tungs­art der Le­bens­mit­tel nur we­nig von dem auf ei­nem Spar­herd. Viel­mehr spielt der Fak­tor Zeit ei­ne we­sent­li­che Rol­le. Muss­te man zu­vor Holz als Brenn­stoff für den Herd be­sor­gen, even­tu­ell noch Schei­te ha­cken, um das Feu­er ent­fa­chen zu kön­nen und nach dem Ko­chen die Asche aus­lee­ren, reich­te mit Er­werb des Elek­tro­her­des ein ein­fa­cher Knopf­druck zur Er­wär­mung ei­ner Herd­plat­te. Die Zeit, die so­mit in der Kü­che ver­bracht und für das Zu­be­rei­ten der Spei­sen auf­ge­wen­det wer­den muss­te, ver­rin­ger­te sich enorm und ließ da­durch Raum für al­ter­na­ti­ve Ak­ti­vi­tä­ten.

Einbauküche und Fertiggerichte als Bestandteile der Rationalisierung

Weißer Elektroherd mit einer Herdplatte mit drei runden Aussparungen für Töpfe sowie einem Backofen. Um 1960.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Elektroherd. Kochfeld mit drei verschieden großen Platten sowie einer Platten-Attrappe und Backofen. 1958.
Foto: Gerhards, Hans-Theo/LVR

Die Fra­ge des Zeit­auf­wands in der Kü­che be­schäf­tig­te be­reits Ar­chi­tek­ten der Bau­haus-Be­we­gung. Die Kü­che als Ort des Ge­sche­hens er­fuhr hier mit dem Be­stre­ben, ei­ne kla­re Glie­de­rung in den Wohn­raum ein­flie­ßen zu las­sen, ei­ne struk­tu­rel­le Über­ar­bei­tung. Die We­ge soll­ten ver­kürzt wer­den und mög­lichst al­les an ei­nem fes­ten Platz und mit ein paar Hand­grif­fen er­reich­bar sein. Si­cher­lich fand man die­se In­no­va­ti­on der In­nen­ar­chi­tek­tur in den 1920er Jah­ren le­dig­lich in aus­ge­wähl­ten Haus­hal­ten. Aber die Über­le­gun­gen zu Ef­fi­zi­enz und kur­zen We­gen in der Kü­che ent­wi­ckel­ten sich dann in den 1970er Jah­ren zu der heu­te all­seits be­kann­ten Ein­bau­kü­che. Mit dem Ein­zug von Fer­tig­pro­duk­ten, wie zum Bei­spiel der Fer­tig­piz­za oder der Tü­ten­sup­pe seit den 1970er Jah­ren, re­du­zier­te sich der Auf­wand, der zur Zu­be­rei­tung von Spei­sen be­nö­tigt wur­de, er­neut. Das Ko­chen ent­wi­ckel­te sich da­durch von ei­ner zwin­gen­den Not­wen­dig­keit für die Nah­rungs­auf­nah­me hin zu ei­nem „Spiel mit den Mög­lich­kei­ten der kul­tu­rel­len Selbst­aus­stat­tun­g“ (Ti­mo Hei­mer­din­ger). So ist heu­te das Ko­chen für vie­le Men­schen mit dem Aus­druck ei­nes be­stimm­ten Le­bens­stils ver­bun­den, oder kann ein­fach nur als ent­span­nen­de Art der Frei­zeit­ge­stal­tung be­trie­ben wer­den.

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